Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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{T 0/2}
1C_284/2013
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Urteil vom 3. Oktober 2013
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Eusebio,
Gerichtsschreiberin Gerber.
Verfahrensbeteiligte
Helvetia Nostra,
Beschwerdeführerin,
gegen
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Werner Rechsteiner,
Beschwerdegegnerin,
Gemeinde Filisur, 7477 Filisur.
Gegenstand
Baueinsprache,
Beschwerde gegen das Urteil vom 19. Februar 2013 des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 5. Kammer.
Sachverhalt:
A.
Am 6. August 2012 beantragte X.________ die Erteilung einer Baubewilligung für den Neubau eines Mehrfamilienhauses auf Parzelle 512, Quartier Zinols, in Filisur. Dagegen erhob die als Verein konstituierte Helvetia Nostra Einsprache. Mit Entscheid vom 27. Dezember 2012 trat die Baubehörde auf die Einsprache mangels Legitimation nicht ein und erteilte die Baubewilligung.
B.
Dagegen erhob die Helvetia Nostra am 28. Januar 2013 Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden. Dieses wies die Beschwerde am 19. Februar 2013 ab. Es teilte die Auffassung der Gemeinde, dass die Helvetia Nostra nicht zur Einsprache legitimiert sei. Im Übrigen ging es davon aus, dass Art. 75b BV und seine Übergangsbestimmungen (Art. 197 Ziff. 9 BV) intertemporalrechtlich noch nicht anwendbar seien. Daraus ergebe sich, dass auch in Gemeinden wie Filisur, in denen die kritische Grenze von 20 % Zweitwohnungen überschritten sei, im Jahr 2012 noch Baubewilligungen für Zweitwohnungen nach bisherigem Recht erteilt werden könnten.
C.
Gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid hat die Helvetia Nostra am 18. März 2013 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben. Sie beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen. Eventualiter sei der angefochtene Entscheid in dem Sinne zu ändern, dass die dem Projekt von X.________ in Filisur erteilte Baubewilligung aufgehoben werde.
D.
Das Verfahren wurde bis zum Vorliegen eines Grundsatzentscheids des Bundesgerichts zur Frage der Beschwerdebefugnis der Helvetia Nostra und der Anwendbarkeit von Art. 75b BV und Art. 197 Ziff. 9 BV zurückgestellt. Am 22. Mai 2013 fällte das Bundesgericht die ersten Leitentscheide: Es bejahte die Beschwerdebefugnis der Helvetia Nostra (BGE 139 II 271) sowie die direkte Anwendbarkeit von Art. 75b BV und Art. 197 Ziff. 9 BV ab dem 11. März 2012 (BGE 139 II 243 und 263).
E.
Mit Verfügung vom 3. Juli 2013 wurde dem Beschwerdegegner, der Gemeinde Filisur und dem Verwaltungsgericht Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.
Die Beschwerdegegnerin schliesst sich dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Rückweisung an die Vorinstanz zur materiellen Entscheidung an. Sie weist darauf hin, dass sie nicht auf das Bauvorhaben verzichten wolle, sondern beabsichtige, das geplante Mehrfamilienhaus als Erstwohnungen oder bewirtschaftete Zweitwohnungen zu realisieren. Sie sei bereit, eine entsprechende Auflage in der Baubewilligung zu akzeptieren und werde im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, nach Rückweisung, entsprechende Anträge stellen.
Die Gemeinde Filisur und das Verwaltungsgericht haben auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Erwägungen:
1.
Die Plafonierung des Zweitwohnungsbaus gemäss Art. 75b BV stellt eine Bundesaufgabe dar, die der Schonung der Natur und des heimatlichen Landschaftsbildes dient. Die nach Art. 12 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1966 über den Natur- und Heimatschutz (NHG; SR 451) beschwerdebefugten Organisationen im Bereich des Natur- und Heimatschutzes - zu denen auch die Helvetia Nostra gehört - können daher Baubewilligungen wegen Verletzung von Art. 75b BV und seiner Übergangs- und Ausführungsbestimmungen anfechten (BGE 139 II 271 E. 11 S. 276 ff.). Das Verwaltungsgericht Graubünden hat somit die Einsprache- und Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführerin zu Unrecht verneint.
2.
Das Verwaltungsgericht ging überdies davon aus, dass die neuen Verfassungsbestimmungen nicht anwendbar seien auf Baubewilligungen, die zwischen dem 11. März 2012 und dem 31. Dezember 2012 erstinstanzlich erteilt wurden (Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV e contrario).
Das Bundesgericht hat in BGE 139 II 243 (E. 9-11 S. 249 ff.) entschieden, dass Art. 75b Abs. 1 BV seit seinem Inkrafttreten am 11. März 2012 anwendbar ist. Zwar bedarf diese Bestimmung in weiten Teilen der Ausführung durch ein Bundesgesetz. Unmittelbar anwendbar ist sie jedoch insoweit, als sie (in Verbindung mit Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV) ein Baubewilligungsverbot für Zweitwohnungen in allen Gemeinden anordnet, in denen der 20 %-Zweitwohnungsanteil bereits erreicht oder überschritten ist. Dies hat zur Folge, dass Baubewilligungen für Zweitwohnungen, die zwischen dem 11. März 2012 und dem 31. Dezember 2012 in den betroffenen Gemeinden erteilt wurden, auf Beschwerde aufzuheben sind.
3.
Nach dem Gesagten steht fest, dass der angefochtene Entscheid aufzuheben ist. Fraglich ist, ob die Sache an das Verwaltungsgericht oder - unter Mitaufhebung des Einspracheentscheids und der Baubewilligung - an die erste Instanz, d.h. an die Gemeinde Filisur, zurückzuweisen ist.
3.1. Für letztere Lösung spricht der Umstand, dass die Gemeinde zu Unrecht auf die Einsprache der Helvetia Nostra nicht eingetreten ist, sich also noch nicht mit deren Einwänden befasst hat.
Hinzu kommt, dass das Bauvorhaben in der ursprünglichen Form gegen Art. 75b BV verstösst und nicht bewilligt werden kann. Die Beschwerdegegnerin und die Gemeinde Filisur haben nie bestritten, dass es sich um ein Zweitwohnungsvorhaben handelte und dass in der Gemeinde Filisur bereits mehr als 20 % Zweitwohnungen bestehen.
Zwar möchte die Beschwerdegegnerin das geplante Mehrfamilienhaus nunmehr mit Erstwohnungen oder bewirtschafteten Zweitwohnungen realisieren. Dies setzt jedoch Modifikationen des Baugesuchs voraus, zu denen der Helvetia Nostra im Einspracheverfahren das rechtliche Gehör gewährt werden muss.
3.2. Unter diesen Umständen erscheint es sinnvoll, in Gutheissung des Eventualantrags der Beschwerdeführerin sowohl den Bau- und Einspracheentscheid als auch die Baubewilligung aufzuheben und die Sache an die Gemeinde zurückzuweisen.
Will die Beschwerdegegnerin an ihrem Bauvorhaben festhalten, muss sie das Baugesuch mit den nötigen Angaben ergänzen. Verzichtet sie dagegen auf das Baugesuch, kann die Gemeinde Filisur einen Abschreibungsbeschluss erlassen und darin auch ihre Kosten neu verlegen.
4.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens obsiegt die Beschwerdeführerin. Die Beschwerdegegnerin wird daher kostenpflichtig, und zwar sowohl für das bundesgerichtliche Verfahren (Art. 66 BGG), als auch für das Verfahren vor Verwaltungsgericht (Art. 67BGG).
Zwar hat sie weder vor Verwaltungsgericht noch vor Bundesgericht die Abweisung der Beschwerde beantragt. Sie hat jedoch durch die Einreichung des Baugesuchs das Verfahren veranlasst und ist deshalb im vorliegenden Verfahren notwendigerweise Gegenpartei bzw. Beschwerdegegnerin; als solche trägt sie grundsätzlich das Prozess- und Kostenrisiko (BGE 123 V 156 E. 3c S. 158). Im Übrigen hatte sie im Einspracheverfahren auf Nichteintreten, eventualiter Abweisung der Einsprache geschlossen.
Da die Beschwerdeführerin weder vor Verwaltungsgericht noch vor Bundesgericht anwaltlich vertreten war, hat sie praxisgemäss keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 5. Kammer, vom 19. Februar 2013, der Einspracheentscheid der Gemeinde Filisur vom 27. Dezember 2012 und die dazugehörige Baubewilligung werden aufgehoben. Die Sache wird im Sinne der Erwägungen an die Gemeinde Filisur zurückgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- für das bundesgerichtliche Verfahren und Fr. 1'033.-- für das verwaltungsgerichtliche Verfahren werden der Beschwerdegegnerin (X.________) auferlegt.
3.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Gemeinde Filisur und dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 5. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 3. Oktober 2013
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Fonjallaz
Die Gerichtsschreiberin: Gerber