BGer 6B_670/2012
 
BGer 6B_670/2012 vom 15.07.2013
{T 0/2}
6B_670/2012
 
Urteil vom 15. Juli 2013
 
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Gerichtsschreiberin Pasquini.
 
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Adrian Blättler,
Beschwerdeführer,
gegen
Schweizerische Bundesanwaltschaft, 3003 Bern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Strafzumessung (qualifizierte, teilweise mehrfache Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz),
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesstrafgerichts, Strafkammer, vom 25. Mai 2012.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
B.
 
C.
 
Erwägungen:
 
1.
 
2.
2.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV). Die Vorinstanz berufe sich auf Feststellungen im Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich in Sachen A.________, obwohl er in jenem Strafverfahren keine Parteirechte habe wahrnehmen können (Beschwerde S. 10 3. Abschnitt).
2.2. Der in Art. 29 Abs. 2 BV verankerte Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst u.a. das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines in seine Rechtsstellung eingreifenden Entscheids zur Sache zu äussern, Einsicht in die Akten zu nehmen, mit erheblichen Beweisanträgen gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher Beweise mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn darauf abgestellt werden soll (vgl. BGE 135 I 187 E. 2.2 mit Hinweis).
2.3. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist unbegründet. Die Vorinstanz edierte die Gerichtsurteile der weiteren Beteiligten, so auch dasjenige von A.________ (Urteil S. 16 E. 1.4.1.2). Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, dass ihm bzw. seinem Verteidiger im vorliegenden Verfahren keine Akteneinsicht gewährt wurde oder er keine Stellung beziehen konnte. Es obliegt dem Verteidiger, rechtzeitig Einsicht in die Verfahrensakten zu nehmen und seinem Klienten deren Inhalt zur Kenntnis zu bringen (Urteil 6B_492/2011 vom 3. November 2011 E. 1.3 mit Hinweis). Dass und inwiefern dem Beschwerdeführer eine wirksame Verteidigung nicht möglich gewesen sein sollte, ist weder ersichtlich noch dargelegt.
 
3.
3.1. Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung, eine unzulässige antizipierte Beweiswürdigung und eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor. Er macht geltend, die Vorinstanz gehe offensichtlich unrichtig davon aus, B.________ habe seinen Tatentschluss nicht beeinflusst. Sie nehme zu Unrecht an, jener sei bloss ein Informant der US-amerikanischen Drug Enforcement Administration (nachfolgend: DEA) und sei nicht in deren Auftrag als "agent provocateur" tätig gewesen. Die Beschwerdegegnerin habe seinen Beweisantrag gutgeheissen, wonach diesbezüglich Informationen zu beschaffen seien. Die Vorinstanz habe ihr Urteil gefällt, obwohl das Ergebnis dieser Abklärungen noch ausstehend gewesen sei. Zudem sei ihre Feststellung offensichtlich unrichtig, er habe nie behauptet, dass B.________ ihn zu den Kokaintransporten angestiftet habe (Beschwerde S. 5 N. 5b und S. 11-13 N. 6.2).
3.2. Die Vorinstanz führt aus, sie habe den Beweisantrag zu B.________ abgewiesen. Die Bundeskriminalpolizei habe die erforderlichen und durchführbaren Abklärungen getroffen. Mangels genauer Angaben seien dessen Personalien nicht gesichert. Die Anfragen bei der zuständigen Stelle in den USA seien zwar beantwortet worden, hätten aber keine Ergebnisse gebracht (Urteil S. 13 f. E. 1.4.1.1 b).
 
3.3.
3.3.1. Es liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, wenn ein Gericht auf die Abnahme beantragter Beweismittel verzichtet, weil es auf Grund der bereits abgenommenen Beweise seine Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür in vorweggenommener Beweiswürdigung annehmen kann, dass seine Überzeugung durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert würde (BGE 136 I 229 E. 5.3 mit Hinweisen). Willkür bei der Beweiswürdigung liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt für die Annahme von Willkür nicht (BGE 138 I 305 E. 4.3; 137 I 1 E. 2.4; je mit Hinweisen).
3.3.2. Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 137 III 226 E. 4.2 S. 234).
3.4. Der Beschwerdeführer beschränkt sich darauf, zu behaupten, B.________ habe bei ihm den Tatentschluss geweckt und dieser angeblich im Auftrag der DEA handelnde verdeckte Ermittler sei als "agent provocateur" aufgetreten. Soweit er sich nicht mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils auseinandersetzt, genügt seine Beschwerde den Begründungsanforderungen nicht. Sie erschöpft sich in appellatorischer Kritik, auf die das Bundesgericht nicht eintritt. Inwiefern die Feststellung der Vorinstanz, er habe nicht geltend gemacht, B.________ habe ihn angestiftet, für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens entscheidend sein kann, ist in Anbetracht ihrer vertretbaren Beweiswürdigung nicht ersichtlich und im Übrigen auch nicht dargetan. Der Entscheid der Vorinstanz, in vorweggenommener Beweiswürdigung auf weitere Beweiserhebungen zu B.________ zu verzichten, ist nicht zu beanstanden. Der Anspruch auf rechtliches Gehör des Beschwerdeführers wird dadurch nicht verletzt.
 
4.
4.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz nehme unzutreffend an, er habe in der Bande, insbesondere im Vergleich zu A.________, eine zentrale Rolle innegehabt. Sie stütze sich dabei massgebend auf dessen Aussagen, obwohl diese unter dem Gesichtspunkt von Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK nicht verwertbar seien. A.________ habe an der Konfrontationseinvernahme die Aussagen verweigert (Beschwerde S. 4 f. N. 5a und S. 6-11 N. 6.1).
4.2. Die Vorinstanz erwägt, an ihrer Einvernahme von C.________ habe der Beschwerdeführer sein Fragerecht wirksam ausüben können. Im Vorverfahren hätten zwischen ihm und den anderen Beteiligten der Kokainlieferungen weitere Konfrontationseinvernahmen stattgefunden. Mit Ausnahme von A.________, der sich auf sein Aussageverweigerungsrecht berufen habe, hätten alle die Fragen der Verteidigung und des Beschwerdeführers beantwortet. Einer Verwertung der belastenden Aussagen der Einvernommenen stehe daher nichts entgegen. Gemäss Anklage seien alle Kokainlieferungen nach dem gleichen Muster abgelaufen. Diesbezüglich habe D.________ ein Vorbereitungstreffen mit dem Beschwerdeführer vor der ersten Lieferung bestätigt, bei dem u.a. A.________ anwesend gewesen sei. Er habe ferner bekräftigt, der Beschwerdeführer habe seine Wohnung hinsichtlich deren Eignung als Drogendepot inspiziert. Dieser habe ihn instruiert, die Kartons mit dem Kokain vom Lager, wo A.________ die Dinge koordiniert habe, nach St. Gallen zu transportieren und in seiner Wohnung zu verstecken. D.________ habe ausserdem bestätigt, er habe diese Aufgaben bei allen Kokainlieferungen wahrgenommen. Die Vorinstanz führt weiter aus, die Angaben von D.________ seien verwertbar. Hinsichtlich des generellen Ablaufs seien die Belastungsaussagen von A.________ somit nicht das einzige oder ausschlaggebende Beweismittel, weshalb diese grundsätzlich auch verwertet werden könnten. Im Übrigen bildeten die Belastungsaussagen der Beteiligten nicht die alleinigen Beweismittel für den Schuldspruch (Urteil S. 16 ff. E. 1.4.2, insbesondere S. 18 f. lit. c-e und lit. g).
4.3. Der in Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK garantierte Anspruch des Angeschuldigten, den Belastungszeugen Fragen zu stellen, ist ein besonderer Aspekt des Rechts auf ein faires Verfahren gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Eine belastende Zeugenaussage ist grundsätzlich nur verwertbar, wenn der Beschuldigte wenigstens einmal während des Verfahrens angemessene und hinreichende Gelegenheit hatte, das Zeugnis in Zweifel zu ziehen und Ergänzungsfragen zu stellen. Der Beschuldigte muss in der Lage sein, die Glaubhaftigkeit einer Aussage zu prüfen und ihren Beweiswert in kontradiktorischer Weise auf die Probe und in Frage zu stellen. Das kann entweder im Zeitpunkt, in welchem der Belastungszeuge seine Aussage macht, oder auch in einem späteren Verfahrensstadium erfolgen (BGE 133 I 33 E. 3.1; Urteil 6B_ 251/2012 vom 2. Oktober 2012 E. 2.3.2; je mit Hinweisen).
4.4. An der Konfrontationseinvernahme vom 7. September 2011 wurde A.________ auf Art. 180 Abs. 1 StPO hingewiesen, wonach er als Auskunftsperson nicht zur Aussage verpflichtet ist. Obwohl dem Beschwerdeführer bzw. seinem Verteidiger ermöglicht wurde, A.________ Ergänzungsfragen zu stellen, konnte er sein Fragerecht nicht wirksam ausüben, weil dieser in der direkten Gegenüberstellung die Aussage verweigerte (Urteil S. 36 E. 3.2.4.4; vorinstanzliche Akten cl. 26 S. 13.1.00.965-987). Insofern konnte er dessen früheren Angaben nicht durch weitergehende Fragen auf ihren Beweiswert hin überprüfen und Widersprüche aufzeigen (vgl. Urteil 6B_75/2013 vom 10. Mai 2013 E. 3.3.3 mit Hinweisen). Es lag vorliegend aber nicht in der Verantwortung der Behörden, dass der Beschwerdeführer sein Fragerecht nicht wahrnehmen konnte.
 
5.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
3. Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesstrafgericht, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 15. Juli 2013
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Mathys
Die Gerichtsschreiberin: Pasquini