BGer 1C_463/2013
 
BGer 1C_463/2013 vom 14.11.2013
{T 0/2}
1C_463/2013
 
Urteil vom 14. November 2013
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Chaix,
Gerichtsschreiber Störi.
 
Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Y.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Anton Hidber,
Politische Gemeinde Flums,
Marktstrasse 25, 8890 Flums,
Baudepartement des Kantons St. Gallen, Lämmlisbrunnenstrasse 54, 9001 St. Gallen.
Gegenstand
Teilstrassenplan Obere Muttenstrasse (Um- und Neuklassierung),
Beschwerde gegen das Urteil vom 4. April 2013 des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
B.
 
C.
 
Erwägungen:
 
1.
2. 
2.1. Nach Art. 7 Abs. 2 des Strassengesetzes des Kantons St. Gallen vom 12. Juni 1988 (StrG) werden Wege und Strassen in je drei Klassen eingeteilt. Gemeindestrassen erster und zweiter Klasse dienen dem örtlichen und dem überörtlichen Verkehr bzw. der Groberschliessung des Baugebiets und grösserer Siedlungsgebiete ausserhalb des Baugebiets; sie stehen in der Regel dem allgemeinen Motorfahrzeugverkehr offen (Art. 8 Abs. 1 und 2 StrG). Gemeindestrassen dritter Klasse dienen der übrigen Erschliessung sowie der Land- und Forstwirtschaft und stehen dem allgemeinen Motorfahrzeugverkehr nicht offen (Art. 8 Abs. 3 StrG). Wege liegen nach Art. 2 Abs. 2 StrG "abseits von öffentlichen Strassen und dienen nicht dem Motorfahrzeugverkehr", wobei nach der Praxis des Verwaltungsgerichts "rein privatrechtlich begründeter Motorfahrzeugverkehr" - z.B. das Befahren einer als öffentlicher Weg klassierten Hofzufahrt durch den Landwirt - zulässig ist (angefochtener Entscheid E. 3.1 S. 6 f.). Wege erster und zweiter Klasse werden - im Gegensatz zu Wegen dritter Klasse - unterhalten (Art. 9 Abs. 1 StrG), wobei sich der Unterhalt von Wegen zweiter Klasse nach den Vorschriften über die Gemeindestrassen dritter Klasse richtet. Danach tragen in der Regel die Grundeigentümer die Kosten für den Bau und Unterhalt, soweit keine Beiträge zur Verfügung stehen (Art. 73 Abs. 1 StrG). Die Gemeinde leistet Beiträge an die Unterhaltskosten nach der Bedeutung der Strasse, der Belastung der Unterhaltspflichtigen und dem öffentlichen Interesse (Art. 73 Abs. 2 StrG). Bau- und Unterhaltskosten, die den Grundeigentümern durch den Gemeingebrauch verursacht werden, sind von der Gemeinde abzugelten (Art. 74 StrG).
2.2. Der Beschwerdeführer erlitt durch die Festlegung eines öffentlichen Fussweges über seine Grundstücke eine öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung (Urteil 1P.209/2000 vom 28. Juni 2000 E. 2b/bb). Dieser Grundrechtseingriff wird durch die hier umstrittene Aufklassierung des Jauerwegs und die Neuklassierung des Abzweigers zur Parzelle des Beschwerdegegners in eine Gemeindestrasse 3. Klasse verstärkt, indem der Beschwerdeführer nunmehr auch das Befahren dieses Weges mit Motorfahrzeugen für die Bewirtschaftung der Nachbarparzelle dulden müsste. Eine solche Grundrechtsbeschränkung ist nur zulässig, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist (Art. 36 BV). Unbestritten ist, dass das Strassengesetz eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die umstrittene Um- und Neuklassierung darstellt. Hingegen stellt der Beschwerdeführer das öffentliche Interesse am Eingriff und dessen Verhältnismässigkeit in Frage.
3. 
3.1. Für die Gemeinde und die kantonalen Instanzen liegt das öffentliche Interesse am umstrittenen Teilstrassenplan in der rechtlichen Sicherstellung der Erschliessung der Parzelle Nr. 1675 für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung. Der Beschwerdeführer hält dem entgegen, die kantonalen Instanzen hätten gar nicht geprüft, ob die Parzelle Nr. 1675 für Motorfahrzeuge erschlossen sein müsse. Das Gebäude werde nicht mehr genutzt, und für die Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Nutzfläche und des Waldes genügten offensichtlich die bestehenden Dienstbarkeiten. Das Verwaltungsgericht halte selber fest, dass Angaben zur künftigen Nutzung der Parzelle Nr. 1675 fehlten: ohne umfassende Prüfung könne aber nicht davon ausgegangen werden, dass die Erschliessung geändert werden müsse. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die aktuelle Klassierung des Jauerwegs als Gemeindeweg 2. Klasse unrichtig sei. Er werde nur durch ihn rechtmässig befahren; dessen Benützung durch landwirtschaftliche Fahrzeuge allein könne nicht ausschlaggebend sein, müssten doch sonst zahlreiche Wege umklassiert werden. Ohnehin unverständlich sei zudem, dass der ganze Jauerweg umklassiert werde, auch das Teilstück zwischen dem Abzweiger zur Parzelle Nr. 1675 und der Grenze zur Parzelle Nr. 1699, das nicht als Zufahrt zur Parzelle Nr. 1675 diene. Die umstrittene Um- und Neuklassierung diene daher allein den nicht belegten Bedürfnisses des Grundstücks Nr. 1675 und gehe allein zu Lasten seines Grundstücks Nr. 2629, was nicht im öffentlichen Interesse sei.
3.2. Die Erschliessung von Landwirtschaftsland für landwirtschaftliche Fahrzeuge, die dessen zweckmässige Bewirtschaftung erst ermöglicht, liegt nicht nur im privaten Interesse des Grundeigentümers, sondern auch im öffentlichen Interesse (vgl. Art. 16 Abs. 1 RPG). Der Einwand des Beschwerdeführers, der umstrittene Teilstrassenplan liege ausschliesslich im Privatinteresse des Beschwerdegegners, weshalb sich dieser im Falle einer Wegnot mit den Mitteln des ZGB einen Notweg erstreiten müsste, trifft daher nicht zu. Das öffentliche Interesse an der Erschliessung von Landwirtschaftsland ist zudem erheblich und vermag das entgegenstehende Interesse des Beschwerdeführers, über den Jauerweg auf seinem Privatgrund allein zu verfügen und die Mitbenützung durch den Beschwerdegegner bzw. dessen Pächter zu verhindern, zu überwiegen. Damit ist im Grundsatz nicht zu beanstanden, dass der Gemeinderat die Erschliessung der Parzelle Nr. 1675 mit dem umstrittenen Teilstrassenplan sicherstellen wollte.
3.3. Unter dem Titel der Verhältnismässigkeit ist zu prüfen, ob die im umstrittenen Teilstrassenplan getroffene konkrete Lösung geeignet und erforderlich ist, die Parzelle Nr. 1675 zu erschliessen, und ob sie den Eingriff ins Eigentum des Beschwerdeführers zu rechtfertigen vermag bzw. diesem zumutbar ist (BGE 139 I 180 E. 2.6.1; 134 I 140 E. 6.2 S. 151; 133 I 77 E. 4.1 S. 81, 132 I 49 E. 7.2 S. 62).
3.3.1. Die Umklassierung des Jauerwegs bzw. die Neuklassierung des zum Grundstück Nr. 1675 führenden Abzweigers in eine Gemeindestrasse 3. Klasse, was den Beschwerdegegner berechtigt, den Jauerweg zur Bewirtschaftung der Parzelle Nr. 1675 und der angrenzenden Waldparzellen mit Motorfahrzeugen zu befahren, stellt offensichtlich eine geeignete Erschliessung dieser Grundstücke dar. Dass diese Zufahrt nicht wintersicher ist, vermag daran nichts zu ändern, da die landwirtschaftliche Nutzung eine ganzjährige Erschliessung nicht zwingend erfordert. Der Beschwerdeführer räumt im Übrigen ein, dass er früher, als er die Parzelle Nr. 1675 selber bewirtschaftete, auf diesem Weg auf das Grundstück zugefahren ist, und dass auch der Beschwerdegegner bzw. sein Pächter - offenbar bis vor Kurzem mit Duldung des Beschwerdeführers - auf diesem Weg mit ihren landwirtschaftlichen Fahrzeugen auf die Parzelle gelangten.
3.3.2. Der Beschwerdeführer bringt vor, es sei nicht festgestellt worden, wie die Parzelle Nr. 1675 künftig bewirtschaftet werden solle, weshalb gar nicht feststehe, für welche Bedürfnisse sie erschlossen werden müsse. Es trifft zwar zu, dass keine entsprechenden Abklärungen getroffen wurden; das ist indessen unerheblich. Die Parzelle Nr. 1675 besteht im Wesentlichen aus Wiesland, das nur landwirtschaftlich - d.h. durch mähen und/oder abweiden - genutzt werden kann bzw. darf; dafür ist eine Zufahrt für landwirtschaftliche Fahrzeuge in jedem Fall erforderlich.
3.3.3. Die Parzelle Nr. 2629 ist durch die geltende Klassierung des Jauerwegs als Fussweg 2. Klasse bereits heute mit einer öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkung belastet; es steht dem Beschwerdeführer insbesondere nicht frei, den bestehenden Weg zu verlegen, ihn aufzuheben oder für die Öffentlichkeit zu sperren. Mit der Um- und Neuklassierung muss er zusätzlich dulden, dass ihn der Beschwerdegegner für die Bewirtschaftung der Parzelle Nr. 1675 mit Motorfahrzeugen befahren darf. Im Gegenzug wird sich dieser allerdings nach den Art. 77 ff. des Strassengesetzes vom 12. Juni 1988 im Rahmen seines Sondervorteils an den Bau- und Unterhaltskosten des Jauerwegs zu beteiligen haben. Das Verwaltungsgericht hat zudem explizit festgehalten, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Um- und Neuklassierung eine intensivere, einen Ausbau erforderlich machende Nutzung des Wegs (bzw. neu der Strasse) zur Folge haben könnte (angefochtener Entscheid E. 4.2 S. 10 unten). Dies entspricht auch dem Ergebnis des Augenscheins des Baudepartements vom 28. Juni 2011, an welchem die Vertreterin des Amts für Raumentwicklung und Geoinformation festgehalten hat, bauliche Veränderungen oder ein Wendeplatz seien nicht vorgesehen, und der Beschwerdegegner bestätigt hat, dass für ihn die bestehende Wegbreite von minimal 2 m ausreiche. Der Beschwerdeführer muss damit auf absehbare Zeit nicht befürchten, dass der Jauerweg gegen seinen Willen und (teilweise) auf seine Kosten ausgebaut werden wird. Insgesamt wiegt die mit der umstrittenen Um- und Neuklassierung verbundene Erschwerung der vorbestehenden öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkung nicht besonders schwer und ist dem Beschwerdeführer zumutbar. Dass die Gemeinde dabei den Jauerweg auf der Parzelle Nr. 2629 über seine gesamte Länge umklassierte und damit auch das rund 60 m lange Teilstück vom Abzweiger zur Parzelle Nr. 1675 bis zur Grenze der Parzelle Nr. 1699, das für die Bewirtschaftung der Parzelle Nr. 1975 nicht gebraucht wird, erscheint sachgerecht und liegt jedenfalls im pflichtgemässen Ermessen der Gemeinde. Auf diese Weise ist die Erschliessung der Parzelle Nr. 1699 auch für den Fall sichergestellt, dass die Parzellen Nr. 1699 und 2626 in Zukunft verschiedene Eigentümer erhalten sollten. Dass der Beschwerdeführer beabsichtigt, die Parzelle Nr. 1699 in Zukunft anderweitig zu erschliessen, vermag daran schon deswegen nichts zu ändern, weil nicht feststeht, dass er diese Absicht auch realisieren kann. Der Erlass des Teilstrassenplans trifft den Beschwerdeführer damit nicht unverhältnismässig, die Rüge ist unbegründet.
 
4.
 
5.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3. Der Beschwerdeführer hat dem Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- zu bezahlen.
4. Dieses Urteil wird den Parteien, der Politischen Gemeinde Flums, dem Baudepartement des Kantons St. Gallen und dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 14. November 2013
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Fonjallaz
Der Gerichtsschreiber: Störi