BGer 9C_642/2013 |
BGer 9C_642/2013 vom 09.01.2014 |
{T 0/2}
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9C_642/2013
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Urteil vom 9. Januar 2014 |
II. sozialrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter Kernen, Präsident,
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Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Glanzmann,
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Gerichtsschreiber Furrer.
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Verfahrensbeteiligte |
S.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Tomas Kempf,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Invalidenversicherung (Invalidenrente),
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Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 29. Juli 2013.
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Sachverhalt: |
A. Die 1957 geborene S.________, Mutter von vier Kindern (Jahrgänge 1981, 1986, 1989 und 1992), meldete sich im Oktober 2006 unter Hinweis auf einen Hirnschlag bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich führte medizinische und erwerbliche Abklärungen durch, namentlich veranlasste sie eine Abklärung der Verhältnisse im Haushalt (Bericht vom 23. März 2007). Mit Verfügung vom 21. Juni 2007 stufte die IV-Stelle S.________ als Nichterwerbstätige ein und sprach ihr rückwirkend ab 1. März 2006 eine Viertelsrente zu (Invaliditätsgrad von 43 %). Auf Beschwerde hin hob das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Verfügung auf und wies die Sache zur Neuberechnung der Rentenbetreffnisse und zum Erlass einer neuen Verfügung an die IV-Stelle zurück (Entscheid vom 31. Oktober 2008). Diese erliess am 25. Februar 2009 eine neue, lediglich betreffend die Rentenbetreffnisse abgeänderte Verfügung, welche mit Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 13. Januar 2011 - bis auf eine vorgenommene Verrechnung - geschützt wurde.
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Im Rahmen einer Rentenrevision machte S.________ eine Verschlechterung des Gesundheitszustands geltend, woraufhin die IV-Stelle weitere Abklärungen vornahm und - auf Einwand hin - erneut eine Haushaltabklärung durchführen liess (Bericht vom 5. Mai 2011). Nach Rücksprache mit dem Abklärungsdienst (Stellungnahme vom 9. August 2011) erhöhte die IV-Stelle mit Verfügung vom 16. Januar 2012 die Rente per 1. April 2010 auf eine halbe Invalidenrente (Invaliditätsgrad von 56 %).
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B. Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 29. Juli 2013 ab.
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C. S.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, ihr mit Wirkung ab 1. April 2010 eine höhere Rente zuzusprechen, eventualiter sei die Sache zur weiteren Abklärung und Neubeurteilung an die Vorinstanz (subeventualiter an die Beschwerdegegnerin) zurückzuweisen.
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Erwägungen:
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1. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
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2. Streitig und zu prüfen ist, ob bzw. gegebenenfalls in welchem Umfang die Beschwerdeführerin ohne Gesundheitsschaden erwerbstätig wäre.
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3. |
3.1. Ändert sich der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines Rentenbezügers erheblich, so wird die Rente von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft entsprechend erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben (Art. 17 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art. 2 ATSG und Art. 1 Abs. 1 IVG). Anlass zur Revision von Invalidenrenten gibt jede Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen, die geeignet ist, den Invaliditätsgrad und damit den Rentenanspruch zu beeinflussen.
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Eine revisionsrechtlich relevante Tatsachenänderung (Revisionsgrund) stellt insbesondere eine - nicht notwendigerweise gesundheitlich bedingte - Reduktion oder die Erhöhung des erwerblichen Arbeitspensums dar, was zu einem Wechsel der Invaliditätsbemessungsmethode führen kann (BGE 130 V 343 E. 3.5 S. 349; 117 V 198 E. 3b S. 199; Urteil 9C_582/2012 vom 27. Mai 2013 E. 2.2 mit Hinweisen).
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3.2. Ob und gegebenenfalls in welchem zeitlichen Umfang eine in einem Aufgabenbereich tätige versicherte Person (Art. 5 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 8 Abs. 3 ATSG) ohne gesundheitliche Beeinträchtigung erwerbstätig wäre (Statusfrage), ergibt sich aus der Prüfung, was sie bei im Übrigen unveränderten Umständen täte, wenn keine gesundheitliche Beeinträchtigung bestünde. Entscheidend ist somit nicht, welches Ausmass der Erwerbstätigkeit der versicherten Person im Gesundheitsfall zugemutet werden könnte, sondern in welchem Pensum sie hypothetisch erwerbstätig wäre (BGE 133 V 504 E. 3.3 S. 507; Urteil 9C_49/2008 vom 28. Juli 2008 E. 3.3; je mit Hinweisen). Bei im Haushalt tätigen Versicherten im Besonderen (vgl. Art. 27 IVV) sind die persönlichen, familiären, sozialen und erwerblichen Verhältnisse ebenso wie allfällige Erziehungs- und Betreuungsaufgaben gegenüber Kindern, das Alter, die beruflichen Fähigkeiten und die Ausbildung sowie die persönlichen Neigungen und Begabungen zu berücksichtigen. Massgebend sind die Verhältnisse, wie sie sich bis zum Erlass der Verfügung entwickelt haben, wobei für die hypothetische Annahme einer im Gesundheitsfall ausgeübten (Teil-) Erwerbstätigkeit der im Sozialversicherungsrecht übliche Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erforderlich ist (BGE 137 V 334 E. 3.2 S. 338; 130 V 393 E. 3.3 S. 396; 125 V 146 E. 2c S. 150; je mit Hinweisen).
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4. |
4.1. Das kantonale Gericht hat zur Statusfrage erwogen, angesichts der Biografie der Beschwerdeführerin sei nicht mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erstellt, dass sie im Gesundheitsfall erwerbstätig wäre. Bereits anlässlich der ersten Haushaltabklärung 2007 habe sie bei - im Vergleich zur aktuellen Abklärung - weitgehend unveränderten Verhältnissen (selbstständige Kinder, Ehemann aus gesundheitlichen Gründen nicht ausser Haus tätig, so dass das damals jüngste Kind soweit notwendig betreut gewesen wäre) geltend gemacht, sie würde gerne erwerbstätig sein, aufgrund der Wünsche des Ehemannes sei sie aber im Haushalt tätig. Auch die finanziellen Verhältnisse seien unverändert, beziehe der Ehemann der Beschwerdeführerin weiterhin eine halbe Invalidenrente. Da sie bisher darauf verzichtet habe, erwerbstätig zu sein, vermöge nicht zu überzeugen, dass sie heute hypothetisch erwerbstätig wäre.
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4.2. Die Beschwerdeführerin rügt eine offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts dergestalt, als die Vorinstanz von weitgehend unveränderten Verhältnissen seit der ersten Haushaltabklärung ausgegangen sei. Denn 2007 hätten noch alle Söhne drei Mahlzeiten pro Tag zu Hause eingenommen, wogegen 2011 ein Sohn bereits ausgezogen sei und die anderen zwei Söhne nur noch zwei Mahlzeiten zu Hause eingenommen hätten. Da die Kinder am Mittag nicht mehr bekocht werden müssten, habe der Ehemann nichts mehr gegen eine Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin einzuwenden. Auch spreche ihre Biografie nicht gegen die Annahme einer ausserhäuslichen Tätigkeit, zumal sie 2004 einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, welche sie aufgrund des Wohnortwechsels aufgegeben habe. Bevor sie wieder eine Anstellung gefunden habe, habe sie den invalidisierenden Hirnschlag erlitten. Daher sei von einer mindestens 40%igen Erwerbstätigkeit auszugehen, womit Anspruch auf eine ganze Rente resultiere.
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5. |
5.1. Bei der Bestimmung der im konkreten Fall anwendbaren Invaliditätsbemessungsmethode und damit der Beantwortung der entscheidenden Statusfrage handelt es sich um eine hypothetische Beurteilung, die auch hypothetische Willensentscheidungen der versicherten Person berücksichtigen muss. Diese sind indessen als innere Tatsachen einer direkten Beweisführung nicht zugänglich und müssen in aller Regel aus äusseren Indizien erschlossen werden. Die Beurteilung hypothetischer Geschehensabläufe ist eine Tatfrage, soweit sie auf Beweiswürdigung beruht, selbst wenn darin auch Schlussfolgerungen aus der allgemeinen Lebenserfahrung mitberücksichtigt werden (BGE 115 II 440 E. 5b S. 448; Urteil 9C_559/2009 vom 18. Dezember 2009 E. 3, in: SVR 2010 IV Nr. 35 S. 111). Die auf einer Würdigung konkreter Umstände basierende Festsetzung des hypothetischen Umfanges der Erwerbstätigkeit ist für das Bundesgericht daher verbindlich, ausser wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung beruht. Rechtsfragen sind hingegen Folgerungen, die ausschliesslich - losgelöst vom konkreten Sachverhalt - auf die allgemeine Lebenserfahrung gestützt werden oder die Frage, ob aus festgestellten Indizien mit Recht auf bestimmte Rechtsfolgen geschlossen worden ist (BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399; Urteil 9C_112/2011 vom 5. August 2011 E. 3).
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5.2. Die Beschwerdeführerin bringt nichts vor, was die vorinstanzliche Festlegung des Status, welche auf einer Würdigung der konkreten Umstände (u.a. Bedarf und Möglichkeiten der Kinderbetreuung, Erwerbsbiografie der Beschwerdeführerin, finanzielle Situation der Familie) beruht, als offensichtlich unrichtig oder sonstwie bundesrechtswidrig erscheinen liesse. Insbesondere ist eine Beweiswürdigung nicht bereits dann offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich (BGE 134 V 53 E. 4.3 S. 63), wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst dann, wenn der Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht oder auf einem offenkundigen Fehler beruht (BGE 135 V 2 E. 1.3 S. 4 f.). Solches vermag die Beschwerdeführerin nicht darzutun. Soweit sie die Feststellung des kantonalen Gerichts, seit der Abklärung im Jahr 2007 sei von weitgehend unveränderten Verhältnissen auszugehen, als offensichtlich unrichtig rügt, dringt sie nicht durch. Daran vermag auch der Einwand nichts zu ändern, weil die Kinder mittags nicht mehr verköstigt werden müssten, hätte der Ehemann nichts mehr gegen eine Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin einzuwenden (vgl. Ziff. 2.5 des Berichts vom 23. März 2007). Zwar trifft zu, dass im Zeitpunkt der ersten Abklärung mindestens zwei Söhne regelmässig und der älteste Sohn zumindest zeitweise drei Mahlzeiten pro Tag zu Hause einnahmen (Ziff. 4 des Berichts vom 23. März 2007), wogegen im April 2011 nur noch die zwei jüngeren Söhne zu Hause lebten und dort noch zwei Mahlzeiten (Morgenessen und Abendessen) einnahmen (Ziff. 4 des Berichts vom 5. Mai 2011). Indes wäre, wie die Vorinstanz zutreffend festgestellt hat, die Betreuung der Kinder, soweit eine solche überhaupt noch notwendig war, bereits damals gewährleistet gewesen. Denn der nicht erwerbstätige Ehemann hätte sich ohne Weiteres um die Kinder kümmern und diese am Mittag auch bekochen können (vgl. Ziff. 6.2 des Berichts vom 23. März 2007, wonach er gut kochen könne). Dass das kantonale Gericht annahm, die bisherige Aufgabenteilung hätte auch zum Zeitpunkt der zweiten Abklärung weiter bestanden, ist nicht willkürlich.
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Ferner hat die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, indem sie die Aufnahme einer (teilzeitlichen) Erwerbstätigkeit auch mit Blick auf die Biografie der Beschwerdeführerin - diese war lediglich 1980/1981 insgesamt acht Monate und 2004 einen Monat erwerbstätig - nicht als überwiegend wahrscheinlich erachtete (Auszug aus dem individuellen Konto [IK] vom 18. Oktober 2006). Nicht glaubhaft ist in diesem Zusammenhang das Vorbringen, die Beschwerdeführerin habe nach dem Umzug (im Jahr 2004) wieder eine Stelle gesucht, jedoch den invalidisierenden Hirnschlag erlitten, bevor sie eine gefunden habe. Denn gegenüber der Abklärungsperson hat die Beschwerdeführerin ausdrücklich erklärt, nach dem Umzug habe sie sich "um keine weitere Erwerbstätigkeit bemüht" (Ziff. 2.5 des Berichts vom 23. März 2007). Unter diesen Umständen ist die vorinstanzliche Annahme, die Beschwerdeführerin wäre im Gesundheitsfall (weiterhin) zu 100 % im Haushalt tätig, weder willkürlich noch sonstwie bundesrechtswidrig.
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5.3. Nach dem Gesagten hat es bei der Festlegung des Status durch die Vorinstanz sein Bewenden. Die Invaliditätsbemessung ist weiter nicht bestritten. Es besteht kein Anlass zu einer näheren Prüfung.
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6. Die unterliegende Beschwerdeführerin trägt die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 9. Januar 2014
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Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Kernen
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Der Gerichtsschreiber: Furrer
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