BGer 1C_397/2011
 
BGer 1C_397/2011 vom 09.01.2014
{T 0/2}
1C_397/2011
 
Urteil vom 9. Januar 2014
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Eusebio,
Gerichtsschreiberin Gerber.
 
Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Hans Beat Keller,
gegen
Stadt Zürich,
handelnd durch den Stadtrat von Zürich,
und dieser vertreten durch das Hochbaudepartement der Stadt Zürich,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Denkmalschutz,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 1. Abteilung, 1. Kammer, vom 29. Juni 2011.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
B.
 
C.
 
D.
 
E.
 
F.
 
Erwägungen:
 
1.
 
2.
2.1. Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass der zuständigen kommunalen Behörde bei der Frage, ob und inwieweit eine Baute denkmalpflegerischen Schutz verdiene, ein Beurteilungsspielraum zustehe, der von den Gerichten grundsätzlich zu respektieren sei. Vorliegend habe sich der Stadtrat Zürich für die integrale Erhaltung der Stallscheune entschieden. Dieses Schutzziel sei aufgrund des hohen Eigenwerts der Stallscheune grundsätzlich gerechtfertigt: Das grossvolumige, äusserlich wie auch im Innern weitgehend unveränderte und gut erhaltene Gebäude repräsentiere geradezu modellhaft den Scheunenbau des frühen 20. Jahrhunderts (vgl. dazu Gutachten des Amts für Städtebau, Archäologie und Denkmalpflege vom 1. September 2008). Jeder Ausbau der Stallscheune für Gewerbe- und Wohnnutzung wäre mit einer Öffnung von Fassaden und Dachflächen für die Belichtung, einer Umwandlung des Kaltraums in einen Warmraum und der Auffüllung des grossen offenen Innenraums verbunden und würde daher dem Schutzziel widersprechen. Das Verwaltungsgericht erachtete eine Beschränkung des Schutzziels in dem vom Beschwerdeführer beantragten Sinne (beschränkte Umnutzung des Gebäudes unter Erhalt der wichtigen Zeugenelemente) auch aus Gründen der Verhältnismässigkeit nicht für geboten.
2.2. Aufgrund des Gutachtens des Amts für Städtebau, dessen Schlussfolgerungen vom Beschwerdeführer nicht substanziiert bestritten werden, ist davon auszugehen, dass die Stallscheune einen wichtigen und seltenen Zeuge für den Scheunenbau des frühen 20. Jahrhunderts darstellt: Von den 18 noch erhaltenen freistehenden Stallscheunen des 20. Jahrhunderts auf Stadtzürcher Gebiet gehört die streitige Scheune zu den intaktesten und aussagekräftigsten Beispielen; nach der unbestrittenen Feststellung der Vorinstanzen gibt es lediglich zwei weitere Scheunen, die von ihrem Volumen und ihrer ortsprägenden Wirkung her mit derjenigen in Witikon vergleichbar sind. Bemerkenswert sind dabei nicht nur ihre Grösse und Lage, sondern auch ihr konstruktiver Aufbau, ihre innere Organisation und Ausstattung. In dieser Situation war die zuständige Behörde, d.h. der Stadtrat Zürich, grundsätzlich berechtigt, die vollständige Erhaltung der geschützten Baute anzuordnen, ohne Veränderungen an der Aussenhülle oder im Innenraum.
2.3. Näher zu prüfen ist allerdings, ob die dem Eigentümer auferlegte Verpflichtung zur integralen Erhaltung der Stallscheune als Kaltraum einen unverhältnismässigen Eingriff in die Eigentumsgarantie (Art. 26 i.V.m. Art. 36 Abs. 2 BV) darstellt, wie der Beschwerdeführer geltend macht (unten E. 3). Sollte dies zutreffen, müssten weniger einschneidende Massnahmen geprüft werden, wie namentlich die vom Beschwerdeführer vorgeschlagene beschränkte Umnutzung der Stallscheune zu Wohnzwecken unter Erhaltung wichtiger Zeugenelemente. Ist die Schutzmassnahme dagegen mit der Eigentumsgarantie vereinbar, so ist die Stadt Zürich nicht verpflichtet, sich mit einer weniger weitgehenden Schutzmassnahme zu begnügen. In diesem Fall durfte auch das Verwaltungsgericht darauf verzichten, sich mit den Ausbauvorschlägen und -skizzen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen, ohne das rechtliche Gehör zu verletzen.
 
3.
3.1. Der Beschwerdeführer macht dagegen geltend, dass eine beschränkte Wohn- oder Gewerbenutzung in der Stallscheune mit § 358a PBG i.V.m. Art. 24d Abs. 2 RPG vereinbar sei, der sogar eine vollständige Zweckänderung zulassen würde.
Dem hält das Verwaltungsgericht entgegen, dass Art. 24d Abs. 2 RPG den Schutzwert einer Baute sichern solle und nicht dazu dienen dürfe, das Schutzziel zu schmälern. Diese Bestimmung dürfe daher nicht dazu führen, dass von einem im öffentlichen Interesse erkannten Schutzziel abgewichen werde, mit dem Argument, die Einschränkungen des Privaten seien in Abwägung mit der gemäss Art. 24d Abs. 2 RPG zulässigen vollständigen Zweckänderung unverhältnismässig.
3.2. Gemäss Art. 24d Abs. 2 RPG kann die vollständige Zweckänderung von als schützenswert anerkannten Bauten und Anlagen zugelassen werden, wenn diese von der zuständigen Behörde unter Schutz gestellt worden sind (lit. a) und ihre dauernde Erhaltung nicht anders sichergestellt werden kann (lit. b). Diese in erster Linie auf die Tessiner "Rustici" zugeschnittene Bestimmung will verhindern, dass Bauten, die entscheidend zur Prägung der Landschaft beitragen oder aus denkmalpflegerischer oder kulturhistorischer Sicht besonders wertvoll sind, zerfallen oder abgebrochen werden (Botschaft des Bundesrates zu einer Teilrevision des RPG vom 22. Mai 1996, BBl 1996 III S. 513 ff., insbes. S. 542).
3.2.1. Voraussetzung ist zunächst, dass die Baute unter Schutz gestellt worden ist (lit. a). Stünde die Scheune nicht unter Denkmalschutz, wäre Art. 24d Abs. 2 RPG also von vornherein nicht anwendbar. Ein Ausbau der freistehenden Stallscheune zu Wohnzwecken wäre auch nach Art. 24c Abs. 3 RPG nicht möglich, weil es sich nicht um eine landwirtschaftliche Wohnbaute oder eine angebaute Ökonomiebaute handelt. Insofern bedeutet die Unterschutzstellung keine Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten des Beschwerdeführers im Vergleich zur bestehenden Zonierung.
3.2.2. Die Erteilung einer Umnutzungsbewilligung nach Art. 24d Abs. 2 RPG setzt weiter voraus, dass die dauernde Erhaltung der geschützten Bausubstanz einzig durch eine Umnutzung sichergestellt werden kann (lit. b; vgl. dazu Botschaft, a.a.O. S. 542).
 
4.
4.1. Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass diese Frage nicht Gegenstand der erstinstanzlichen Verfügung gewesen sei und auch nicht hätte sein sollen, weshalb sie nicht Prozessthema sei.
4.2. Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, dass die Frage des Schutzumfangs und der Beitragszahlungen der Stadt einen engen Zusammenhang aufweisen und es sinnvoll sein kann, in einer Verfügung über beide Fragen zu entscheiden. Vorliegend ist dies jedoch nicht geschehen: In der Verfügung vom 4. November 2009 äusserte sich der Stadtrat einzig zur Unterschutzstellung und nicht zu allfälligen Unterhaltsbeiträgen der Stadt. Mehr war auch von den Rechtsvorgängern der Beschwerdeführer nicht beantragt worden (diese hatten den Erlass eines formellen Entscheids über Schutzwürdigkeit und Schutzumfang für die Stallscheune verlangt.
4.3. Zu prüfen ist daher, ob die Stadt verpflichtet gewesen wäre, auch ohne Antrag, von Amtes wegen, in der Unterschutzstellungsverfügung über allfällige Beitragsansprüche nach § 207 Abs. 2 PBG zu entscheiden.
4.4. Der Beschwerdeführer wird somit gegebenenfalls ein neues Verfahren beim Stadtrat einleiten müssen. Werden seine Anträge auf jährliche Beitragszahlungen zur Gewährleistung der Zumutbarkeit ganz oder teilweise abgelehnt, steht dagegen der Rechtsweg offen.
 
5.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. 
2. 
3. 
4. 
Lausanne, 9. Januar 2014
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Fonjallaz
Die Gerichtsschreiberin: Gerber