BGer 2C_450/2013
 
BGer 2C_450/2013 vom 05.12.2013
{T 0/2}
2C_450/2013
 
Urteil vom 5. Dezember 2013
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Stadelmann,
Bundesrichter Kneubühler,
Gerichtsschreiber Wyssmann.
 
Verfahrensbeteiligte
A.X.________ und B.X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Gfeller + Partner AG, Rechtsanwalt Michael Kistler und
Fürsprecher Martin Häuselmann,
gegen
Kantonale Steuerkommission Schwyz,
Postfach 1232, 6431 Schwyz.
Gegenstand
Einkommens- und Vermögenssteuer
(Veranlagungen 2007 und 2008;
Vermögenssteuerwert von Beteiligungen),
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz, Kammer II, vom 25. März 2013.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
B.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Die Beschwerde wurde unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42 BGG) eingereicht und richtet sich gegen einen Endentscheid (Art. 90 BGG) einer letzten, oberen kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 BGG) in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG). Die Beschwerdeführer sind durch die Entscheidung besonders berührt und haben ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung (Art. 89 Abs. 1 BGG). Der angefochtene Entscheid betrifft eine im 2. Titel des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG, SR 642.14) geregelte Materie, sodass die Beschwerde auch unter dem Gesichtswinkel von Art. 73 StHG zulässig ist.
1.2. Mit der Beschwerde können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und 96 BGG geltend gemacht werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Fragen des Bundesrechts (Art. 95 lit. a BGG) klärt das Bundesgericht mit freier Kognition. Was das Steuerharmonisierungsgesetz betrifft, prüft es frei, ob die Auslegung und Anwendung des harmonisierten kantonalen Steuerrechts den bundesrechtlichen Vorgaben entspricht. In den Bereichen, in denen das Steuerharmonisierungsgesetz den Kantonen einen gewissen Gestaltungsspielraum belässt oder keine Anwendung findet, beschränkt sich die Kognition des Bundesgerichts auf Willkür (BGE 134 II 207 E. 2 S. 210; 130 II 202 E. 3.1 S. 205 f.; Urteil 2C_337/2012 vom 19. Dezember 2012 E. 1.4 mit Hinweisen, in: StE 2013 B 42.38 Nr. 36, StR 68/2013 S. 368).
1.3. Sachverhaltsfragen - wozu auch Schätzungen gehören - prüft das Bundesgericht nur auf Rechtsverletzungen hin (Art. 105 Abs. 2 bzw. Art. 97 Abs. 1 BGG). Das heisst, der Sachverhalt kann nur gerügt werden, wenn er offensichtlich unrichtig (d.h. willkürlich im Sinne von Art. 9 BV) ist oder dessen Feststellung anderweitig rechtsverletzend im Sinne von Art. 95 BGG zustande gekommen ist.
 
2.
2.1. Gemäss Art. 14 Abs. 1 StHG wird das Vermögen zum Verkehrswert bewertet, wobei der Ertragswert angemessen berücksichtigt werden kann. Die Bewertung zum Verkehrswert ist für die Kantone bindend. Als Verkehrswert gilt der objektive Marktwert eines Vermögensobjektes. Dieser entspricht dem Preis, der bei einer Veräusserung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr mutmasslich zu erzielen ist, den also ein unbefangener Käufer unter normalen Umständen zu zahlen bereit wäre (BGE 128 I 240 E. 3.1.2 S. 248; Zigerlig/Jud, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht [I/1], Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG], 2. Aufl. 2002, N. 1 zu Art. 14 StHG).
2.2. Nach dem Steuergesetz des Kantons Schwyz vom 9. Februar 2000 (StG) wird das Vermögen zum Verkehrswert bewertet, soweit das Gesetz es nicht anders bestimmt (§ 41 Abs. 1 StG); der Regierungsrat regelt die Bewertungsgrundsätze und das Verfahren (§ 41 Abs. 2). Für Beteiligungsrechte mit Kurswert gilt dieser auch für die Besteuerung (§ 44 Abs. 1 StG); für Forderungs- und Beteiligungsrechte ohne Kurswert ist der Steuerwert unter angemessener Berücksichtigung von Ertrags- und Substanzwert des Unternehmens zu schätzen (§ 44 Abs. 2). § 25 der vom Regierungsrat erlassenen Vollzugsverordnung vom 22. Mai 2001 zum Steuergesetz (VVStG) bestimmt, dass der Verkehrswert für nicht kotierte Wertpapiere nach der von der Schweizerischen Steuerkonferenz (SSK) herausgegebenen "Wegleitung zur Bewertung von Wertpapieren ohne Kurswert für die Vermögenssteuer" zu ermitteln ist.
2.3. Ob die Wegleitung der SSK zur Bewertung von Wertpapieren ohne Kurswert für die Vermögenssteuer (Kreisschreiben Nr. 28) kraft der Verweisung des Regierungsrates (§ 25 VVStG) vorliegend ergänzendes kantonales Recht bildet, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls handelt es sich bei der Wegleitung um keine von einer Bundesbehörde erlassene Rechtsnorm und stellt sie kein Bundesrecht im Sinne von Art. 95 lit. a BGG dar. Ebensowenig kann sie als interkantonales Recht gemäss Art. 95 lit. e BGG bezeichnet werden. Dieses kann zwar nebst Konkordaten auch rechtssetzende Erlasse von interkantonalen Organen mitumfassen (Urteile 8C_818/2010 vom 2. August 2011 E. 2.2; 2P.53/2003 vom 30. April 2004 E. 1.2.2; 2P.113/2003 vom 15. September 2003 E. 1.1). Bei der vorliegend betroffenen Wegleitung handelt es sich jedoch um eine reine Verwaltungsverordnung und nicht um Rechtsnormen im eigentlichen Sinn. Mitglieder der SSK sind die kantonalen Steuerverwaltungen und die Eidgenössische Steuerverwaltung. Die Wegleitung statuiert keine Rechte und Pflichten gegenüber Privaten, sondern enthält bloss verwaltungsinterne Regeln für das Verhalten der Steuerbeamten (Urteil 2C_800/2008 vom 12. Juni 2009 E. 5.1, in: StE 2010 B 52.42 Nr. 6, StR 64/2009 S. 910; s. auch Urteil 2C_504/2009 vom 15. April 2010 E. 3.3). Der Zweck der Wegleitung ist eine Vereinheitlichung der Praxis der Kantone zur Bewertung von nicht regelmässig gehandelten Wertpapieren. Sie dient der Steuerharmonisierung zwischen den Kantonen und entspricht vermutungsweise der geübten Verwaltungspraxis (so bereits Peter Böckli, Rechtliche Bemerkungen zu der neuen 'Wegleitung zur Bewertung von Wertpapieren ohne Kurswert für die Vermögenssteuer (Ausgabe 1977) ', ASA 46 S. 483). Gleichzeitig konkretisiert sie Art. 14 Abs. 1 StHG und füllt den Handlungsspielraum aus, den diese Norm den Kantonen einräumt (zit. Urteile 2C_800/2008 E. 5.1; 2C_504/2009 E. 3.3).
 
3.
3.1. Vorliegend sind die von der Veranlagungsbehörde gemäss der Wegleitung der SSK zur Bewertung von Wertpapieren ohne Kurswert ermittelten Vermögenssteuerwerte der von den Beschwerdeführern gehaltenen Minderheitsbeteiligungen nicht umstritten. Streitgegenstand ist einzig, ob für diese der Abzug von 30 % für Minderheitsbeteiligungen zu gewähren sei.
3.2. Die Rz. 61 und 62 der Wegleitung vom 28. August 2008 - wie bereits die Rz. 71 und 72 der Wegleitung 2006, gültig für Bewertungen bis 31. Dezember 2007 - lauten wie folgt:
"1 Dem beschränkten Einfluss des Inhabers einer Minderheitsbeteiligung auf die Geschäftsleitung und auf die Beschlüsse der Generalversammlung sowie der eingeschränkten Übertragbarkeit von Gesellschaftsanteilen wird pauschal Rechnung getragen.
"1 Der Pauschalabzug wird in der Regel für alle Beteiligungen bis und mit 50 % des Gesellschaftskapitals gewährt. Massgebend sind die Beteiligungsverhältnisse am Ende der Steuerperiode.
3.3. Bei der Bewertung nicht kotierter Wertpapiere wird somit dem beschränkten Einfluss des Inhabers einer Minderheitsbeteiligung auf die Gesellschaft, soweit er sich auch auf den Verkehrswert beim Handel mit solchen Gesellschaftsanteilen auswirkt, durch einen Einschlag Rechnung getragen. Allerdings lässt sich die Einbusse beim Verkehrswert nur schwer abschätzen und nicht in Zahlen ausdrücken. Deshalb sieht die Wegleitung für solche Fälle einen pauschalen Abzug von 30 % vor (zu dieser Quote auch WOLFGANG MAUTE, Pauschalabzug für vermögensrechtliche Beschränkungen bei Ehegatten nichtkotierter Wertpapiere, StR 60/2005 S. 97). Der pauschal bemessene Abzug ist somit rein praktisch bedingt. Andernfalls müsste der Minderwert durch Schätzung ermittelt werden.
3.4. Bei der Frage, ob eine Minderheitsbeteiligung vorliegt, ist somit nicht allein auf die Höhe der Beteiligung oder die Anzahl der Stimmen (Stimmrechtsaktien) abzustellen. Wichtig ist auch, ob der steuerpflichtige Beteiligungsinhaber auf andere Weise faktisch einen massgeblichen Einfluss auf die Unternehmensentscheidungen nehmen kann. Der Minderheitsabzug ist daher überall dort zu versagen, wo der Steuerpflichtige trotz Minderheitsbeteiligung direkt oder indirekt einen "kumulierten" Einfluss von mehr als 50 % der Beteiligung auszuüben vermag (so auch der Kommentar der SSK zur Wegleitung 2008 S. 69 mit Hinweis auf einen Entscheid der Steuerkommission Schwyz; ebenso Maute, a.a.O., S. 97). Das ist etwa der Fall, wenn er indirekt (z.B. Tochtergesellschaft) über weitere Stimmanteile verfügt oder aufgrund vertraglicher (z.B. Aktionärsbindungsvertrag) oder zivilrechtlicher (z.B. Ehe) Bindungen auf die Meinungsbildung innerhalb der Gesellschaft einwirken kann. Dabei geht es nicht um eine Frage der Anwendung von Bundesrecht, sondern um die Klärung der tatsächlichen Verhältnisse im Rahmen der vorzunehmenden Verkehrswertschätzung (so bereits Urteil 2C_952/2010 vom 29. März 2011 E. 2.2).
3.5. Die gleichen Grundsätze gelten auch bei gemeinsam veranlagten Ehegatten, die zusammen eine Mehrheitsbeteiligung an einer Gesellschaft halten. Die Ehe ist nicht nur eine sittliche und rechtliche, sondern auch eine wirtschaftliche Gemeinschaft. Somit spricht eine natürliche Vermutung dafür, dass durch die Ehegatten gemeinsam oder einzeln gehaltene Beteiligungsrechte an einer Gesellschaft im gemeinschaftlichen Interesse ausgeübt werden und dies auch beim allfälligen Verkauf der Beteiligung zum Tragen kommt. Will ein Ehegatte dennoch den Minderheitsabzug beanspruchen, hat er glaubhaft zu machen, dass die Beteiligungen getrennt verwaltet und bei einem möglichen Verkauf nicht als ein Gesamtpaket behandelt werden (ähnlich Maute, a.a.O., S. 97).
3.6. Vorliegend hält jeder der beiden Beschwerdeführer mehr als 49 % des Aktienkapitals und mindestens je 48 % der Stimmanteile der Z.________ AG sowie der Q.________ Holding AG. Zusammen kontrollieren sie die Z.________ AG zu über 96 % und die Q.________ Holding AG zu 100 %. Es bestehen keine Anzeichen dafür, dass gegensätzliche Interessen bestünden, welche sich auch bei der Einflussnahme auf die Geschäftsleitung und die Generalsversammlungsbeschlüsse auswirken würden. Gemäss Handelsregisterauszug verfügen beide bei der Z.________ AG über Einzelunterschrift; bei der Q.________ Holding AG tritt eine Drittperson als Mitglied mit Einzelunterschrift nach aussen auf und halten sich die Beschwerdeführer (Aktionäre) im Hintergrund. Angesichts der natürlichen Vermutung müssten die Beschwerdeführer glaubhaft darlegen können, dass die Aktienpakete getrennt verwaltet und auch bei einem Verkauf nicht zusammengelegt werden. Solange sie die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für eine solche Annahme sprechen, nicht aufzuzeigen vermögen, ist davon auszugehen, dass die Ehegatten die Beteiligungen auch im Hinblick auf eine mögliche Veräusserung als ein Ganzes behandeln und sind diese für die Ermittlung des Verkehrswerts zu kumulieren.
 
4.
4.1. Die Beschwerdeführer weisen erneut darauf hin, dass ihnen in den Vorperioden der "Pauschalabzug" auf der Vermögenssteuer gewährt worden sei. Wie die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid dargelegt hat, ist eine neue Praxis sofort und auf alle noch offenen Fälle anzuwenden (BGE 135 II 78 E. 3.2; 132 II 153 E. 5.1; Urteil 2C_375/2010 vom 22. März 2011 E. 6.2, in: StE 2011 A 24.43.1 Nr. 21, RDAF 2011 II 494). Aus Gründen des Vertrauensschutzes - ein Verfassungsgrundsatz nach Art. 5 Abs. 3 und Art. 9 BV - kann ausnahmsweise noch die alte Praxis Anwendung finden, insbesondere bei behördlichen Zusicherungen (BGE 135 II 78 E. 3.2; 132 II 153 E. 5.1). Voraussetzung ist insbesondere, dass sich die Zusicherung der Behörde auf eine bestimmte, konkrete Situation bezieht und die Person gestützt auf diese Zusicherung nachteilige Dispositionen getroffen hat, die sie nicht wieder rückgängig machen kann (BGE 137 I 69 E. 2.5.1 S. 73; 131 II 627 E. 6.1 S. 637; 129 I 161 E. 4.1 S. 170). Inwiefern die Vorinstanz im Zusammenhang mit der von der Verwaltung geänderten Praxis berechtigtes Vertrauen der Beschwerdeführer in eine behördliche Zusicherung zu Unrecht verneint haben könnte (vgl. angefochtenes Urteil E. 5.1 und 5.3.3), legen die Beschwerdeführer nicht dar. Auf die nicht weiter begründete Verfassungsrüge ist nicht einzugehen (Art. 106 Abs. 2 BGG; vorstehende E. 1.2).
4.2. Die Beschwerdeführer wenden ein, sie würden von den Vorinstanzen nicht als selbständige Steuersubjekte behandelt, indem ihre Beteiligungen zur Bestimmung des Beteiligungsgrades zusammengerechnet würden. Die Ehegattenbesteuerung mit Faktorenaddition bedeute lediglich die Zusammenrechnung der Einkommens- und Vermögensbestandteile der Ehegatten für den Steuertarif, wobei aber jeder Ehegatte ein selbständiges Steuersubjekt mit eigenem Bemessungssubstrat bleibe.
4.3. Die Vorinstanz hat auch argumentiert, dass die vorliegend vorgenommene Praxisänderung ihre sachlich überzeugende Rechtfertigung in der im Kanton Schwyz per 1. Januar 2007 eingeführten privilegierten Dividendenbesteuerung bei qualifizierten Beteiligungen finde (§ 36 Abs. 2a StG in der Fassung vom 23. November 2005; s. auch Art. 7 Abs. 1 Satz 2 StHG). Eine Zusammenrechnung der Beteiligungen von Ehegatten für die Mindestbeteiligungsquote für die Einkommenssteuer (Dividendenbesteuerung) einerseits und eine individuelle Bewertung der Beteiligungen von Ehegatten für die Vermögenssteuer andererseits käme einem verpönten Methodendualismus gleich (angefochtenes Urteil E. 5.3.2). Die Beschwerdeführer rügen diese Betrachtungsweise als methodisch falsch. Wie es sich damit verhält, kann offenbleiben. Jedenfalls ist in Bezug auf jeden Ehegatten und für jede Beteiligung einzeln zu prüfen, ob die Voraussetzungen für den Minderheitsabzug erfüllt sind. In diese Einzelprüfung ist die Frage mit einzubeziehen, ob der Ehegatte in Bezug auf die konkrete Beteiligung direkt oder indirekt über einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft verfügt (vgl. vorstehende E. 3.4). Wenn die Vorinstanz aber für die steuerliche Einschätzung des Wertes von Beteiligungen von Ehegatten eine gewisse Parallele zur privilegierten Dividendenbesteuerung bei qualifizierten Beteiligungen sieht, weil in beiden Fällen eine gesamtheitliche Betrachtung erfolgt, ist dies jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden.
 
5.
 
6.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. 
2. 
3. 
Lausanne, 5. Dezember 2013
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Zünd
Der Gerichtsschreiber: Wyssmann