Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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{T 0/2}
6B_181/2013
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Urteil vom 29. August 2013
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Denys, Oberholzer,
Gerichtsschreiber Briw.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Konrad Jeker,
Beschwerdeführer,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, 4502 Solothurn,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Kostenauflage; Unschuldsvermutung,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn, Strafkammer, vom 6. Dezember 2012.
Sachverhalt:
A.
Am 30. Oktober 2008 reichte die Y.________ GmbH Strafanzeige gegen X.________ ein. Danach hatte die Y.________ GmbH an Z.________ ein Geschäftshaus vermietet und vereinbart, dass diese das Inventar in bar für Fr. 35'000.-- abkauft. Z.________ leistete eine Anzahlung von Fr. 2'000.--. X.________ wusste als Begleiter des Vertreters der Y.________ GmbH um die Vertragsverhandlungen. In der Folge habe er ohne Wissen der Y.________ GmbH Z.________ eine von ihm abgefasste Vereinbarung mit einem Kaufpreis von Fr. 24'600.-- unterbreitet und sich diesen Betrag in bar auszahlen lassen. Er habe das Geld der Berechtigten nicht übergeben, sondern für sich behalten. Danach sei er untergetaucht.
B.
Die Staatsanwaltschaft verurteilte X.________ mit Strafbefehl vom 4. Februar 2011 wegen Betrugs zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu Fr. 100.--, davon 30 Tagessätze unbedingt.
Das Richteramt Solothurn-Lebern sprach X.________ am 18. Juli 2011 vom Vorwurf des Betrugs frei, hob eine Kontosperre auf, trat auf eine Zivilforderung nicht ein, wies den Antrag der Privatklägerin auf Parteientschädigung ab, sprach X.________ aus der Staatskasse eine Parteientschädigung von Fr. 6'140.90 zu und auferlegte die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- dem Staat.
Das Obergericht des Kantons Solothurn bestätigte auf Berufung der Staatsanwaltschaft am 6. Dezember 2012 das erstinstanzliche Urteil, verpflichtete aber X.________ zur Bezahlung der erstinstanzlichen Verfahrenskosten von insgesamt Fr. 2'700.-- (Ziff. 5) und richtete ihm für das erstinstanzliche Verfahren keine Parteientschädigung aus (Ziff. 6). Für das Berufungsverfahren verzichtete das Obergericht auf eine Parteientschädigung an die Privatklägerin, sprach X.________ eine Parteientschädigung von Fr. 1'122.45 zu (so dass er nach Verrechnung mit den auferlegten erstinstanzlichen Verfahrenskosten noch Fr. 1'577.55 zu bezahlen hatte) (Ziff. 8), setzte die Entschädigung für die amtliche Verteidigung von X.________ auf Fr. 1'069.20 fest und auferlegte die Kosten dem Staat.
C.
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das obergerichtliche Urteil in den Ziff. 5, 6 und 8 des Dispositivs aufzuheben, die erstinstanzlichen Kosten dem Kanton Solothurn aufzuerlegen, ihm für das erstinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 6'140.90 zu Lasten des Kantons zuzusprechen und die Verrechnung gemäss Ziff. 8 des Urteilsdispositivs aufzuheben.
Erwägungen:
1.
Zu prüfen ist, ob die Vorinstanz dem Beschwerdeführer für das erstinstanzliche Verfahren die Kosten auferlegen und eine Parteientschädigung verweigern durfte.
1.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 426 und 430 StPO sowie Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK. Es sei nicht verboten, Geld ohne Ermächtigung entgegenzunehmen. Inwiefern das Selbstjustiz sein soll und inwiefern diese auch noch unerlaubt sei, lasse sich dem angefochtenen Entscheid nicht entnehmen. Die "Auflösung der gegenseitigen Forderungsverhältnisse" sei im Interesse aller Beteiligten gewesen. Bei fehlender ausdrücklicher Ermächtigung zum Inkasso könne er sich auf Geschäftsführung ohne Auftrag berufen.
1.2. Die Vorinstanz nimmt an, dass der Beschwerdeführer ermächtigt war, einen Vergleich mit der Mieterin im Betrag von ca. Fr. 27'000.-- abzuschliessen. Weiter ist davon auszugehen, dass er das Geld bei der Mieterin ohne Auftrag entgegennahm und auf ein eigenes Konto einzahlte. Wenige Tage später überwies er dem Vertreter der Y.________ GmbH einen Teilbetrag von Fr. 10'600.--. Die Vorinstanz nimmt aufgrund der an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung eingereichten Belege zu seinen Gunsten an, dass er Forderungen in der Grössenordnung von Fr. 13'153.-- hatte bzw. zumindest zu haben glaubte. Mangels Absicht unrechtmässiger Bereicherung spricht sie ihn von der Anklage des Betrugs frei.
Zur Frage der Kosten und Entschädigung stellt die Vorinstanz fest, der Beschwerdeführer habe ohne Ermächtigung und damit widerrechtlich Fr. 24'600.-- entgegengenommen und auf sein eigenes Konto einbezahlt. Er habe sich Befriedigung verschaffen wollen für seine Ausstände bei der Y.________ GmbH und damit Selbstjustiz geübt. Dieses rechtswidrige und schuldhafte Verhalten habe die Einleitung des Strafverfahrens bewirkt. Konkrete Angaben zu den geltend gemachten Forderungen habe der Beschwerdeführer erst an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung gemacht. Unter diesen Umständen seien ihm die erstinstanzlichen Verfahrenskosten aufzuerlegen und eine Parteientschädigung zu verweigern.
1.3. Gemäss Art. 426 Abs. 2 StPO können der beschuldigten Person bei einem Freispruch die Verfahrenskosten ganz oder teilweise auferlegt werden, wenn sie rechtswidrig und schuldhaft die Einleitung des Verfahrens bewirkt oder dessen Durchführung erschwert hat. Unter den gleichen Voraussetzungen kann gemäss Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO eine Entschädigung herabgesetzt oder verweigert werden.
Diese Bestimmungen kodifizieren die Praxis des Bundesgerichts und der EMRK-Organe, wonach eine Kostenauflage möglich ist, wenn der Angeschuldigte in zivilrechtlich vorwerfbarer Weise gegen eine geschriebene oder ungeschriebene Verhaltensnorm klar verstossen und dadurch die Einleitung des Strafverfahrens veranlasst hat. Das Verhalten muss unter rechtlichen Gesichtspunkten vorwerfbar sein (BGE 116 Ia 162; Botschaft des Bundesrats zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts vom 21. Dezember 2005, BBl 2006 1326 und 1329 f.; vgl. Urteile 6B_229/2013 vom 4. Juli 2013 E. 1.3 und 1B_180/2012 vom 24. Mai 2012 E. 2.2).
1.4. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz beachte nicht, dass in der Strafanzeige verschwiegen worden sei, "dass er einen Teil des eingezogenen Betrags ca. vier Monate vor Einreichung der Strafanzeige abgeliefert habe". Nicht er, sondern die Privatklägerin habe damit die Einleitung des Strafverfahrens bewirkt.
Die Verrechnungserklärung gemäss Art. 124 Abs. 1 OR ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Besteht diesbezüglich Unklarheit, ist sie unvollständig und daher wirkungslos. Die Beweislast einer genügenden Verrechnungserklärung liegt bei dem, der sich auf die Verrechnung beruft (Urteil 4C.25/2005 vom 15. August 2005 E. 4.1).
Der Beschwerdeführer legt nicht dar, dass er eine Willenserklärung im Sinne von Art. 124 Abs. 1 OR oder eine andere Erklärung für sein Handeln abgegeben hatte (Art. 42 Abs. 2 BGG). Nach dem Sachverhalt lässt sich weder auf eine für die Privatklägerin erkennbare "Verrechnung" noch auf ein gutgläubiges Vorgehen schliessen. Vielmehr bestätigt der Beschwerdeführer, dass er "einen Teil des eingezogenen Betrags" nicht abgeliefert hatte. Dass er damit das Strafverfahren auslöste, lässt sich nicht im Ernste bestreiten.
1.5.
1.5.1. Gemäss Art. 120 OR setzt Verrechnung die Gegenseitigkeit der zu verrechnenden Gegenforderung voraus (BGE 132 III 342 E. 4.3). Gläubiger und Schuldner der zu verrechnenden Forderung müssen die gleichen Personen sein (Urteil 4C.85/2003 vom 25. August 2003 E. 8.2.1). Die Verrechnung ex iure tertii ist ausgeschlossen. Dies ist der Fall, wenn der Verrechnende seine Forderung gegen den Verrechnungsgegner mit einer Forderung verrechnen will, die dem Verrechnungsgegner als Gläubiger gegen einen Dritten zusteht ( CHRISTINA KELLER, in: Honsell [Hrsg.], Obligationenrecht, Kurzkommentar, 2008, N. 7 zu Art. 120 OR; TARKAN GÖKSU, in: Gauch/Aepli/Stöckli [Hrsg.], Präjudizienbuch OR, 8. Aufl. 2012, N. 8 zu Art. 120 OR). Gemäss Art. 125 Ziff. 1 OR ist die Verrechnung bei widerrechtlich entzogenen oder böswillig vorenthaltenen Sachen ausgeschlossen. Damit soll die Selbstjustiz unterbunden werden, sich durch widerrechtlichen Entzug eine Verrechnungsmöglichkeit zu schaffen, die sonst nicht bestünde ( WOLFGANG PETER, in: Honsell/Vogt/Wiegand [Hrsg.], Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 5. Aufl. 2011, N. 3 zu Art. 125 OR).
Das Schuldverhältnis bestand zwischen der Y.________ GmbH als Gläubigerin und Z.________ als Schuldnerin. Der Beschwerdeführer hatte keine Verfügungsmacht über die Forderung und konnte deshalb nicht verrechnen.
1.5.2. Unbehelflich ist der Einwand des Beschwerdeführers, selbst wenn er nicht ausdrücklich zum Inkasso ermächtigt gewesen wäre, könne er sich auf Geschäftsführung ohne Auftrag berufen.
Gemäss Art. 419 OR ist das Geschäft so zu führen, "wie es dem Vorteile und der mutmasslichen Absicht des anderen entspricht". Der Beschwerdeführer liess sich das Geld offenkundig "nicht mit Rücksicht auf das Interesse des Geschäftsherrn" (Art. 423 Abs. 1 OR) aushändigen. Es ist von einer Geschäftsanmassung auszugehen (vgl. BGE 129 III 422 E. 4 S. 425). Der eigenmächtige Rückbehalt zum Zwecke der Verrechnung verletzt auch unter diesem Titel Bundeszivilrecht.
1.6. Selbst wenn anzunehmen wäre, der Beschwerdeführer habe das Geld entgegennehmen dürfen, hätte er es der Y.________ GmbH herausgeben müssen. Rückbehalt und (sinngemäss) geltend gemachte Verrechnung entbehren jeder Rechtsgrundlage und werden von der Vorinstanz zutreffend als unerlaubte Selbstjustiz eingestuft.
2.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten vor Bundesgericht zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 29. August 2013
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Mathys
Der Gerichtsschreiber: Briw