BGer 6B_29/2013 |
BGer 6B_29/2013 vom 05.09.2013 |
{T 0/2}
|
6B_29/2013
|
Urteil vom 5. September 2013 |
Strafrechtliche Abteilung |
Besetzung
|
Bundesrichter Mathys, Präsident,
|
Bundesrichter Schneider, Oberholzer,
|
Gerichtsschreiber Boog.
|
Verfahrensbeteiligte |
X.________,
|
vertreten durch Advokat Dr. Stefan Suter,
|
Beschwerdeführer,
|
gegen
|
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, Postfach, 4001 Basel,
|
Beschwerdegegnerin.
|
Gegenstand
|
Gewerbsmässiger Betrug; Unschuldsvermutung,
|
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 29. August 2012.
|
Sachverhalt: |
A. |
A.a. X.________ gelangte im Frühjahr 1996 über ein Zeitungsinserat mit A.________ in Kontakt. In der Folge arbeitete er zunächst bei der B.________ Treuhand GmbH, dessen einziger Verwaltungsrat A.________ war. Jene war am 6. Mai 1993 aus der im Jahre 1992 von diesem gegründeten B.________ Treuhand AG hervorgegangen. Die B.________ Treuhand GmbH pries sich als Finanzdienstleistungs-Unternehmen mit Schwerpunkt Kapitalanlagen an. Sie emittierte Obligationen mit Laufzeiten bis zu vier Jahren, welche über freiberuflich tätige Kundenberater überwiegend in Deutschland vertrieben wurden.
|
A.b. X.________ gründete am 2. Juli 1996 auf Betreiben von A.________ zusammen mit zwei anderen Personen die D.________ Marketing AG. Ab dem 31. März 1998 war er alleiniger Aktionär der Gesellschaft. Die D.________ Marketing AG war die "Büro- und Servicestelle" des B.________-Konglomerats und sollte faktisch die gesamte Werbung und Vermarktung für die B.________ Finanz AG übernehmen, wobei eine Drittgesellschaft (N.________ Central Ltd.) zur Verschleierung dieses Auftragsverhältnisses dazwischen geschaltet wurde. Die Gesellschaften waren durch ein undurchsichtiges Vertragsgeflecht miteinander verbunden. Im Zuge der stärkeren Ausrichtung auf das Projekt Ecuador wurde die D.________ Marketing AG am 10. März 1999 in G.________ Invest AG umfirmiert. Die Gesellschaft hatte nunmehr die Werbung und den Verkauf von Grundstücken und Immobilien der im Februar 1998 auf Veranlassung von A.________ gegründeten G.________ Invest Ltd., BVI, zu organisieren, Geschäfte an diese zu vermitteln oder für diese abzuschliessen. X.________ übernahm im Laufe der Zeit zunehmend auch die Funktion eines Geldkuriers, wobei er ein- bis zweimal wöchentlich von Kunden einbezahlte Anlagegelder von rund DEM 60'000.-- nach Basel transportierte bzw. den Vermittlern Bargeld für die Zins- und Kapitalrückzahlungen überbrachte.
|
A.c. X.________ und den weiteren Beteiligten wird vorgeworfen, die von den Kunden einbezahlten Gelder seien entgegen den bei ihnen erweckten Erwartungen grösstenteils nicht in gewinnbringende Anlageobjekte oder -projekte investiert, sondern zur Erhaltung der Infrastruktur und der Leistung der jeweils fällig werdenden Zins- oder Rückzahlungen verwendet worden. Damit hätten sie gemeinschaftlich ein betrügerisches Anlagesystem betrieben.
|
B. |
C. |
Erwägungen: |
1. |
1.1. Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung der Unschuldsvermutung und des Grundsatzes "in dubio pro reo" geltend. Er sei im Alter von 55 Jahren in die B.________-Gruppe eingetreten. Die Gründung der D.________ Marketing AG habe zu seinem Pflichtenheft gehört. Er habe von Anbeginn weg in einem Subordinationsverhältnis zu A.________ gestanden, dessen Weisungen er befolgt habe. Er sei lediglich Geldkurier gewesen und habe mit Broschüren zu tun gehabt. Für die eigentliche Schulung der Vermittler sei er nicht zuständig gewesen. Die einzelnen Tätigkeitsfelder begründeten für sich allein keine Mittäterschaft. Im Übrigen habe die ganze Geschäftsidee bei seinem Eintritt bereits bestanden. Er sei auch von seinem Arbeitgeber nie in die Geschäfte eingeweiht, sondern seinerseits in die Irre geleitet worden. Die Vorinstanz nehme zu Unrecht an, dass er vom Schneeballsystem profitiert habe. Er habe, abgesehen von seinem Monatsgehalt von Fr. 7'800.--, keine Gelder bezogen. Es möge zutreffen, dass er sich hin und wieder gefragt habe, ob die Handlungen von A.________ richtig seien. Diese Bedenken seien indes "unter der Prämisse eines Arbeitnehmers" zu beurteilen. Die Annahme der Vorinstanz, er habe gewusst oder zumindest für möglich gehalten, dass ein grosser Teil des für die Banken und G.________ Invest Gesellschaften entgegengenommenen Anlagegeldes für Zinszahlungen und Rückzahlungen verwendet worden sei, sei daher haltlos. Er habe keinen Überblick über das Geschäftsgebaren von A.________ gehabt und daher auch nicht wissen können, wohin die Zins- und Rückzahlungen geflossen seien. Dass er sich habe ausrechnen können, dass vom eingegangenen Geld nicht mehr viel für die angeblich hochrentablen Investitionen übrig geblieben sei, genüge für den Schuldspruch wegen gewerbsmässigen Betruges nicht (Beschwerde S. 2 ff).
|
1.2. |
1.2.1. Die Vorinstanz gelangt zum Schluss, den Anlegern sei in dem betrügerischen Geschäftsmodell um das B.________-Konglomerat in grosssprecherischen Werbeunterlagen vorgespiegelt worden, die von ihnen einbezahlten Anlagegelder würden von alt eingesessenen, weltweit tätigen, von einem ganzen Stab von Finanz- und Justizexperten und von unabhängigen Wirtschaftsprüfern unterstützten bzw. kontrollierten Gesellschaften in gewinnträchtige Objekte bzw. Projekte investiert und die Zins- und Kapitalrückzahlungen entstammten aus den damit realisierten Erträgen. In Wirklichkeit seien die entgegengenommenen Gelder zumindest grösstenteils nicht in irgendwelche Projekte investiert worden und hätten weder die Banken noch die Investment Gesellschaften des B.________-Konglomerats je Renditen erwirtschaftet. Sämtliche Zins- und Kapitalrückzahlungen hätten nur erfolgen können, indem neues Anlagegeld beschafft worden sei. Es sei denn auch beinahe die Hälfte des eingenommenen Geldes für die Zins- und Kapitalrückzahlungen verwendet worden, wobei in diesem Betrag die Infrastrukturkosten des gesamten B.________-Konglomerats, der Werbekosten in Millionenhöhe und der Vertreterprovisionen und Löhne nicht enthalten seien. Die entgegengenommenen Anlagegelder seien daher zur Aufrechterhaltung eines "Schneeballsystems" verwendet worden. Darüber hinaus seien den Kunden Sicherheiten für das von den Anlegern einbezahlte Kapital vorgespiegelt worden, die effektiv gar nicht existiert hätten (angefochtenes Urteil S. 152 f.). Beherrschende Figur im ganzen Komplex sei der Hauptangeklagte A.________ gewesen. Er habe das B.________-Konglomerat aufgebaut und gelenkt und habe wohl als einziger den Überblick über das Gesellschaftsgeflecht sowie den Geldverkehr gehabt (angefochtenes Urteil S. 94).
|
1.2.2. In Bezug auf den Beschwerdeführer nimmt die Vorinstanz an, er habe als umtriebiger "Aussen- und Werbeminister" wesentlich dazu beigetragen, dass Anlagegelder in Millionenhöhe hätten eingenommen werden können. Er habe in Bezug auf die Seriosität und Legalität der Anlageprodukte im Rahmen des Ecuador-Projekts erhebliche Bedenken gehabt. Trotz dieser Bedenken habe er im deutschsprachigen Raum Hochglanzprospekte der B.________ Bank sowie der G.________ Banken und Investgesellschaften über die Vermittler an die Anleger verteilen lassen. In diesen seien in schillernden Farben "erfolgreiche Vermögensverwaltung auf höchstem Niveau" durch eine "unabhängige Privatbank mit weltweiten Aktivitäten" bzw. "Ihre persönliche Privatbank im Herzen Europas" angepriesen, die erfolgreiche Beteiligung an umfassenden Immobilienprojekten und die Erwartung eines überdurchschnittlichen jährlichen Gewinnzuwachses in Aussicht gestellt worden. Damit habe er einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass die Anleger getäuscht worden seien, zumal die Werbung für die B.________-Produkte die Basis für die ganze Arbeit der Vermittler gewesen sei. Die von ihm geführte D.________ Marketing AG habe für die B.________ Finanz AG die gesamte Vermarktung übernommen. Diese habe das Aufschalten der Inserate im Ausland, die die Verteilung der Werbeprospekte für die Anlageprodukte des B.________-Konglomerats wie auch die Schulung bzw. zumindest Information der Vermittler umfasst. Als Geldkurier habe der Beschwerdeführer ein- bis zweimal wöchentlich hohe Geldbeträge in bar von Deutschland in die Schweiz und von der Schweiz nach Deutschland transportiert. Nebenbei habe er auch selber Anlageprodukte vermittelt. Dabei habe er gewusst, dass mit dem Geld der Anleger bei den drei Banken keine oder bloss höchst undurchsichtige Investitionen hätten getätigt werden können, und dass in Ecuador überhaupt keine Fortschritte verzeichnet worden seien. Schliesslich sei ihm bewusst gewesen, dass er sein Honorar von diesen Geldern habe in Abzug bringen können, und dass diese auch für die Rück- und Zinszahlungen sowie für die Provisionen der Vermittler verwendet worden seien. Angesichts dieser Umstände habe sich der Beschwerdeführer ausrechnen können, dass vom eingegangenen Geld nicht mehr viel übrig geblieben sei für die angeblich hoch rentablen Investitionen.
|
2. |
2.1. Gemäss Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ist in der Begründung der Beschwerde in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (vgl. dazu Art. 95 ff. BGG). Dies setzt voraus, dass sich der Beschwerdeführer wenigstens kurz mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids auseinandersetzt (BGE 134 II 244 E. 2.1). Die massgeblichen Ausführungen müssen in der Beschwerdeschrift selber enthalten sein. Ein Verweis auf frühere Rechtsschriften oder auf die Verfahrensakten ist unzulässig (vgl. BGE 133 II 396 E. 3.1, mit Hinweisen).
|
2.2. Was der Beschwerdeführer gegen die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz vorbringt, erschöpft sich weitgehend in einer appellatorischen Kritik am angefochtenen Urteil, auf welche das Bundesgericht nicht eintritt. Der Beschwerdeführer hätte klar und substantiiert darlegen müssen, inwiefern die Feststellungen der Vorinstanz offensichtlich unhaltbar sind oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen, und dass die vorhandenen Beweise andere Schlussfolgerungen geradezu aufdrängen. Er kann sich nicht damit begnügen, den bestrittenen Feststellungen eigene tatsächliche Behauptungen gegenüberzustellen oder darzulegen, wie die Beweise seiner Ansicht nach zu würdigen gewesen wären. Der Beschwerdeführer beschränkt sich im Wesentlichen darauf, noch einmal alle Einwendungen vorzubringen, die er im kantonalen Verfahren erhoben hat. Es mag zutreffen, dass eine Würdigung der Beweise, wie sie der Beschwerdeführer als richtig ansieht, ebenso in Betracht gezogen werden könnte oder gar vorzuziehen wäre, doch genügt dies nicht, um Willkür zu bejahen. Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet, soweit sie überhaupt den Anforderungen an die Beschwerdebegründung genügt (BGE 138 I 49 E. 7.1 und 305 E. 4.3; 138 V 74 E. 7; 137 I 1 E. 2.4).
|
2.2.1. Dies gilt zunächst, soweit sich der Beschwerdeführer darauf beruft, er habe als Arbeitnehmer in einem Subordinationsverhältnis zum Hauptangeklagten A.________ gestanden und sei selber in die Irre geführt worden (Beschwerde S. 2/4). Die Vorinstanz führt in diesem Zusammenhang aus, es treffe wohl zu, dass der Beschwerdeführer dem Hauptangeklagten A.________ untergeordnet war, obwohl er mit der D.________ Marketing AG bzw. der G.________ Invest AG vordergründig eine eigene Aktiengesellschaft gehabt habe. Denn die D.________ Marketing AG sei aufgrund der Dienstleistungsvereinbarung mit der B.________ Finanz AG weisungsgebunden gewesen und habe für diese die Sekretariatsarbeiten erledigt (angefochtenes Urteil S. 115). Dabei handelt es sich allerdings nur um ein faktisches Subordinationsverhältnis, denn der Beschwerdeführer war nicht direkter Angestellter von A.________. Weiter nimmt die Vorinstanz an, der Beschwerdeführer habe offenbar das Vertrauen von A.________ genossen. Andernfalls hätte ihm dieser nicht mehrere wichtige und heikle Aufgaben, namentlich die Werbung für die B.________-Produkte und den Geldkurierdienst, übertragen. Auch wenn der Hauptangeklagte bei weittragenden Entscheidungen jeweils das letzte Wort gehabt haben sollte, hätten die beiden auf einigen Arbeitsgebieten eng zusammengearbeitet (angefochtenes Urteil S. 122). Er habe innerhalb des B.________-Konglomerats somit nicht eine bloss subalterne Rolle eingenommen (angefochtenes Urteil S. 123 E. 4.15.4). Dass der Beschwerdeführer von A.________ in einem eigentlichen Abhängigkeitsverhältnis gestanden hätte, stellt die Vorinstanz nicht fest und ist auch nicht ersichtlich. Vielmehr gelangt sie zum Schluss, es seien zwar alle ins B.________-Konglomerat Involvierten zumindest finanziell vom Hauptangeklagten abhängig und weisungsgebunden gewesen, doch habe dieser gewisse Personen bevorzugt behandelt und jenen Aufgaben übertragen, die nicht jedermann habe ausführen können. Zu jenen hat auch der Beschwerdeführer gehört (angefochtenes Urteil S. 124 E. 4.18.1). Mit diesen Erwägungen setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander. Seine Beschwerde genügt insofern den Begründungsanforderungen nicht.
|
2.2.2. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Feststellung der Vorinstanz wendet, er habe gewusst oder zumindest für möglich gehalten, dass ein grosser Teil des für die Banken und die G.________ Invest Gesellschaften entgegengenommenen Geldes für Zins- und Rückzahlungen verwendet worden sei, ist er nicht zu hören. Die Vorinstanz stellt fest, der Beschwerdeführer habe aufgrund seiner Kurierdienste, bei welchen er das von den Vermittlern eingenommene Bargeld zur B.________ Finanz AG transportiert und umgekehrt den Vermittlern bei der B.________ Finanz AG bezogenes Bargeld für Zins- und Rückzahlungen gebracht habe, merken müssen, dass das von den Vermittlern eingesammelte Geld zwecks Zins- und Rückzahlungen wieder an diese zurückgeflossen sei. Ausserdem habe er gewusst, dass die Vermittler ihre Provision von den Anlagegeldern in Abzug gebracht hätten (angefochtenes Urteil S. 121/122). Darüber hinaus habe er von den Konten der G.________ Invest AG, auf welche Anlagegelder für Ecuador einbezahlt worden seien, die monatliche Pauschale von DEM 43'000.-, abheben dürfen. Daraus ergebe sich sein Wissen darum, dass die Arbeit der D.________ Marketing AG bzw. der G.________ Invest AG direkt aus Anlagegeldern finanziert und dementsprechend der für Investitionen zur Verfügung stehende Teil der Anlagegelder reduziert worden sei (angefochtenes Urteil S. 123 E. 4.15.4). Auch mit diesen Erwägungen setzt sich der Beschwerdeführer nicht hinreichend auseinander. Er beschränkt sich vielmehr auf den Einwand, er habe keinerlei Überblick über das Geschäftsgebaren und die Finanzen gehabt. Er sei nicht Buchhalter der Firma gewesen, und ein bald vor der Pensionierung stehender Arbeitnehmer könne und müsse sich nicht ständig wie ein Hobby-Staatsanwalt "ausrechnen", ob irgendeine Handlung möglicherweise "dubios" sei (Beschwerde S. 3/4). Dies genügt für den Nachweis von Willkür nicht.
|
3. |
Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
|
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
|
3. Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
|
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt.
|
Lausanne, 5. September 2013
|
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
|
des Schweizerischen Bundesgerichts
|
Der Präsident: Mathys
|
Der Gerichtsschreiber: Boog
|