BGer 5A_131/2013
 
BGer 5A_131/2013 vom 25.06.2013
{T 0/2}
5A_131/2013
 
Urteil vom 25. Juni 2013
 
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichterin Escher,
Bundesrichter Schöbi,
Gerichtsschreiber V. Monn.
 
Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Betreibungsamt Y.________.
Gegenstand
Existenzminimum,
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau als kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs vom 14. Januar 2013.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
B.
Mit Schreiben vom 1. Oktober 2012 verlangte X.________ vom Betreibungsamt Y.________ eine "rekursfähige Verfügung", woraus hervorgehen sollte, weshalb das Betreibungsamt "auf seinem Geld beharre" und ihm das Existenzminimum nicht früher ausbezahle. Der Betreibungsbeamte erwiderte ihm, die Urteile des Bezirks-, des Ober- und des Bundesgerichts seien deutlich gewesen; aus diesem Grund werde er keine neue Verfügung erlassen (Schreiben vom 2. Oktober 2012).
 
C.
C.a. Darauf erhob X.________ Beschwerde beim Bezirksgericht Münchwilen als unterer Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungssachen. In seiner Eingabe vom 15. Oktober 2012 beantragte er, die Handlungen des Betreibungsamts Y.________ zu überprüfen und die Existenzminima für die Monate August, September und Oktober 2012 umgehend zuzustellen. In einem weiteren Schreiben vom 23. Oktober 2012 brachte X.________ dem Bezirksgericht eine Reihe von Unterlagen zur Kenntnis, die er gleichentags dem Betreibungsamt gesandt hatte. Vom Bezirksgericht dazu aufgefordert, reichte das Betreibungsamt am 24. Oktober 2012 eine Stellungnahme ein. Darin beantragte es, die Beschwerde "vollumfänglich abzuweisen". Am 25. Oktober 2012 reagierte das Amt auf X.________s Schreiben vom 23. Oktober 2012 und stellte das Begehren, im laufenden Beschwerdeverfahren auch den Arbeitsweg seiner Lebenspartnerin zu berechnen.
C.b. Am 30. November 2012 hiess das Bezirksgericht die Beschwerde teilweise gut. Es wies das Betreibungsamt an, nach Erhalt des Guthabens durch die Firma Z.________ AG jeweils jeden Monat Fr. 4'000.-- direkt X.________ zu überweisen, sofern das Existenzminimum für den entsprechenden Monat infolge fehlender Unterlagen noch nicht exakt bestimmt werden konnte, in Anrechnung oder Verrechnung des später zu berechnenden Existenzminimumanteils. Weiter wies das Bezirksgericht das Betreibungsamt an, in X.________s Existenzminimumberechnung den Arbeitsweg seiner Lebenspartnerin mit monatlich Fr. 160.10 sowie deren Auslagen für auswärtige Verpflegung mit Fr. 31.-- pro Monat zu beziffern. In Ziffer 6 seines Urteilsspruches ordnete das Bezirksgericht die schriftliche Mitteilung an die Parteien an, "unter Rückgabe der Originalakten nach Rechtskraft, dem Beschwerdeführer unter Beilage der Stellungnahmen des Betreibungsamtes Y.________".
 
D.
 
E.
 
Erwägungen:
 
1.
 
2.
 
3.
3.1. Der Beschwerdeführer ruft keine konkrete Vorschrift an, auf die er seine Gehörsrüge stützt. Insbesondere behauptet er auch nicht, dass ihm das massgebliche kantonale Verfahrensrecht (Art. 20a Abs. 3 SchKG) in diesem Zusammenhang zu Rechten verhelfe, die über den verfassungsmässigen Minimalanspruch gemäss Art. 29 Abs. 2 BV hinausgehen. Können seine Vorbringen aber ausschliesslich als Rüge der Verletzung dieser Norm entgegenommen und verstanden werden, so ist er damit vor Bundesgericht mangels materieller Erschöpfung des Instanzenzuges nicht zu hören, denn er hat den Vorwurf der Verletzung des rechtlichen Gehörs vor der Vorinstanz nicht erhoben. Untersteht ein Vorbringen im Verfahren der Beschwerde in Zivilsachen - wie der Vorwurf der Verletzung verfassungsmässiger Rechte - dem Rügeprinzip (E. 2), so ergibt sich aus dem Erfordernis der Letztinstanzlichkeit des angefochtenen Entscheids (Art. 75 Abs. 1 BGG), dass der Beschwerdeführer die ihm bekannten rechtserheblichen Einwände der Vorinstanz nicht vorenthalten darf, um sie erst nach dem Ergehen eines ungünstigen Entscheides im anschliessenden Rechtsmittelverfahren zu erheben (BGE 133 III 638 E. 2 S. 640). Vielmehr muss er sich in der Beschwerde an das Bundesgericht mit den Erwägungen der letzten kantonalen Instanz zu einer Rüge auseinandersetzen, die er bereits vor dieser letzten kantonalen Instanz erhoben hat.
3.2. Nun stellt sich der Beschwerdeführer zwar auf den Standpunkt, im Zeitpunkt der Beschwerdeeingabe an das Obergericht sei für ihn nicht erkennbar gewesen, dass der Entscheid des Bezirksgerichts "mit dem rechtserheblichen Mangel der Gehörsverweigerung behaftet ist". Inwiefern er die angebliche Gehörsverletzung aber erst aufgrund des angefochtenen oder eines anderen, von ihm erwähnten obergerichtlichen Entscheids vom 25. Januar 2013 hätte erkennen können, vermag er nicht nachvollziehbar darzutun. Ebenso wenig kann er sich mit dem Einwand entschuldigen, es sei "allgemein im Geschäftsbereich üblich, dass vor Jahresende eine übermässige Hektik herrscht, die nicht mehr genügend Spielraum lässt". Die gesetzliche Beschwerdefrist (Art. 18 Abs. 1 SchKG) kann grundsätzlich nicht erstreckt werden, und davon, dass dem Beschwerdeführer eine Wiederherstellung der Frist (Art. 33 Abs. 4 SchKG) verweigert worden wäre, ist nirgends die Rede.
 
4.
 
5.
 
6.
6.1. Nach Art. 20a Abs. 2 Ziff. 5 SchKG können einer Partei bei böswilliger oder mutwilliger Prozessführung ausnahmsweise Bussen bis zu Fr. 1'500.-- sowie Gebühren und Auslagen auferlegt werden. Bös- oder mutwilliges Verhalten liegt namentlich vor, wenn die betreffende Partei - in Missachtung der auch im Verfahrensrecht geltenden Pflicht zum Handeln nach Treu und Glauben - ohne konkretes Rechtsschutzinteresse und trotz eindeutiger Sach- und Rechtslage vor allem deshalb Beschwerde führt, um das Betreibungsverfahren zu verzögern (BGE 127 III 178 E. 2a S. 179 mit Hinweisen). Der Tatbestand der Mutwilligkeit kann auch dann erfüllt sein, wenn eine Partei Tatsachen wider besseres Wissen als wahr behauptet, wenn sie ihre Stellungnahme auf einen Sachverhalt abstützt, von dem sie bei der ihr zumutbaren Sorgfalt wissen müsste, dass er unrichtig ist, oder wenn sie an einer offensichtlich gesetzeswidrigen Auffassung festhält (BGE 128 V 323 E. 1b S. 324). Wie das Obergericht zutreffend ausführt, lässt das Merkmal der Aussichtslosigkeit für sich allein die Beschwerdeführung noch nicht als bös- oder mutwillig erscheinen; vielmehr bedarf es zusätzlich des subjektiven, tadelnswerten Elementes, dass die Partei die Aussichtslosigkeit bei der ihr zumutbaren vernunftgemässen Überlegung ohne weiteres erkennen konnte (Urteil 4A_685/2011 vom 24. Mai 2012 E. 6.2).
6.2. Das Obergericht begründet seinen Entscheid damit, dass der Beschwerdeführer zum einen die Höhe des ausbezahlten Existenzminimums und dessen Auszahlungsmodalitäten durch das Betreibungsamt gerügt, zum andern dem Amt und der Vorinstanz bis heute die eingeforderten Unterlagen zur Berechnung des Existenzminimums nicht oder erst verspätet zur Verfügung gestellt und damit seine Mitwirkungspflicht verletzt habe. Überdies habe er sich über die Berechnung des Arbeitswegs seiner Lebenspartnerin beschwert, obwohl das Bezirksgericht diese Auslagen bereits grosszügig bemessen hatte und zu einer Rüge aufgrund der ausführlichen und nachvollziehbaren Begründung des Bezirksgerichts überhaupt kein Anlass bestand.
6.3. Was der Beschwerdeführer dagegen einwendet, vermag den angefochtenen Entscheid nicht zu erschüttern. So muss der Kostenspruch keineswegs schon deswegen "völlig unangemessen" sein, weil der Beschwerdeführer vor Obergericht als Laie auftrat oder weil er - wie er behauptet - überschuldet ist. Eine schlechte oder fehlende Zahlungsfähigkeit vermag das prozessuale Verhalten einer Partei auch in einem betreibungsrechtlichen Beschwerdeverfahren nicht zu entschuldigen. Ebenso wenig setzt Bös- oder Mutwilligkeit in der Prozessführung in zwingender Weise voraus, dass der Partei eine Verzögerungsabsicht nachgewiesen werden kann (s. E. 6.1). Um seine Beschwerdeführung zu rechtfertigen, beruft sich der Beschwerdeführer schliesslich auf ein anderes betreibungsrechtliches Beschwerdeverfahren vor Obergericht, das am 25. Januar 2013 mit einem Nichteintretensentscheid endete, und auf das "nachträgliche Handeln" des Betreibungsamts, das er in zwei Schreiben vom 19. Dezember 2012 und 9. Januar 2013 ausgemacht haben will. All diese Vorbringen sind unbehelflich, denn schon aufgrund der zeitlichen Abfolge der Geschehnisse konnten sie auf den am 11. Dezember 2012 gefassten Entschluss des Beschwerdeführers, den Entscheid des Bezirksgerichts vom 30. November 2012 anzufechten, keinen Einfluss haben.
 
7.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird abgewiesen.
3. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Betreibungsamt Y.________ und dem Obergericht des Kantons Thurgau als kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 25. Juni 2013
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: von Werdt
Der Gerichtsschreiber: V. Monn