BGer 5A_956/2012 |
BGer 5A_956/2012 vom 25.06.2013 |
{T 0/2}
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5A_956/2012
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Urteil vom 25. Juni 2013 |
II. zivilrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter von Werdt, Präsident,
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Bundesrichterin Hohl, Bundesrichter Marazzi,
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Gerichtsschreiber Zbinden.
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Verfahrensbeteiligte |
X.________,
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vertreten durch Rechtsanwältin Alessandra Perrella,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Bezirksgericht Meilen,
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Beschwerdegegner
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Gegenstand
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Akteneinsicht (Testamentseröffnung),
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Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, Verwaltungskommission, vom 14. November 2012.
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Sachverhalt: |
A. |
A.a. Am 11. März 2011 verstarb A.________, geb. 1931, in Zürich. Mit Urteil des Einzelgerichts im summarischen Verfahren des Bezirks Meilen vom 2. August 2011 erfolgte die Testamentseröffnung betreffend ihren Nachlass (Verfahren EL110080). Am 20. Januar 2012 erliess das Einzelgericht einen Nachtrag zum Testamentseröffnungsurteil vom 2. August 2012. Ein weiteres die Eröffnung des Nachlasses betreffendes Urteil erging schliesslich am 26. Juli 2012 im Verfahren EL 120272.
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A.b. In der Folge erhob die gesetzliche Erbin der Erblasserin, B.________, am 9. März 2012 Herabsetzungsklage nach Art. 522 ZGB namentlich gegen den von der Erblasserin Begünstigten, X.________. Dieser beantragte beim Einzelgericht des Bezirks Meilen Akteneinsicht in die Verfahren EL110080 und EL120272, die ihm die angerufene Instanz mit Verfügung vom 17. August 2012 verweigerte.
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B. |
Mit Beschluss vom 14. November 2012 wies das Obergericht des Kantons Zürich, Verwaltungskommission, in Abweisung einer aufsichtsrechtlichen Beschwerde von X.________ das Gesuch um Akteneinsicht ab.
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C. |
X.________ (Beschwerdeführer) hat am 21. Dezember 2012 (Postaufgabe) gegen den vorgenannten Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Er ersucht um Aufhebung des Beschlusses und um Gewährung der Akteneinsicht in die Verfahren EL110080 und EL120272 des Bezirksgerichts Meilen sowie in sämtliche Verfahren betreffend Testamentseröffnung im Nachlass A.________. Eventuell seien ihm zumindest die Urteile vom 26. Juli 2012 und vom 2. August 2011 sowie alle weiteren Urteile über die Eröffnung von Testamenten im Nachlass A.________ bekanntzugeben.
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Erwägungen: |
1. |
1.1. Angefochten ist ein Beschluss eines oberen kantonalen Gerichts, das als letzte kantonale Instanz über das Gesuch des Beschwerdeführers um Einsicht in die Akten der abgeschlossenen Verfahren betreffend Testamentseröffnung entschieden hat (Art. 75 Abs. 1 und 2 BGG, Art. 90 BGG). Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit, die in engem Zusammenhang mit dem Zivilrecht (Testamentseröffnung, Art. 557 ZGB) steht (Art. 72 Abs. 2 BGG).
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1.2. Streitig ist sodann, ob es sich um eine vermögensrechtliche Streitsache handelt. Das Bundesgericht ist im Zusammenhang mit dem Auskunftsanspruch der gemeinsamen Nachkommen gegen den überlebenden Ehegatten bezüglich lebzeitiger Zuwendungen des Erblassers, die aus dessen Errungenschaft stammen (Art. 610 Abs. 2 ZGB), von einer vermögensrechtlichen Zivilsache ausgegangen. Es hat in diesem Zusammenhang erwogen, streitig sei in diesem Fall nicht der Teilungsanspruch an sich, sondern letztlich die Frage, wie gross der Nachlassanteil bzw. Pflichtteil der Beklagten und Berufungskläger zu bemessen sei, wenn die durch ihr Auskunftsbegehren erhofften Erkenntnisse über Stand und Entwicklung des erblasserischen Vermögens berücksichtigt werden. Es hat aber von den damaligen Berufungsklägern nicht verlangt, den Streitwert zu beziffern (BGE 127 III 398 E. 1b/cc). Im vorliegenden Fall geht es um die Akteneinsicht nach Abschluss eines Testamentseröffnungsverfahrens, wobei die Einsicht in die Schriftstücke mit Blick auf eine von der gesetzlichen Erbin gegen den Beschwerdeführer angehobenen Herabsetzungsklage verlangt wird. Der Beschwerdeführer möchte mit der Akteneinsicht Klarheit darüber erlangen, ob sich in den Akten weitere Urteile über letztwillige Verfügungen befinden. In Anlehnung an die erwähnte Rechtsprechung ist von einer vermögensrechtlichen Streitsache im Sinn von Art. 72 Abs. 2 ZGB i.V.m. Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG auszugehen, wobei auch hier auf eine genaue Angabe des Streitwertes zu verzichten ist.
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1.3. Der Beschwerdeführer war Partei im kantonalen Verfahren (Art. 76 Abs. 1 lit. a BGG) und ist mit seinen Begehren nicht durchgedrungen; er verfügt damit über ein schützenswertes Interesse an der Änderung des angefochtenen Beschlusses (Art. 76 Abs. 1 it. b BGG). Auf die fristgerecht (Art. 100 Abs. 1 BGG) eingereichte Beschwerde ist einzutreten.
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2. |
Der Beschwerdeführer beruft sich zur Durchsetzung seines behaupteten Anspruchs auf Akteneinsicht sowohl auf Art. 29 Abs. 2 BV als auch auf kantonale Bestimmungen, die er (sinngemäss) als willkürlich angewendet erachtet. Zudem macht er eine Verletzung von Art. 17 der Verfassung des Kantons Zürich geltend. Es rechtfertigt sich, den Anspruch zuerst unter dem Blickwinkel von Art. 29 Abs. 2 BV zu prüfen:
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2.1. Art. 29 Abs. 2 BV räumt den Parteien und Betroffenen als allgemeine Verfahrensgarantie und Teil des Anspruchs auf rechtliches Gehör einen Anspruch auf Akteneinsicht ein. Im Hinblick auf den Erlass einer Verfügung sollen die Verfahrensbeteiligten von den Entscheidungsgrundlagen vorbehaltlos und ohne Geltendmachung eines besonderen Interesses Kenntnis nehmen können (BGE 122 I 153 E. 6a S. 161). Dieser Aspekt des Anspruchs auf Akteneinsicht kommt indessen im vorliegenden Verfahren nicht zum Tragen, da das Verfahren der Testamentseröffnung längst abgeschlossen ist und der Beschwerdeführer nicht Verfahrensbeteiligter war. Indes kann nach der Rechtsprechung zu Art. 29 Abs. 2 BV ein Anspruch auf Akteneinsicht auch ausserhalb eines hängigen Verfahrens geltend gemacht werden. Eine umfassende Wahrung der Rechte kann es gebieten, dass der Betroffene oder ein Dritter Akten eines abgeschlossenen Verfahrens einsehe. Allerdings ist dieser Anspruch davon abhängig, dass der Rechtsuchende ein besonderes schutzwürdiges Interesse glaubhaft machen kann. Dieses kann sich aus der Betroffenheit in einem spezifischen Freiheitsrecht wie etwa der persönlichen Freiheit oder aus einer sonstigen besonderen Sachnähe ergeben. Das Akteneinsichtsrecht findet indes seine Grenzen an überwiegenden öffentlichen Interessen des Staates oder an berechtigten Interessen Dritter. Diesfalls sind die einander entgegenstehenden Interessen an der Akteneinsicht einerseits und an deren Verweigerung andererseits sorgfältig gegeneinander abzuwägen (zum Ganzen: BGE 129 I 249 E. 3 S. 253 f. mit weiteren Hinweisen).
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2.2. Zur Begründung seines gegenüber dem Obergericht erhobenen Vorwurfs der Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV legt der Beschwerdeführer dar, er könne als betroffene Person sein Äusserungs- und Verteidigungsrecht im Verfahren der Herabsetzungsklage nur wirksam wahrnehmen, wenn er davon Kenntnis habe, dass auch tatsächlich sämtliche letztwillige Verfügungen eröffnet worden seien oder, dass er auch tatsächlich von sämtlichen letztwilligen Verfügungen der Erblasserin Kenntnis habe.
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2.3. Mit seinen Ausführungen stellt der Beschwerdeführer den konkreten Bezug seines Gesuchs um Akteneinsicht in die abgeschlossenen Testamentseröffnungsverfahren und der Herabsetzungsklage nur sehr allgemein her. Insbesondere wird in keiner Weise erörtert, auf welches konkrete Tatsachenfundament die Erbin und Klägerin des Herabsetzungsprozesses ihre gegen ihn erhobene Klage gründet und inwiefern gestützt auf das Klagefundament Einsicht in die besagten Akteneines abgeschlossenen Verfahrens erforderlich ist. Abgesehen davon vermag auch nicht einzuleuchten, inwiefern den Interessen des Beschwerdeführers mit dem ihm im Herabsetzungsverfahren zustehenden umfassenden Akteneinsichtsrecht (Art. 53 ZPO) nicht zur Genüge entsprochen werden kann. Der Beschwerde lassen sich jedenfalls keine substanziiertendiesbezüglichen Ausführungenentnehmen. Von einer Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV kann keine Rede sein.
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2.4. Im Folgenden ist somit zu prüfen, ob sich der Anspruch auf Akteneinsicht in die abgeschlossenen Testamentseröffnungsverfahren,wie vom Beschwerdeführer behauptet, aus dem kantonalen Recht ergibt. Soweit keine der Ausnahmen gemäss Art. 95 lit. c-e BGG gegeben ist, überprüft das Bundesgericht die Anwendung kantonalen Rechts ausschliesslich unter dem Gesichtswinkel der Willkür (BGE 133 I 201 E. 1 S. 203; 133 II 249 E. 1.2.1 S. 252).
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3. |
3.1. Ausgangspunkt für den auf kantonalem Recht gründenden Anspruch auf Akteneinsicht ist die Verordnung der obersten kantonalen Gerichte über die Information über Gerichtsverfahren und die Akteneinsicht bei Gerichten durch Dritte (Akteneinsichtsverordnung der obersten Gerichte vom 16. März 2001; LS 211.15). Nach § 21 Abs. 1 dieser Verordnung können Privatpersonen in Entscheide in Zivilverfahrenmit öffentlicher Verhandlung Einsicht nehmen. Die Einsicht in die übrigen Akten dieser Verfahren richtet sich - entsprechend dem Wortlaut von § 21 Abs. 1 Akteneinsichtsverordnung - nach § 131 Abs. 2 und 3 des Gesetzes über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess (GOG/ZH; LS 211.1). Danach steht Dritten kein Recht auf Einsicht in Gerichtsakten zu (Abs. 2). Indes kann das Gericht Dritten Akteneinsicht gewähren, wenn (a) sie ein wissenschaftliches oder ein anderes schützenswertes Interesse geltend machen, und (b) der Einsichtnahme keine überwiegende öffentlichen oder privaten Interessen entgegenstehen. Als Verfahren mit öffentlicher Verhandlung gelten Verfahren, in denen gestützt auf Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 14 Ziff. 1 IPBPR, Art. 30 Abs. 3 Satz 1 BV, eidgenössisches oder kantonales Verfahrensrecht eine mündliche Verhandlung durchzuführen ist und die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen wird (§ 4 Abs. 1 Akteneinsichtsverordnung der obersten Gerichte).
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3.2. Das Obergericht erwog, Testamentseröffnungen seien nicht öffentlich, weshalb auch gestützt auf § 21 der Akteneinsichtsverordnung der obersten Gerichte kein Anspruch auf Einsicht in die in der Sache ergangenen Entscheide bestehe. Gleich verhalte es sich laut § 131 Abs. 2 GOG/ZH mit der vom Beschwerdeführer ebenfalls verlangten Einsicht in die übrigen Akten; auch diese Bestimmung setze als Erfordernis die öffentliche Verhandlung voraus.
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3.3. Die Testamentseröffnung gemäss Art. 557 ZGB ist eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Karrer/Vogt/Leu, Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch II, 4. Aufl. 2011, N 17 zu Art. 557 ZGB; vgl. auch von Werdt, GestG-Kommentar, 2. Aufl. 2005, N 37 zu Art. 11 GestG). Weil Art. 557 Abs. 1 ZGB nicht verlangt, dass eine gerichtliche Behörde letztwillige Verfügungen eröffnet, handelt es sich nicht um eine gerichtliche Anordnung der freiwilligen Gerichtsbarkeit im Sinne von Art. 1 lit. b ZPO und findet folglich die ZPO keine Anwendung, jedenfalls nicht von Bundesrechts wegen. Daran ändert nichts, dass im Kanton Zürich das Einzelgericht (§ 137 lit. c GOG/ZH) und damit eine richterliche Behörde für die Testamentseröffnung zuständig ist (vgl. zu dieser Frage das zur Publikation bestimmte Urteil 5A_44/2013 vom 25. April 2013 E. 2). Damit ist dem Argument des Beschwerdeführers, Art. 54 ZPO schreibe (auch) für das Testamentseröffnungsverfahren eine öffentliche Verhandlung vor, die Grundlage entzogen. Dass sich die Pflicht, in einem Testamentseröffnungsverfahren eine öffentliche Verhandlung durchzuführen, aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 14 Ziff. 1 IPBPR, Art. 30 Abs. 3 Satz 1 BV oder aus kantonalem Verfahrensrecht ergibt, behauptet der Beschwerdeführer nicht, so dass diese Frage keiner weiteren Klärung bedarf. Der Beschwerdeführer macht immerhin geltend, Art. 17 der Verfassung des Kantons Zürich verleihe ihm einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Dokumenten, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstünden. Er legt indes nicht substanziiert dar, dass er die entsprechende Rüge bereits im kantonalen Verfahren erhoben und damit der Instanzenzug ausgeschöpft hat. Darauf ist nicht weiter einzugehen (BGE 133 III 638 E. 2 S. 639 f; 134 III 524 E. 1.3 S. 527).
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3.4. Im Lichte dieser Ausführungen ist der angefochtene Entscheid, mit welchem dem Beschwerdeführer Einsicht in die Akten verweigert worden ist, jedenfalls im Ergebnis nicht willkürlich (zum Willkürbegriff: BGE 138 I 49 E. 7.1 S. 51; 137 I 1 E. 2.4 S. 5).
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4. |
Damit ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 2000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bezirksgericht Meilen und dem Obergericht des Kantons Zürich, Verwaltungskommission, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 25. Juni 2013
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Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: von Werdt
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Der Gerichtsschreiber: Zbinden
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