BGer 1C_174/2013 |
BGer 1C_174/2013 vom 06.02.2014 |
{T 0/2}
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1C_174/2013, 1C_186/2013
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Urteil vom 6. Februar 2014 |
I. öffentlich-rechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
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Bundesrichter Merkli, Karlen,
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Gerichtsschreiber Dold.
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Verfahrensbeteiligte |
1C_174/2013
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Einwohnergemeinde Schaffhausen,
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Stadthaus, 8200 Schaffhausen,
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Beschwerdeführerin,
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handelnd durch den Stadtrat Schaffhausen,
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Stadthaus, 8200 Schaffhausen,
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gegen
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1. A.X.________ und B.X.________,
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2. Schweizer Heimatschutz,
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3. Z.________ AG, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gion Hendry,
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Beschwerdegegner,
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Planungs- und Naturschutzamt /
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Bauinspektorat des Kantons Schaffhausen, Beckenstube 11, 8200 Schaffhausen,
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Regierungsrat des Kantons Schaffhausen, Beckenstube 7, 8200 Schaffhausen,
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und
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1C_186/2013
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Z.________ AG,
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Beschwerdeführerin,
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vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gion Hendry,
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gegen
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1. Schweizer Heimatschutz, handelnd durch Heimatschutz Schaffhausen,
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2. A.X.________ und B.X.________,
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Stadtrat Schaffhausen, Stadthaus, 8200 Schaffhausen,
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Planungs- und Naturschutzamt /
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Bauinspektorat des Kantons Schaffhausen, Beckenstube 11, 8200 Schaffhausen,
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Regierungsrat des Kantons Schaffhausen, Beckenstube 7, 8200 Schaffhausen.
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Gegenstand
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Baubewilligung,
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Beschwerden gegen den Entscheid vom 28. Dezember 2012 des Obergerichts des
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Kantons Schaffhausen.
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Sachverhalt: |
A. |
B. |
B.a. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht vom 11. Februar 2013 beantragt die Einwohnergemeinde Schaffhausen, der Entscheid des Obergerichts sei aufzuheben und der Regierungsratsbeschluss zu bestätigen (Verfahren 1C_174/2013). Sie rügt eine Verletzung der Gemeindeautonomie.
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B.b. Mit Eingabe vom 13. Februar 2013 erhebt die Z.________ AG ebenfalls Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und stellt im Wesentlichen die gleichen Anträge wie die Einwohnergemeinde Schaffhausen (Verfahren 1C_186/2013). Sie macht geltend, der Entscheid des Obergerichts verstosse gegen das Willkürverbot.
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Erwägungen: |
1. |
1.1. Die vorliegenden Beschwerden richten sich gegen denselben Entscheid und hängen inhaltlich eng zusammen. Die Verfahren 1C_174/2013 und 1C_186/2013 sind deshalb zu vereinigen.
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1.2. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid über eine Baubewilligung. Dagegen steht grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Art. 82 ff. BGG).
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1.3. Die private Beschwerdeführerin hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und ist als Baugesuchstellerin vom angefochtenen Entscheid besonders betroffen. Sie ist gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde legitimiert.
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1.4. Die beschwerdeführende Gemeinde beruft sich auf ihre Autonomie (Art. 50 Abs. 1 BV) bei der Anwendung von Art. 21 der Bauordnung vom 10. Mai 2005 für die Stadt Schaffhausen (RSS 700.1; im Folgenden: BauO) und ist damit ohne Weiteres zur Beschwerde legitimiert. Es genügt hierfür, dass sie durch den angefochtenen Erlass in ihrer Stellung als Hoheitsträger berührt ist. Ob ihr die beanspruchte Autonomie tatsächlich zukommt, ist eine Frage der materiellen Beurteilung (BGE 135 I 43 E. 1.2 S. 45 mit Hinweisen).
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1.5. Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerden ist einzutreten.
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2. |
2.1. Die Einwohnergemeinde Schaffhausen begründet die Rüge der Verletzung ihrer Autonomie damit, dass das Obergericht in ihren Entscheidungsspielraum bei der Auslegung der die Gebäudehöhe und Geschosszahl regelnden Vorschrift von Art. 21 Abs. 1 lit. b BauO eingegriffen habe. Art. 21 BauO hat, soweit hier von Bedeutung, folgenden Wortlaut:
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Art. 21 (Gebäudehöhe, Geschosszahl)
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a) [...]
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b) Dachgeschosse gelten als Vollgeschoss, wenn
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- die Firsthöhe oder die Fläche der Giebelfassade grösser ist als bei einem symmetrischen Satteldach mit einer Dachneigung von 45° und einem Kniestock von 60 cm,
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- Dachaufbauten breiter sind als 1/3 der entsprechenden Fassade (vgl. Anhang 2 und 3).
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c) Eingeschossige Aufbauten auf Flachdächern (Attika) gelten als Vollgeschoss, wenn ihre Bruttogeschossfläche mehr als 50% der Vollgeschosse beträgt.
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2.2. Die Bundesverfassung gewährleistet die Gemeindeautonomie nach Massgabe des kantonalen Rechts (Art. 50 Abs. 1 BV). Im Kanton Schaffhausen ist die Gemeindeautonomie in Art. 105 KV/SH (SR 131.223) verankert. Danach sind die Gemeinden im Rahmen von Verfassung und Gesetz befugt, sich selbst zu organisieren, ihre Behörden zu wählen, ihre Aufgaben nach eigenem Ermessen zu erfüllen, die erforderlichen Abgaben zu erheben und ihre öffentlichen Sachen selbständig zu verwalten.
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2.3. Gemäss Art. 7 Abs. 1 des Gesetzes vom 1. Dezember 1997 über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht im Kanton Schaffhausen (Baugesetz; SHR 700.100) können die Gemeinden unter Vorbehalt der Baubegriffe und Messweisen gemäss dem Anhang zum Baugesetz und soweit es ein überwiegendes öffentliches Interesse erfordert, in den Bauordnungen Vorschriften über eine Reihe baurechtlicher Regelungsbereiche aufstellen. Dazu gehören unter anderem die Gesamthöhen und Geschosszahlen sowie die Gebäudelängen und -breiten (Ziff. 3), die Abstände zu anderen Gebäuden und zu den Grenzen privaten Grundeigentums (Ziff. 4) sowie die Höchst- und Mindestausnützung des Baugrundes (Ziff. 5).
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2.4. Besteht Autonomie, kann sich die Gemeinde dagegen zur Wehr setzen, dass eine kantonale Behörde im Rechtsmittelverfahren die den betreffenden Sachbereich ordnenden kommunalen, kantonalen oder bundesrechtlichen Normen falsch anwendet oder ihre Prüfungsbefugnis überschreitet. Die Gemeinden können in diesem Rahmen auch geltend machen, die kantonalen Instanzen hätten die Tragweite eines Grundrechts verkannt und dieses zu Unrecht als verletzt erachtet (BGE 128 I 3 E. 2b S. 9; zur Publ. vorgesehenes Urteil 2C_794/2012 vom 11. Juli 2013 E. 2.1; je mit Hinweisen).
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3. |
3.1. Die geplante Baute weist zwei Teile auf. Während sich der westliche Teil an die bestehende Häuserzeile fügt und wie diese ein längs verlaufendes Satteldach aufweist, ist das Satteldach im östlichen Teil, der die Häuserzeile abschliesst, um 90° gedreht. Das östliche Satteldach ist höher als das westliche und im Gegensatz zu diesem asymmetrisch ausgestaltet. Es steigt im Anschluss an den Westteil steil an, fällt dagegen auf der anderen Seite des Firsts mit einer Neigung von nur 10° ab. In diesem Bereich ist zudem eine Terrasse in der Form eines Dacheinschnitts vorgesehen.
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3.2. Das Obergericht führt aus, die beiden Gebäudeteile seien dort abzugrenzen, wo der dreigeschossige Westteil auf den viergeschossigen Ostteil treffe. Damit ergebe sich für den umstrittenen Ostteil eine Fassadenlänge von 25.5 m. Die Schmalseite dieses Teils messe am Ende der Häuserzeile 15.3 m, an der breitesten Stelle (beim Treppenhaus) 16.46 m. Der First des asymmetrischen Satteldachs stehe mithin quer zur Gebäudelängsseite.
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3.3. Mit weitgehend ähnlicher Begründung rügen die Beschwerdeführerinnen, das Obergericht habe Art. 21 Abs. 1 lit. b BauO willkürlich angewendet. Die Bestimmung, die zudem im Anhang 2 zur BauO illustriert werde, sei klar und weise auch keine Lücke auf. Das Obergericht habe eine Messweise angewendet, für die es im Gesetz keine Anhaltspunkte gebe. Wenn es argumentiere, damit liessen sich überdimensionierte Dächer verhindern, übersehe es, dass das Volumen einer Baute in der Bauordnung abschliessend auf andere Weise geregelt sei, nämlich insbesondere unter dem Titel der Ausnützungsziffer, der Gebäudeabmessungen und der Grenzabstände.
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3.4. Es trifft zu, wie dies das Obergericht festhält, dass die Ausrichtung des Firsts nach der Breitseite des Gebäudes ein grösseres Dachgeschoss ermöglicht. Ob dies nach der Konzeption des Gesetzes als unerwünscht oder als erlaubt zu qualifizieren ist, muss durch Auslegung der anwendbaren Norm ermittelt werden. Die Rechtslage im Kanton Zürich, welche sich in verschiedener Hinsicht von jener im Kanton Schaffhausen bzw. in der Stadt Schaffhausen unterscheidet, ist dabei nicht massgeblich.
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3.5. Im vorinstanzlichen Verfahren rügten die damaligen Beschwerdeführer auch die ungenügende städtebauliche Einordnung. Da das Obergericht die Baubewilligungen wegen Überschreiten der zulässigen Geschosszahl aufhob, setzte es sich mit dieser Frage nicht auseinander. Die Angelegenheit ist deshalb ans Obergericht zurückzuweisen, damit es die offen gebliebenen Punkte klärt und einen neuen Entscheid fällt.
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4. |
Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1.
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2.
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3.
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4.
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5.
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Lausanne, 6. Februar 2014
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Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Fonjallaz
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Der Gerichtsschreiber: Dold
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