BGer 1B_293/2013 |
BGer 1B_293/2013 vom 31.01.2014 |
{T 0/2}
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1B_293/2013
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Urteil vom 31. Januar 2014 |
I. öffentlich-rechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
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Bundesrichter Aemisegger, Merkli, Karlen, Chaix,
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Gerichtsschreiber Störi.
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Verfahrensbeteiligte |
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, Postfach, 4001 Basel,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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X.________,
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Beschwerdegegnerin,
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vertreten durch Advokat Niggi Dressler,
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Gegenstand
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Zeugnisverweigerungsrecht,
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Beschwerde gegen den Entscheid vom 24. Juni 2013
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des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Appellationsgerichtspräsident.
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Sachverhalt: |
A. |
B. |
C. |
Erwägungen: |
1. |
2. |
2.1.
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2.1.1. Der Quellenschutz für Medienschaffende wird - materiell übereinstimmend - sowohl von Art. 28a StGB als auch von Art. 172 StPO geregelt. Nach dieser Regelung dürfen gegen Journalisten, die das Zeugnis über den Inhalt und die Quellen ihrer Informationen verweigern, grundsätzlich weder Strafen noch zwangsprozessuale Massnahmen verhängt werden (Art. 28a Abs. 1 StGB, Art. 172 Abs. 1 StPO). Das Aussageverweigerungsrecht gilt jedoch dann ausnahmsweise nicht, wenn das Zeugnis erforderlich ist, um eine Person aus einer unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben zu retten (Art. 28a Abs. 2 lit. a StGB, Art. 172 Abs. 2 lit. a StPO) oder wenn ohne das Zeugnis eine der in Art. 28a Abs. 2 lit. b StGB und Art. 172 Abs. 2 lit. b StPO aufgezählten, besonders schwerwiegenden Straftaten nicht aufgeklärt oder der Täter nicht ergriffen werden kann. Der qualifizierte Verstoss gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinn von dessen Art. 19 Ziff. 2 ist eines der von diesem Ausnahmekatalog erfassten Delikte. Auch in diesen Fällen ist allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte das öffentliche Interesse an der Aufklärung des Delikts gegen das Interesse der Beschwerdegegnerin an der Geheimhaltung ihrer Quelle abzuwägen und zu prüfen, ob ihre Verpflichtung zur Offenlegung verhältnismässig ist (grundlegend BGE 132 I 181).
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2.1.2. Der Handel mit weichen Drogen wie Haschisch stellt einen qualifizierten Verstoss gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinn von dessen Art. 19 Ziff. 2 lit. c dar, wenn der Täter durch gewerbsmässigen Handel einen grossen Umsatz oder einen erheblichen Gewinn erzielt. Gross im Sinn dieser Bestimmung ist ein Umsatz von über 100'000 Franken, erheblich ein Gewinn von über 10'000 Franken (BGE 129 IV 188 E. 3.1.3 S. 192; 253 E. 2.2 S. 256 f.; BGE 137 IV 79 nicht publ. E. 4.2; Urteil 6B_724/2012 vom 24. Juni 2013 E. 7.1). "Roland", der nach eigenen Angaben aus dem Haschischhandel jährlich einen Gewinn von 12'000 Franken erzielt, ist damit des qualifizierten Verstosses gegen Art. 19 Ziff. 2 BetmG dringend verdächtig.
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2.2. Der Gesetzgeber hat entschieden, dass in den eine Katalogtat betreffenden Fällen das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung das entgegenstehende Interesse am Schutz des Redaktionsgeheimnisses grundsätzlich überwiegt. Es kann daher nur fraglich sein, ob der Eingriff in die Pressefreiheit im Lichte der erwähnten Rechtsprechung auch unter den gegebenen konkreten Umständen verhältnismässig ist.
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2.3. |
2.3.1. Die Aussage der Beschwerdegegnerin ist für die Beschwerdeführerin das einzige erfolgsversprechende Beweismittel, um "Roland" zu identifizieren. Insofern ist die Aufhebung des Zeugnisverweigerungsrechts der Beschwerdegegnerin erforderlich, um ihn strafrechtlich zur Rechenschaft ziehen zu können.
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2.3.2. Bei der Abwägung der entgegenstehenden Interessen fällt in Betracht, dass die "Roland" vorgeworfene Straftat zwar vom Ausnahmenkatalog erfasst wird, innerhalb dieser Katalogtaten aber vergleichsweise wenig schwer wiegt. Der Appellationsgerichtspräsident führt im angefochtenen Entscheid unter Hinweis auf BGE 120 IV 256 E. 2b aus, die verschiedenen Handelsformen von Cannabis seien nicht geeignet, die körperliche und seelische Gesundheit vieler Menschen in eine ernstliche Gefahr zu bringen. Die Qualifikation des Tatbestands ergebe sich beim Handel mit weichen Drogen allein aus der gewerbsmässigen Begehung und werde damit durch ein täterbezogenes Element bestimmt, nicht durch die Gefährlichkeit der Tat. Das öffentliche Interesse an der Aufklärung sei daher bei allein durch die Gewerbsmässigkeit qualifiziertem Handel mit weichen Drogen weniger gross als bei mengenmässig qualifiziertem Handel mit harten Drogen. Das trifft zwar zu, ändert aber nichts daran, dass der Gesetzgeber auch den gewerbsmässigen Handel weicher Drogen mit grossem Umsatz oder erheblichem Gewinn als qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinn von dessen Art. 19 Ziff. 2 einstuft. Und er hat auch diese Tatbestandsvariante in den Ausnahmekatalog aufgenommen, obwohl ihm bewusst gewesen sein musste, dass nach langjähriger, konstanter Gerichtspraxis auch der qualifizierte Handel mit weichen Drogen unter diese Bestimmung fällt.
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2.3.3. Es bedarf bei dieser Ausgangslage eines namhaften öffentlichen Interesses an der Berichterstattung, um ausnahmsweise dem Quellenschutz den Vorrang einzuräumen. Die Beschwerdegegnerin bringt keine Umstände vor, die dem Schutz ihrer Quelle eine besondere, erhöhte Bedeutung zukommen lassen könnten. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn sie mit der Aussage des Drogenhändlers schwere Missstände in Politik, Wirtschaft oder öffentlicher Verwaltung aufgedeckt hätte. Davon kann keine Rede sein. Der Beschwerdegegnerin ging es im Wesentlichen um die Darstellung der Basler Canabisszene. Sie illustriert deren Funktionsweise mit den Aussagen von "Roland", der dabei eine Plattform erhält, den von ihm betriebenen Drogenhandel verharmlosend als quasi "normales" Gewerbe unter Kollegen darzustellen, mit dem sich ohne grosses Risiko und ohne grossen Aufwand ein erklecklicher Verdienst erzielen lässt. Auch dieser Artikel steht selbstredend unter dem Schutz der Pressefreiheit, und die Beschwerdegegnerin könnte nicht gezwungen werden, ihre Quelle preiszugeben, wenn "Roland" mit seinem Drogenhandel die vom Bundesgericht für die Annahme des qualifizierten Falles festgelegte Umsatz- und Gewinnschwelle nicht überschritten hätte (Art. 28a Abs. 1 StGB, Art. 172 Abs. 1 StPO). Eine besondere, den Regelfall übersteigende Bedeutung kommt dem Quellenschutz unter den vorliegenden Umständen hingegen nicht zu.
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2.3.4. Damit ergibt sich, dass vorliegend weder dem öffentlichen Strafverfolgungsinteresse noch dem entgegenstehenden Interesse der Beschwerdegegnerin an der Geheimhaltung ihrer Quelle eine besondere, erhöhte Bedeutung zukommt. Dementsprechend bleibt es bei der vom Gesetzgeber für diesen Regelfall vorgenommenen Interessenabwägung, dass das Strafverfolgungsinteresse in Bezug auf ein Verbrechen nach Art. 19 Ziff. 2 BetmG das entgegenstehende Interesse der Beschwerdegegnerin am Quellenschutz überwiegt. Der Appellationsgerichtspräsident hat damit Bundesrecht verletzt, indem er der Beschwerdegegnerin ein Zeugnisverweigerungsrecht zuerkannte und die Verfügung der Staatsanwaltschaft als unverhältnismässig aufhob. Die Rüge ist begründet.
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3. |
Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1.
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2.
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3.
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Lausanne, 31. Januar 2014
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Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Fonjallaz
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Der Gerichtsschreiber: Störi
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