Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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{T 0/2}
2C_512/2013
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Urteil vom 17. Februar 2014
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Donzallaz, Kneubühler,
Gerichtsschreiberin Hänni.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Peter Nideröst,
gegen
Migrationsamt des Kantons Zürich,
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich.
Gegenstand
Niederlassungsbewilligung und Wegweisung,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2. Kammer, vom 17. April 2013.
Sachverhalt:
A.
X.________ (geb. 27. April 1978) stammt aus dem Kosovo. Er reiste am 28. Januar 1991 im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz ein und erhielt in der Folge eine Niederlassungsbewilligung zum Verbleib bei seinen Eltern.
B.
Während seines Aufenthalts in der Schweiz erwirkte X.________ verschiedene strafrechtliche Verurteilungen. Mit Urteil und Beschluss des Bezirksgerichts Zürich vom 22. Januar 2003 wurde er unter anderem wegen betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage, mehrfachen Diebstahls, mehrfacher Sachbeschädigung und mehrfacher Hehlerei mit acht Monaten Gefängnis bedingt unter Ansetzung einer Probezeit von drei Jahren bestraft. Am 24. November 2005 wurde er unter anderem wegen banden- und gewerbsmässigen, teilweise versuchten Diebstahls zu zwölf Monaten Gefängnis unter Ansetzung einer Probezeit von vier Jahren verurteilt. Am 29. April 2003 und 10. März 2006 verwarnte die Ausländerbehörde X.________. Am 19. August 2008 wurde X.________ in Österreich verhaftet. Am 14. November 2008 verurteilte ihn das Landgericht Korneuburg wegen Verbrechens des Suchtgifthandels zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren. Am 19. November 2010 wurde er aus dem Strafvollzug in Österreich entlassen. Mit Verfügung vom 5. März 2012 stellte das Migrationsamt fest, dass die Niederlassungsbewilligung von X.________ erloschen sei, und wies ihn aus der Schweiz weg.
C.
Einen hiergegen gerichteten Rekurs wies die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich am 23. November 2012 ab. Die gegen den Entscheid der Sicherheitsdirektion erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 17. April 2013 ab.
D.
Mit Eingabe vom 3. Juni 2013 erhebt X.________ Beschwerde beim Bundesgericht und beantragt, es sei das Urteil vom 17. April 2013 aufzuheben. Ihm sei eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen; eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich hat darauf verzichtet, sich vernehmen zu lassen. Das Verwaltungsgericht beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Migration beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Mit Verfügung vom 7. Juni 2013 hat der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde antragsgemäss aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Erwägungen:
1.
1.1. Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen ausgeschlossen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Gegen Entscheide über den Widerruf oder die Feststellung des Erlöschens einer Niederlassungsbewilligung ist die Beschwerde jedoch zulässig, weil grundsätzlich ein Anspruch auf das Fortbestehen dieser Bewilligung gegeben ist (BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4).
1.2. Das Bundesgericht ist an die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz gebunden, soweit sie sich nicht als offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich erweisen oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen ( Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG ; vgl. BGE 137 I 58 E. 4.1.2 S. 62; 133 II 249 E. 1.2.2 S. 252; 133 III 393 E. 7.1 S. 398). Zudem ist vom Beschwerdeführer aufzuzeigen, dass die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG).
2.
Verlässt eine niederlassungsberechtigte Person die Schweiz, ohne sich abzumelden, erlischt die Niederlassungsbewilligung nach sechs Monaten (Art. 61 Abs. 2 Satz 1 AuG). Auf Gesuch hin kann die Niederlassungsbewilligung während vier Jahren aufrechterhalten werden (Art. 61 Abs. 2 Satz 2 AuG). Nach konstanter Rechtsprechung kommt es für das Erlöschen weder auf die Motive der Landesabwesenheit noch auf die Absichten des Betroffenen an (Urteile 2C_397/2011 vom 10. Oktober 2011 E. 3.2.2; 2C_980/2010 vom 21. Juni 2011 E. 2.1; 2C_853/2010 vom 22. März 2011 E. 5.1; je mit Hinweisen), sodass namentlich auch eine Inhaftierung im Ausland diese Konsequenz nach sich ziehen kann (Urteile 2C_461/2012 vom 7. November 2012 E. 2.4.1; 2A.633/2006 vom 26. Januar 2007 E. 3.1; 2A.14/2004 vom 4. Juni 2004 E. 2.1; 2A.308/2001 vom 15. November 2001 E. 3a; je mit Hinweisen).
Die Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers ist vorliegend unbestritten erloschen, nachdem er sich länger als sechs Monate im Strafvollzug in Österreich befand, ohne ein Gesuch um Aufrechterhaltung der Niederlassungsbewilligung zu stellen.
3.
Der Beschwerdeführer wohnt bei seinen Eltern, und seine Geschwister leben ebenfalls in der Schweiz. Für die Begründung seines Anspruchs auf ein Anwesenheitsrecht aus Art. 8 EMRK beruft er sich nicht - jedenfalls nicht in substanziierter Weise - auf die Beziehung zu seiner Familie, sondern vielmehr auf seine lange Anwesenheit in der Schweiz (22 Jahre). Er macht einen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung gestützt auf das Recht auf Achtung des Privatlebens geltend (Art. 8 Ziff. 1 EMRK bzw. Art. 13 Abs. 1 BV).
3.1. Nach der Rechtsprechung des EGMR bilden die sozialen Bindungen zwischen dem Einwanderer und der Gemeinschaft, in der dieser sein Leben und seinen Platz gefunden hat, Teil des Begriffs "Privatleben" im Sinne von Art. 8 EMRK (EGMR-Urteil
Vasquez gegen Schweiz vom 26. November 2013 [Nr. 1785/08] § 37), insbesondere bei jungen Erwachsenen, die im Aufnahmestaat aufgewachsen sind (Minh Son Nguyen, La protection de la vie privée et le droit des étrangers, in: Minh Son Nguyen [Hrsg.], Actualité du droit des étrangers, Jurisprudence et analyses, Bd. 1, 2013, S. 9 ff., dort S. 17 ff.). Die Konvention verschafft jedoch praxisgemäss keinen Anspruch auf Einreise und Aufenthalt oder auf einen besonderen Aufenthaltstitel (vgl. BGE 138 I 246 E. 3.2.1; 137 I 247 E. 4.1.1; 130 II 281 E. 3.1 S. 285 f.) und hindert die Konventionsstaaten nicht daran, die Anwesenheit auf ihrem Staatsgebiet zu regeln und den Aufenthalt ausländischer Personen unter Beachtung überwiegender Interessen gegebenenfalls auch wieder zu beenden (BGE 138 I 246 E. 3.2.1 mit Hinweisen; Urteil 2C_878/2013 vom 13. Februar 2014 E. 1.2). Für einen entsprechenden Anspruch auf Achtung des Privatlebens bedarf es nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung besonders intensiver, über eine normale Integration hinausgehender Bindungen gesellschaftlicher oder beruflicher Natur bzw. vertiefter sozialer Beziehungen zum ausserfamiliären bzw. ausserhäuslichen Bereich in der Schweiz. In der Regel genügen hierfür eine lange Anwesenheit und die damit verbundene normale Integration für sich nicht; ein entsprechender Rechtsanspruch setzt eine umfassende Interessen- und Rechtsgüterabwägung voraus (BGE 130 II 281 E. 3.2.1; 126 II 377 E. 2c S. 384 ff.; THOMAS HUGI YAR, Von Trennungen, Härtefällen und Delikten - Ausländerrechtliches rund um die Ehe- und Familiengemeinschaft, in: Achermann et al. [Hrsg.], Jahrbuch für Migrationsrecht, 2012/2013, 2013, S. 31 ff., dort S. 37 f. mit zahlreichen Hinweisen).
3.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, er verfüge über anspruchsbegründende soziale Beziehungen aufgrund seiner langen Anwesenheit in der Schweiz, und rügt eine unrichtige Interessenabwägung durch das Verwaltungsgericht. Insbesondere bringt er vor, die zwei Verurteilungen aus dem Zeitraum 2003 bis 2005 beruhten auf Straftaten, die er als junger Erwachsener begangen habe, die nun jedoch mehr als zehn Jahre zurücklägen. Im Übrigen sei ihm zugute zu halten, dass es sich bei den beiden Verurteilungen in der Schweiz im Wesentlichen um Vermögensdelikte handle. Der Verurteilung in Österreich aus dem Jahr 2008 läge die Vermittlung von nur 90 Gramm reinem Heroin zugrunde, was in der Schweiz zu einer deutlich geringeren Freiheitsstrafe geführt hätte. Seit fünf Jahren habe er sich zudem nichts mehr zuschulden kommen lassen.
3.2.1. Der zum Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils 35-jährige Beschwerdeführer hält sich (bei einer Landesabwesenheit ab Sommer 2008 bis gegen Ende 2010) seit über 20 Jahren in der Schweiz auf, kann jedoch keine vertiefte Integration aufweisen: Er lebte zwar mit seinen Eltern und hatte Kontakt mit seinen Geschwistern, seine Niederlassungsbewilligung war indes wegen längerer Landesabwesenheit spätestens im Februar 2009 erloschen, was mit der Verfügung des Migrationsamtes vom 5. März 2012 bloss noch festzustellen war. In den Jahren 2003 und 2005 wurde er wegen diverser Vermögensdelikte und Hausfriedensbruchs zu acht bzw. zwölf Monaten Gefängnis verurteilt. In den Jahren 2003 und 2006 war er ausländerrechtlich verwarnt worden. Dass die letzte Verurteilung aus dem Jahr 2008 zu vier Jahren Freiheitsstrafe im Ausland erfolgte, mindert das ausländerrechtliche Verschulden des Beschwerdeführers nicht, da vergleichbare Betäubungsmitteldelikte auch in der Schweiz als Verbrechen oder Vergehen geahndet werden und ausserdem die Einhaltung der rechtsstaatlichen Verfahrensgrundsätze und Verteidigungsrechte in Österreich als gesichert gelten können (vgl. Urteile 2C_220/2012 vom 5. September 2012 E. 2.1; 2C_339/2012 vom 10. Juli 2012 E. 2.3.1; 2C_264/2011 vom 15. November 2011 E. 3.3; vgl. auch BGE 134 II 25 E. 4.3.1 S. 29). Selbst wenn die Strafe in der Schweiz etwas geringfügiger ausgefallen wäre (vgl. die Strafandrohung in Art. 19 Abs. 1 und 2 BetmG [SR 812.121]), hätte sie ausländerrechtlich grundsätzlich dieselbe Relevanz und würde für sich bereits (unter dem Vorbehalt der Verhältnismässigkeit) einen Widerrufsgrund darstellen (Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 lit. b AuG; BGE 135 II 377 E. 4.2 und 4.5 S. 379 ff.). Der Beschwerdeführer handelte weiter aus rein finanziellen Motiven, ohne selbst abhängig zu sein. Sodann vermögen die Hinweise auf das Wohlverhalten seit 2008 keine wesentliche Bedeutung zu erlagen, da der Beschwerdeführer bis Ende 2010 im Strafvollzug war, was angesichts der dort vorhandenen, verhältnismässig engmaschigen Betreuung keine verlässlichen Rückschlüsse auf das Verhalten in Freiheit zulässt (vgl. Urteile 2C_125/2010 vom 28. Oktober 2010 E. 3.4; 2C_331/2010 vom 16. September 2010 E. 3.3).
3.2.2. Auch in beruflicher, sozialer und finanzieller Hinsicht kann der Beschwerdeführer nicht als in besonderer Weise in die schweizerischen Verhältnisse integriert gelten: Er kam zwar bereits im Alter von noch nicht 13 Jahren in die Schweiz und hat einen Grossteil seines Lebens hier verbracht. Gemäss den für das Bundesgericht verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz war er als Autospengler angelernt worden, jedoch immer wieder arbeitslos. Seit Mitte 2011 arbeitete er als Servicemitarbeiter. Der Beschwerdeführer macht weder geltend, in der Schweiz in einer Partnerschaft zu leben, noch Kinder zu haben; aus den Akten ergeben sich auch keine spezifischen ausserberuflichen Aktivitäten. Demgegenüber war er offenbar zwischenzeitlich mit einer Landsfrau verheiratet und hat, wie aus dem Strafurteil hervorgeht, immer wieder Kontakte zu seiner Heimat gepflegt. Er ist mit Sprache und Kultur seines Herkunftslands nach wie vor vertraut. Es wird von ihm nicht substanziiert, inwiefern eine erneute Integration in die dortigen Verhältnissen unzumutbar wäre (vgl. BGE 137 II 345 E. 3.2.3 S. 350). Zwar sind - wie auch die Vorinstanz ausgeführt hat - die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in der Schweiz nicht unbedeutend; sie vermögen jedoch das gewichtige öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts aufgrund der wiederholten Delinquenz nicht zu überwiegen. Die Vorinstanz hat eine anspruchsbegründende Integration des Beschwerdeführers und damit ein eigenständiges Anwesenheitsrecht gestützt auf Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 Abs. 1 BV ohne Verletzung von Bundesrecht (Art. 95 BGG) verneint.
4.
Demnach erweist sich die Nichterteilung der Aufenthaltsbewilligung als gesetzes- und konventionskonform. Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 und Art. 65 BGG ). Auf die Zusprechung einer Parteientschädigung besteht kein Anspruch (Art. 68 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Kammer, und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 17. Februar 2014
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Zünd
Die Gerichtsschreiberin: Hänni