Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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{T 0/2}
8C_399/2013
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Urteil vom 17. September 2013
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Maillard,
Gerichtsschreiberin Durizzo.
Verfahrensbeteiligte
H.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Bischoff,
Beschwerdeführer,
gegen
IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 22. April 2013.
Sachverhalt:
A.
H.________, geboren 1961, war in einem befristeten Arbeitsverhältnis als Chauffeur bei der K.________ AG beschäftigt und für den Transport von Lebensmitteln zuständig, als er am 26. November 2005 beim Heruntersteigen von der Hebebühne auf Eis ausrutschte und sich dabei eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes am linken Knie zuzog. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), bei welcher H.________ für die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen sowie Berufskrankheiten versichert war, schloss den Fall am 7. Mai 2008 ab und stellte ihre Versicherungsleistungen per 19. März 2007 ein; ihr Einspracheentscheid wurde vom Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich am 6. Juli 2009 und mit Urteil des Bundesgerichts vom 1. April 2010 (8C_749/2009) bestätigt. Am 22. November 2006 meldete sich H.________ bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich sprach ihm am 16. September 2011 gestützt auf das Gutachten des Instituts X.________ vom 22. Februar 2011 mit Wirkung ab dem 1. November 2006 eine ganze, bis zum 31. Mai 2007 befristete, und für Juni 2007 eine halbe Invalidenrente (nebst vier Kinderrenten) zu.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 22. April 2013 ab.
C.
H.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei die Sache zu weiteren medizinischen Abklärungen zurückzuweisen, eventualiter sei ihm eine ganze Invalidenrente zuzusprechen. Des Weiteren ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG ). Es wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 134 I 65 E. 1.3 S. 67 f., 134 V 250 E. 1.2 S. 252, je mit Hinweisen). Unter Berücksichtigung der Begründungspflicht ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ) prüft es indessen nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind, und ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr aufgegriffen werden (BGE 134 I 313 E. 2 S. 315, 65 E. 1.3 S. 67 f., je mit Hinweisen).
2.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze zu den Begriffen der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) und der Invalidität (Art. 8 ATSG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG), insbesondere auch bei Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit (BGE 130 V 352 E. 2.2.1 S. 353; 127 V 294 E. 4c in fine S. 298), sowie zum Beweiswert von Arztberichten und medizinischen Gutachten (BGE 135 V 465 E. 4.3 S. 468 ff.; 125 V 351 E. 3 S. 352 ff.) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
3.
Nach eingehender und sorgfältiger Würdigung der medizinischen Akten stellte die Vorinstanz gestützt auf das Gutachten des Instituts X.________ fest, dass der Versicherte in einer den somatischen Beschwerden angepassten Tätigkeit trotz der übereinstimmend von den Gutachtern wie auch von den behandelnden Ärzten, namentlich der Psychiatrie Y.________ gestellten Diagnosen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (ICD-10 F45.4) sowie einer wahnhaften Störung (ICD-10 F22.0) zu 100% arbeitsfähig sei. Demgegenüber macht der Beschwerdeführer geltend, zufolge der wahnhaften Störung vollständig arbeitsunfähig zu sein.
4.
4.1. Den Ausführungen des psychiatrischen Gutachters ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer nach seinen Angaben Stimmen mit diffamierendem Charakter höre und sich bereits in der Jugend in seinem Heimatland Kosovo Kränkungen ausgesetzt gesehen habe. Nach gutachtlicher Auffassung entbehrten die Verleumdungen einer nachvollziehbaren objektiven Grundlage, tendiere der Beschwerdeführer jedoch zu einer wahnhaft-paranoiden Verarbeitung. Der Gutachter bestätigte deshalb die von den Ärzten der Psychiatrie Y.________ gestellte Diagnose einer wahnhaften Störung, erachtete die Arbeitsfähigkeit dadurch indessen als nicht eingeschränkt. Zur Begründung führte er an, dass der Beschwerdeführer eine Ausbildung habe abschliessen und über mehrere Jahre in der Schweiz habe tätig sein können. Den letzten Beruf als Lastwagenchauffeur habe er nicht zufolge psychischer Beschwerden aufgeben müssen. Erst im Jahr 2008 habe er einen Psychiater aufgesucht. Der Tagesablauf sei aufgrund seiner Schilderung des aktuellen Alltages nicht beeinträchtigt. Bei gravierender Ausprägung der wahnhaften Störung müsste es nach den gutachtlichen Ausführungen im Familienrahmen zu vermehrten Auseinandersetzungen kommen oder aber auch zu auffälligen Zusammenstössen mit Nachbarn und im sozialen Netz. Schliesslich habe der entsprechende Test ergeben, dass der Beschwerdeführer die ihm verschriebenen Psychopharmaka nicht einnehme. Gestützt darauf ging der psychiatrische Gutachter davon aus, dass der Beschwerdeführer im täglichen Leben kaum beeinträchtigt sei.
4.2. Beschwerdeweise wird dagegen vorgebracht, dass sich der Gutachter bei seiner Einschätzung massgeblich von den schönfärberischen Angaben des Versicherten zum beruflichen und familiären Umfeld habe leiten lassen, ohne diese zu überprüfen, was indessen angesichts der ihm von den behandelnden Ärzten attestierten vollständigen Arbeitsunfähigkeit unerlässlich gewesen sei. So sei der Beschwerdeführer in der Familie wegen seinen ständigen Wahnvorstellungen kaum zu ertragen.
4.3. Dass bei wahnhaften Störungen grundsätzlich fremdanamnestische Abklärungen im Sinne der vom Beschwerdeführer verlangten Befragung von Angehörigen angezeigt wären, findet insbesondere etwa in den Qualitätsleitlinien der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie SGPP für psychiatrische Gutachten in der Eidgenössischen Invalidenversicherung (2012) keine Stütze. Während beispielsweise der Verdacht auf neurokognitive Beeinträchtigungen als begründete Indikation erwähnt wird, um den Einsatz testpsychologischer Untersuchungen zu prüfen, finden sich keine ausdrücklichen Empfehlungen zur Einholung von Auskunft gebenden Drittpersonen (vgl. auch Urteil 6P.40/2001 vom 14. September 2001 E. 4d/bb; Urteil 8C_808/2012 vom 21. Dezember 2012 E. 3.3.3 zur Einholung von Auskünften der behandelnden Ärzte und Therapeuten). Auch besteht hier kein Anlass zum Vorwurf einer nur unzureichenden Aktenanalyse, welche gemäss den erwähnten Leitlinien nicht medizinische Dokumente einzuschliessen hat, und entsprechend ungenügender Berücksichtigung relevanter Hinweise zum Verhalten des Versicherten (vgl. dazu auch: Academy of Swiss Insurance Medicine Basel asim/Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften zhaw, Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie WIG, Medizinische Gutachtensituation in der Schweiz MGS, Studie zur Einschätzung der Marktsituation und zur Schaffung von Markttransparenz und Qualitätssicherung, Schlussbericht vom 6. Mai 2011, S. 49 [Beurteilung der Gutachtenqualität aus Sicht der Auftraggeber], S. 97 f. [Qualitative Beschreibung der Gutachtensmängel, die zur ungenügenden Bewertung geführt haben]). Dies gilt auch mit Blick auf das vom Beschwerdeführer genannte Interview mit Prof. Dr. med. Urbaniok im "Tagesanzeiger" vom 23. Mai 2013 und dessen Hinweis auf die erforderliche Sorgfalt bei der Begutachtung (abrufbar unter: www.tagesanzeiger.ch/wissen/medizin-und-psycho logie/Herausforderung-Gutachten/story/28941012).
4.4. Entscheidwesentlich ist, dass beschwerdeweise nicht näher konkretisiert wird, inwiefern die Angaben des Beschwerdeführers von seinem tatsächlichen Funktionieren in der Familie abweichen sollen und der begutachtende Psychiater daher von falschen Voraussetzungen ausgegangen wäre, mithin unter dem hier ausschlaggebenden Blickwinkel einer offensichtlich unrichtigen vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung Anlass zu einer diesbezüglichen Ergänzung bestünde. Der Stellungnahme der behandelnden Ärzte der Psychiatrie Y.________ vom 10. Oktober 2011 ist unter diesem Aspekt nichts Schlüssiges zu entnehmen. Es wird ein durch die Wahnvorstellungen bedingter "in manchen Themen fehlender Realitätsbezug" beschrieben, bestehend seit 1991, mit zunehmendem Lebensalter sich ausweitend, wodurch es erfahrungsgemäss zu Konflikten komme. Dies vermag zur Begründung einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit nicht zu genügen, bestehen hier doch nach Lage der Akten keine entsprechenden Anhaltspunkte. Dem Beschwerdeführer waren bis zur unfallbedingten Aufgabe seiner Erwerbstätigkeit im November 2005 durchwegs gute Zeugnisse ausgestellt worden; er wurde zwar als etwas eingeschränkt belastbar (namentlich im hektischen Strassenverkehr), im Benehmen aber als allseits freundlich, zuvorkommend und korrekt beschrieben. Gestützt auf die ärztlichen Stellungnahmen waren - bis zur Rentenverfügung vom 16. September 2011, welcher Zeitpunkt für die richterliche Überprüfung massgeblich ist (BGE 129 V 167 E. 1 S. 169) - nie psychiatrische Interventionen erforderlich wegen Konflikten innerhalb der Familie, mit Nachbarn oder Bekannten. Die Ärzte der Psychiatrie Y.________ mutmassen, dass es zu solchen Zusammenstössen nur deshalb nicht gekommen sei, weil der Beschwerdeführer (aktuell) kaum soziale Kontakte pflege. Die von den behandelnden Ärzten geäusserten Bedenken lassen sich indessen aufgrund der dargelegten Akten nicht untermauern. In Betracht fällt auch, dass PD Dr. med. J.________, Universitätsspital W.________, Psychiatrische Poliklinik, am 22. Januar 2010 auf das allgemeine, mit Blick auf eine allfällige schizophrene Erkrankung hohe Funktionsniveau hinwies (und deshalb eine entsprechende Diagnose ausschloss). Dass der Beschwerdeführer seit seiner Einreise in die Schweiz im Jahr 1993 - nach einem Aufenthalt als Saisonnier 1991 - nur sehr geringe, für seine sechsköpfige Familie kaum existenzsichernde Einkommen erzielt hat und aufgrund der Einträge im Individuellen Konto häufige Stellenwechsel und wiederholte Bezüge der Arbeitslosenversicherung ausgewiesen sind, ist zwar auffallend; das Unvermögen, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu bestehen, lässt jedoch keine konkreten Schlüsse hinsichtlich einer allfälligen Beeinträchtigung durch ein psychisches Leiden zu. Insgesamt lassen sich damit keine hinreichenden Indizien gegen die Zuverlässigkeit des psychiatrischen Gutachtens, namentlich in dem Sinne, dass der Experte die Schwere des Leidens und dessen Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers verkannt und falsch eingeschätzt hätte, begründen (BGE 137 V 210 E. 1.3.4 S. 227; 135 V 465 E. 4.4 S. 470; 125 V 351 E. 3b/bb S. 353). Dem Einwand, dass der Gutachter des Instituts X.________ gestützt auf fremdanamnestische Auskünfte zu anderen Schlüssen hätte gelangen und namentlich in Übereinstimmung mit den behandelnden Ärzten eine volle Arbeitsunfähigkeit hätte attestieren müssen, kann aus den genannten Gründen auch ohne diesbezügliche beweismässige Weiterungen nicht gefolgt werden.
5.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 65 Abs. 4 lit. a in Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 BGG). Die unentgeltliche Rechtspflege (im Sinne der vorläufigen Befreiung von den Gerichtskosten und der unentgeltlichen anwaltlichen Verbeiständung Art. 64 Abs. 1 und Abs. 2 BGG) kann gewährt werden, weil die Bedürftigkeit ausgewiesen ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die Vertretung durch einen Rechtsanwalt geboten war. Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Rechtsanwalt Markus Bischoff wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.
4.
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2800.- ausgerichtet.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 17. September 2013
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Leuzinger
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo