BGer 5A_888/2012
 
BGer 5A_888/2012 vom 31.10.2013
{T 0/2}
5A_888/2012
 
Urteil vom 31. Oktober 2013
 
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichterinnen Escher, Hohl,
Bundesrichter Marazzi, Herrmann,
Gerichtsschreiber Möckli.
 
Verfahrensbeteiligte
Bank X.________,
vertreten durch Fürsprecher Andreas Feuz-Ramseyer,
Beschwerdeführerin,
gegen
Y.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Reto Ineichen,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Provisorische Rechtsöffnung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern, 2. Abteilung, vom 10. Oktober 2012.
 
Sachverhalt:
A. Mit drei als Sicherungsübereignung bezeichneten Verträgen vom 19. März 2008 übertrug die A.________ AG (welche damals noch B.________ AG hiess und nachfolgend Schuldnerin genannt wird) der Bank X.________ je einen Inhaberschuldbrief über Fr. 230'000.-- im 1. Rang auf den Grundstücken C.________-GBB-8870 bzw. -8871 sowie -8872.
B. Zur Beseitigung des Rechtsvorschlages stellte die Bank gegen Y.________ für Fr. 931'500.-- nebst Zins zu 10 % seit 1. Februar 2012 ein Rechtsöffnungsgesuch. Mit Entscheid vom 8. Juni 2012 erteilte das Bezirksgericht Willisau lediglich für Fr. 397'125.-- nebst Zins zu 5 % seit 1. Februar 2012 sowie für das betreffende Grundpfandrecht die provisorische Rechtsöffnung.
C. Gegen diesen Entscheid hat die Bank am 29. November 2012 eine Beschwerde erhoben mit dem Begehren um dessen Aufhebung und Rückweisung der Sache an das Obergericht. Dieses verlangte mit Vernehmlassung vom 10. Januar 2013 die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Der Drittpfandgeber schloss mit Vernehmlassung vom 16. Januar 2013 auf Abweisung der Beschwerde.
 
Erwägungen:
1. Gegen kantonal letztinstanzliche Rechtsöffnungsentscheide steht die Beschwerde in Zivilsachen offen, soweit der Streitwert von Fr. 30'000.-- erreicht ist (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 1 lit. b, Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Rechtsöffnungsentscheide stellen im Übrigen keine vorsorglichen Massnahmen im Sinn von Art. 98 BGG, sondern materielle Entscheide dar (BGE 133 III 399 E. 1.5 S. 400), weshalb alle Rügen im Sinn von Art. 95 BGG zulässig und frei überprüfbar sind (Art. 106 Abs. 1 BGG).
2. Das Bezirksgericht ging davon aus, dass die Papier-Schuldbriefe als öffentliche Urkunden einen provisorischen Rechtsöffnungstitel für das Pfandrecht darstellten und die Schuldnerin in den gegengezeichneten Sicherungsvereinbarungen die persönliche Schuldpflicht für die Grundpfandforderungen anerkannt habe; im Sinne einer zusammengesetzten Urkunde liege somit ein Rechtsöffnungstitel sowohl für die Forderung als auch für das Pfandrecht vor.
3. Bei Drittpfandverhältnissen richtet sich die Betreibung gegen den Schuldner, wobei dem Drittpfandgeber ebenfalls ein Zahlungsbefehl zuzustellen ist (Art. 153 Abs. 2 lit. a SchKG) und dieser wie der Schuldner Rechtsvorschlag erheben kann (Art. 153 Abs. 2 SchKG). Der Rechtsvorschlag des Drittpfandgebers hat die gleichen Wirkungen wie derjenige des Schuldners (vgl. BERNHEIM/KÄNZIG, in: Basler Kommentar, N. 4 und 7 zu Art. 153a SchKG). Insbesondere gilt die Vermutung, wonach der nicht weiter begründete Rechtsvorschlag sich auf die Forderung wie das Pfandrecht bezieht (Art. 85 VZG), auch für den Drittpfandgeber. Sämtliche Rechtsvorschläge sind mit Rechtsöffnung oder Klage zu beseitigen; das bedeutet, dass sowohl gegen den Schuldner als auch gegen den Drittpfandgeber ein Verfahren anzustrengen ist, wenn beide Rechtsvorschlag erhoben haben ( STAEHELIN, in: Basler Kommentar, N. 171 zu Art. 82 SchKG).
4. Beim Schuldbrief bilden die Grundpfandforderung und das Grundpfandrecht eine strikte Einheit; sie werden durch den Grundbucheintrag in identischem Betrag erzeugt und sind fortan untrennbar verbunden; keines der beiden Elemente kann ohne das andere oder in ungleicher Höhe bestehen, d.h. sie bilden eine notwendige Schicksalsgemeinschaft (BGE 134 III 71 E. 3 S. 75). Soweit es sich nicht um einen Register-Schuldbrief, sondern - wie vorliegend - um einen Papier-Schuldbrief handelt, werden die Grundpfandforderung und das Grundpfandrecht zusätzlich in einem Pfandtitel verbrieft (Art. 860 Abs. 1 ZGB), wobei dieser Titel als Wertpapier ausgestaltet ist und eine "fliegende Kopie des Pfandaktes" ( HUBER, Schweizerisches Civilgesetzbuch, Erläuterungen zum Vorentwurf des Eidg. Justiz- und Polizeidepartementes, Bern 1902, S. 629) bzw. eine "Reproduktion des Grundbucheintrages" ( HUBER, a.a.O., S. 729) darstellt.
5. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass sowohl für die drei Grundpfandforderungen als auch für die akzessorischen Grundpfandrechte Rechtsöffnungstitel vorliegen und der angefochtene Entscheid insofern aufzuheben ist. Das Bundesgericht kann indes kein Urteil in der Sache selbst fällen, weil der Drittpfandgeber den im obergerichtlichen Verfahren auf noch Fr. 742'273.-- bezifferten Forderungen in demjenigen Umfang, in welchem er das Rechtsöffnungsbegehren nicht anerkannt hatte, materielle Einreden entgegensetzte (Art. 844 Abs. 2 ZGB), welche das Obergericht bis anhin nicht geprüft hat. Die Bank hat denn vor Bundesgericht richtigerweise auch nur die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Rückweisung der Sache zur neuen Entscheidung beantragt.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. In Gutheissung der Beschwerde wird der Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern vom 10. Oktober 2012 aufgehoben und die Sache zur weiteren Behandlung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 7'000.-- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.
3. Der Beschwerdegegner hat die Beschwerdeführerin mit Fr. 9'000.-- zu entschädigen.
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, 2. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 31. Oktober 2013
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: von Werdt
Der Gerichtsschreiber: Möckli