BGer 6B_657/2013 |
BGer 6B_657/2013 vom 22.11.2013 |
{T 0/2}
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6B_657/2013
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Urteil vom 22. November 2013 |
Strafrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter Mathys, Präsident,
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Bundesrichter Schneider, Oberholzer,
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Gerichtsschreiberin Pasquini.
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Verfahrensbeteiligte |
X.________,
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vertreten durch Rechtsanwältin Melanie Schürch,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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1. Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, 3011 Bern,
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2. A.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Peter Kaufmann,
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Beschwerdegegner.
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Gegenstand
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Schwere Körperverletzung; Willkür,
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Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, Strafabteilung, 1. Strafkammer, vom 14. Februar 2013.
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Sachverhalt: |
A. Das Jugendgericht des Kantons Bern verurteilte X.________ wegen versuchter schwerer Körperverletzung zum Nachteil von A.________ und B.________ zu einem bedingten Freiheitsentzug von sechs Monaten, bei einer Probezeit von zwei Jahren. Es ordnete für ihn eine persönliche Betreuung an und erteilte ihm die Weisung, ein Anti-Aggressionstraining zu absolvieren. Vom Vorwurf des Angriffs zum Nachteil von A.________ und B.________ sprach es ihn frei. Gegen diesen Entscheid erhoben die Jugendanwaltschaft, X.________ und A.________ Berufung.
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B. Das Obergericht des Kantons Bern sprach X.________ der schweren Körperverletzung zum Nachteil von A.________ und der versuchten schweren Körperverletzung zum Nachteil von B.________ schuldig. Es verurteilte ihn zu einem bedingten Freiheitsentzug von zwölf Monaten, bei einer Probezeit von zwei Jahren.
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C. X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, die Dispositiv-Ziffern II. 1 (schwere Körperverletzung zum Nachteil von A.________) und III. 1 (Strafpunkt) des Urteils des Obergerichts seien aufzuheben. Er sei der versuchten schweren Körperverletzung zum Nachteil von A.________ schuldig zu erklären und zu einem bedingten Freiheitsentzug von sechs Monaten zu verurteilen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege.
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Erwägungen: |
1. Die Beschwerde ist zu begründen (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Die Begründung hat in der Beschwerdeschrift selbst zu erfolgen. Soweit der Beschwerdeführer auf die Erwägungen im erstinstanzlichen Entscheid oder im Urteil im Verfahren seiner Mittäter verweist oder diese teilweise zwar wiedergibt, sich aber nicht mit den Ausführungen der Vorinstanz auseinandersetzt (Beschwerde S. 4 f. Ziff. 3-5 und S. 7 Ziff. 9), ist darauf nicht einzutreten (BGE 138 IV 47 E. 2.8.1; 134 II 244 E. 2.1; 133 II 396 E. 3.1 S. 400; je mit Hinweisen).
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2.
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2.1. Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung und die Verletzung der Unschuldsvermutung vor (Art. 10 Abs. 3 StPO). Bei objektiver Würdigung verblieben erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel an der Kausalität zwischen der tätlichen Auseinandersetzung und der Karotisdissektion. Die Dissektion könne rechtsmedizinisch nicht in einen eindeutigen Zusammenhang mit der Schlägerei gebracht werden, da sich weder eine direkte Einwirkung auf den Hals noch eine Überstreckung des Halses des Opfers nachweisen lasse. Eine stumpfe Gewalt gegen den Kopf vermöge keine Dissektion auszulösen. Indes könne z.B. der Konsum von Kokain den Blutdruck deutlich ansteigen lassen und damit eine Dissektion begünstigen. Indem die Vorinstanz eine spontane Gefässwandverletzung ausschliesse und ein kleines Trauma oder einen Sturz ausserhalb der tätlichen Auseinandersetzung als wenig wahrscheinlich erachte, gehe sie von dem für ihn ungünstigeren Sachverhalt aus. Dies obschon kaum aktenkundig sei, was das stark alkoholisierte und unter Drogeneinfluss stehende Opfer in der Zeit vor und nach der Auseinandersetzung - bis zur Spitaleinlieferung seien es immerhin 14 Stunden gewesen - gemacht habe. Zudem habe die Vorinstanz die Auswirkungen des Betäubungsmittel- und Alkoholkonsums sowie der Drogenvorgeschichte des Opfers nicht genügend abgeklärt. Deshalb hätte sie erst recht nicht von einer äusserst geringen Wahrscheinlichkeit dieser Ursachen ausgehen dürfen (Beschwerde, S. 6 f. Ziff. 6-8).
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2.2. Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 137 III 226 E. 4.2 S. 234 mit Hinweisen). Inwiefern das Sachgericht den Grundsatz "in dubio pro reo" als Beweiswürdigungsregel verletzt hat, prüft das Bundesgericht ebenfalls unter dem Aspekt der Willkür. Diese aus der Unschuldsvermutung abgeleitete Maxime wurde wiederholt dargelegt, worauf zu verweisen ist (BGE 127 I 38 E. 2a S. 41 mit Hinweisen).
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2.3. Die Vorinstanz hält fest, zur Frage, ob die Schläge und Tritte namentlich gegen den Kopf- und Halsbereich des Opfers kausal für die Karotisdissektion und den dadurch verursachten Hirninfarkt waren, sei ein Gutachten beim Institut für Rechtsmedizin Bern (IRM) eingeholt worden. Gemäss diesem Gutachten könnten Dissektionen der Halsschlagader sowohl spontan (aus natürlicher innerer Ursache) als auch traumatisch (aufgrund einer Einwirkung) entstehen. Als traumatischer Entstehungsmechanismus würden starke Streckungen und schnelle Seitwärts- sowie Drehbewegungen des Halses, aber auch direkte Traumen gegen den Hals wie Schläge gegen oder ein Sturz auf den Hals diskutiert. Aus rechtsmedizinischer Sicht lägen vorliegend keine Befunde vor, die auf eine direkte Gewalt gegen den Hals als Ursache für die Dissektion hinweisen würden. Eine Dissektion wegen einer Überstreckung und schnellen Seitwärts- sowie Drehbewegungen des Halses im Rahmen einer Auseinandersetzung mit Schlägen gegen den Hals sei denkbar, lasse sich morphologisch aber nicht beweisen (Urteil S. 33 f. E. 4). Die Vorinstanz stellt fest, Prof. Dr. med. E.________, sei als Sachverständiger im Verfahren der Mittäter des Beschwerdeführers bei der Gefässverletzung des Opfers klar von einer traumatischen Ursache ausgegangen, weil eine spontane Dissektion sehr selten sei, mehrheitlich erst bei über 50 Jahre alten Personen auftrete und zudem in der Regel auch mit einer Gefässvorschädigung einhergehe, was beim Opfer nicht der Fall gewesen sei. Aus seiner Sicht handle es sich vorliegend um ein sehr typisches Beispiel einer traumatisch bedingten Dissektion, ohne dass sich das Trauma aufgrund der Akten sicher nachweisen lasse. Die zeitliche Koinzidenz zwischen dem wie auch immer gearteten Trauma im Kopf- und Halsbereich sowie dem Auftreten der Gefässschädigung und das eher jüngere Alter des Betroffenen liessen die traumatische Genese deutlich wahrscheinlicher erscheinen. An der vorinstanzlichen Einvernahme habe Prof. Dr. med. E.________ bestätigend bzw. präzisierend ausgeführt, seines Erachtens sei ein Nachweis der Ursache der Dissektion nicht möglich. Einerseits seien die Schläge und Tritte gegen den Hals sehr gut geeignet, eine solche auszulösen, andererseits könne er nicht ausschliessen, dass weniger geeignete Ereignisse, z.B. ein Sturz, verantwortlich sein könnten. Der nahe zeitliche Zusammenhang einer direkten stumpfen Gewalt gegen den Halsbereich mit dem Symptombeginn weise jedoch klar auf einen Zusammenhang hin. Er habe in den Unterlagen keine Hinweise gefunden, die ihn daran hätten zweifeln lassen, dass es eine traumatisch ausgelöste Dissektion sei. Er halte eine spontane Dissektion als weitestgehend ausgeschlossen. Weder die Abwesenheit von sichtbaren Befunden am Hals noch dass das Opfer den Heimweg geschafft habe, spreche für ihn gegen ein traumatisches Geschehen. Ein Schlag gegen den Hals müsse keine sichtbaren Spuren hinterlassen (Urteil S. 34 f. E. 4).
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2.4. Mit dieser eingehenden und schlüssigen Beweiswürdigung der Vorinstanz setzt sich der Beschwerdeführer nicht substanziiert auseinander. Im Übrigen sind seine Vorbringen nicht geeignet, Willkür darzutun. Seine Rüge, die Vorinstanz nehme an, er habe die Dissektion verursacht, obwohl nicht rechtsgenügend abgeklärt worden sei, wie die Auswirkungen des Drogen- und Alkoholkonsums bzw. die frühere Drogenabhängigkeit des Opfers seien, ist unbegründet. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz unter Hinweis auf Prof. Dr. med. E.________ davon ausgeht, dass der regelmässige Drogen- und Alkoholkonsum bzw. die frühere Drogenabhängigkeit des Opfers nicht zu einer spontanen Dissektion geführt bzw. eine solche nicht begünstigt habe. Der Sachverständige führte hierzu aus, lokale Gefässschädigungen an der Applikationsstelle durch den intravenösen Drogenkonsum seien bekannt, eine direkte Beeinflussung von Drogen- und Alkoholkonsum auf die Möglichkeit des Eintritts einer Dissektion jedoch nicht. Es sei zwar möglich, dass der Konsum von Kokain den Blutdruck deutlich ansteigen lasse und damit eine Dissektion allenfalls begünstigen könne. Dies seien aber sehr theoretische Überlegungen. Er könne nicht sagen, ob dies bereits einmal nachgewiesen worden sei. Auf Vorhalt der Verteidigung, dass das Opfer eine Zeit lang harte Drogen konsumiert habe, führte der Experte aus, er halte eine spontane Dissektion für äusserst wenig wahrscheinlich (Urteil S. 35 f.). Insgesamt zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, dass und inwiefern das vorinstanzliche Beweisergebnis schlechterdings nicht mehr vertretbar sein sollte. Die Beschwerde ist unbegründet, soweit darauf eingetreten werden kann.
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3. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen den Strafpunkt wendet, tut er dies nur im Hinblick auf die geltend gemachte willkürliche Sachverhaltsfeststellung (Beschwerde S. 7 Ziff. 9). Dass dieser Punkt darüber hinaus bundesrechtswidrig sei, macht er nicht geltend. Darauf ist nicht einzutreten.
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4. Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist infolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Beschwerde S. 7 Ziff. 10 und act. 11 f.; Art. 65 Abs. 2 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
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3. Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Strafabteilung, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 22. November 2013
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Mathys
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Die Gerichtsschreiberin: Pasquini
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