BGer 6B_484/2013
 
BGer 6B_484/2013 vom 03.03.2014
{T 0/2}
6B_484/2013
 
Urteil vom 3. März 2014
 
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Denys, Oberholzer,
Gerichtsschreiber Faga.
 
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Steiner,
Beschwerdeführer,
gegen
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren, Verletzung des rechtlichen Gehörs; Strafzumessung,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 11. Februar 2013.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
B.
 
C.
 
Erwägungen:
 
1.
 
2.
3. 
3.1. Zur Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs bringt der Beschwerdeführer vor, er sei von den Untersuchungsbehörden in unverantwortlicher und illegaler Weise als "Werkzeug" respektive "Fahndungsinstrument" eingesetzt worden. Die Vorinstanz habe sich mit der Frage nach der Zulässigkeit eines solchen Vorgehens nicht auseinandergesetzt. Ebenso wenig sei sie auf sein Vorbringen eingegangen, wonach sein Heroinhandel aus ermittlungstechnischen Gründen gewährt worden sei und dies den Absatz von mindestens 15 Kilogramm Heroin ermöglicht habe. Dieser Umstand hätte dem Gefährdungspotenzial für die Bevölkerung gegenübergestellt werden müssen. Schliesslich habe die Vorinstanz nicht thematisiert, dass die Anklagekammer des Zürcher Obergerichts über "diese ganze Aktion" im Unklaren gelassen worden sei (Beschwerde S. 7 f., 16 und 20).
3.2. Die Begründungspflicht ist nicht verletzt (vgl. zum in Art. 29 Abs. 2 BV gewährleisteten Anspruch auf rechtliches Gehör: BGE 138 I 232 E. 5.1 S. 237 mit Hinweisen). Die Vorinstanz hat sich entgegen dem Dafürhalten des Beschwerdeführers mit dessen Vorbringen rechtsgenügend auseinandergesetzt. Sie verwirft seine Darstellung einer Instrumentalisierung durch die Strafverfolgungsbehörden (Entscheid S. 11), beleuchtet, weshalb diese mit der Verhaftung zuwartete, den Beschwerdeführer gewähren liess und damit die Beschlagnahmung von 100 Kilogramm Heroin beim Hintermann des Beschwerdeführers ermöglichte (Entscheid S. 9 f.) und bezeichnet schliesslich die behauptete Vorenthaltung von Informationen gegenüber der Anklagekammer als aktenwidrig (Entscheid S. 13 f.). Insgesamt ermöglicht die vorinstanzliche Begründung den Prozessparteien, sich über die Tragweite des Entscheids ein Bild zu machen und diesen gegebenenfalls sachgerecht anzufechten. Dies war dem Beschwerdeführer denn auch möglich, und Gegenteiliges wird von ihm nicht vorgebracht.
4. 
4.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf ein gerechtes Verfahren (Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK). Er bringt vor, die Behörden hätten am 20. Mai 2009 gewusst, dass er zum besagten Zeitpunkt bereits mit rund fünf Kilogramm Heroin gehandelt hatte. Gleichwohl hätten sie ihn weiterhin lediglich observiert und seine deliktische Tätigkeit nicht unterbunden. Damit sei der Heroinhandel mit Wissen und Willen und unter dem besonderen Schutz der Staatsanwaltschaft erfolgt. Der Beschwerdeführer zieht verschiedene, teilweise absurde Schlüsse (etwa, sein florierender Betäubungsmittelhandel sei das "Produkt einer von den Ermittlungsbehörden inszenierten Nachfrage"). Darauf muss nicht näher eingegangen werden. Er hält dafür, letztendlich von den Strafverfolgungsbehörden als V-Mann und agent provocateur eingesetzt worden zu sein.
4.2. Der Beschwerdeführer hatte auf dem Lüftungsschacht in der Tiefgarage einen Drogenbunker eingerichtet. Das Versteck wurde von den observierenden Polizisten am 10. Juni 2009 entdeckt (Entscheid S. 10, erstinstanzliches Urteil S. 5 und 10, vorinstanzliche Akten act. 8/15 S. 14). Dem Beschwerdeführer, der die besagte Feststellung als aktenwidrig beanstandet, kann nicht gefolgt werden. Sein blosser Hinweis auf die Anklageschrift vermag die behauptete Aktenwidrigkeit nicht darzutun. Es ist nicht nachvollziehbar, inwiefern die Anklageschrift diesbezüglich relevant sein sollte. Dass es im Rahmen der Observation gelang, das Aufsuchen der Tiefgarage zeitlich exakt zu bestimmen, dürfte mit der Standortermittlung des Fahrzeugs (ab 7. Mai 2009) zusammenhängen. Zweifelsohne lässt sich nicht bereits deshalb der Schluss ziehen, dass die Existenz und die Lage des Drogenbunkers über dem Lüftungsschacht bereits bekannt waren. Auch die Videoüberwachung der Tiefgarage erfolgte erst ab 9. Juli 2009. Es kann aus diesen Gründen nicht gesagt werden, die Anklageschrift belege einen früheren Fund des Bunkers (vgl. zudem die Anklageziffern 3.10 ff., wonach erst ab 10. Juni 2009 exakt festgehalten werden konnte, wie viele Halbkiloblöcke jeweils im Versteck gelagert wurden).
4.3. Die Vorinstanz gelangt zusammengefasst zur Überzeugung, die Strafverfolgungsbehörden hätten ihr fahndungstaktisches Ermessen nicht überschritten. Um an die Hintermänner und nicht nur an Kleindealer und Kuriere zu gelangen, sei es unabdingbar, den Drogenhandel eine gewisse Zeit lang ohne einzugreifen zu beobachten. Es treffe entgegen dem Vorwurf der Verteidigung nicht zu, dass dem Drogenhandel des Beschwerdeführers während eines Jahres zugeschaut worden sei. Ab Kenntnis des Bunkerorts hätten die polizeilichen Ermittler noch während 2 ½ Wochen die Tätigkeit des Beschwerdeführers verfolgt, bevor dieser unerwartet eine halbjährige Pause eingelegt habe. Nach der Entgegennahme von 10 Kilogramm Heroingemisch im Februar 2010 sei er im März 2010 verhaftet worden, bevor die Drogen in Umlauf gebracht worden seien. Die Vorinstanz legt zudem unter Hinweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung dar, dass es keinen Anspruch des Täters gibt, verhaftet zu werden (Entscheid S. 9 ff.).
4.4. Diese vorinstanzlichen Erwägungen, die mit dem erstinstanzlichen Standpunkt übereinstimmen (erstinstanzlicher Entscheid S. 10 ff.), sind nicht zu beanstanden. Um Wiederholungen zu vermeiden, kann darauf verwiesen werden. Die Argumentation des Beschwerdeführers einer zu späten Arretierung fusst zu einem wesentlichen Umfang auf der unzutreffenden Behauptung, der Inhalt des Drogenverstecks sei bereits ab Mai 2009 fast täglich kontrolliert worden. Ob die Strafverfolgungsbehörden das Ziel ihrer Ermittlungen erreichen, steht mit der Vorinstanz selbstredend nie fest. Im konkreten Fall ist zu bemerken, dass durch das Zuwarten insbesondere Y.________ als Hintermann des Beschwerdeführers überführt und 100 Kilogramm Heroin beschlagnahmt werden konnten. Wie gleichwohl argumentiert werden kann, der "Erfolg dieser Aktion war effektiv bescheiden" (Beschwerde S. 18), bleibt das Geheimnis der Verteidigung.
5. 
5.1. Die Staatsanwaltschaft beauftragte am 20. März 2009 die Stadtpolizei Zürich mit einer verdeckten Durchsuchung der vom Beschwerdeführer gemieteten Wohnung. Ebenso wurde am 16. Juni 2009 eine verdeckte Durchsuchung der vom Beschwerdeführer am selben Ort gemieteten Tiefgarage angeordnet. Die Hausdurchsuchungsbefehle ergingen gestützt auf § 88 ff. des Gesetzes des Kantons Zürich vom 4. Mai 1919 betreffend den Strafprozess (StPO/ZH; LS 321; aufgehoben per 1. Januar 2011). Die erste Instanz, auf deren Erwägungen die Vorinstanz einleitend verweist, gelangt zur Überzeugung, dass sich der Drogenbunker nicht auf der vom Beschwerdeführer gemieteten Fläche befand. Die Durchsuchungen der Tiefgarage erfolgten mit der Zustimmung des Hauseigentümers und setzten mithin keinen Durchsuchungsbefehl voraus. Die erste Instanz legt im Rahmen einer Eventualbegründung dar, dass die mehrfachen Durchsuchungen der Tiefgarage im Juni 2009 gestützt auf § 89 aStPO/ZH, der eine Ordnungsvorschrift darstellt, rechtmässig erfolgten und der Befehl vom 16. Juni 2009 genügte. Im Übrigen hält sie fest, dass die so beschafften Beweise trotz Abwesenheit des Beschwerdeführers gemäss § 95 aStPO/ZH verwertbar sind und die Genehmigung der Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Zürich nicht nötig war. Die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 20. Juni 2003 über die verdeckte Ermittlung (aBVE; SR 312.8; aufgehoben per 1. Januar 2011) und des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF; SR 780.1) seien betreffend die Genehmigung nicht einschlägig. Zudem hat die Anklagekammer, so die Vorinstanz, in verschiedenen Verfügungen festgehalten, von den Hausdurchsuchungen Kenntnis gehabt zu haben (Entscheid S. 8 f. und 11 ff.; vgl. vorinstanzliche Akten act. 8/15 S. 11 f.).
5.2. Die Hausdurchsuchungen wie auch der Einsatz technischer Überwachungsmassnahmen erfolgten ab Februar 2009 bis März 2010. Auf sie gelangen das frühere kantonale Prozessrecht (StPO/ZH) und die damalige Fassung des BÜPF zur Anwendung (§ 104 Abs. 2 aStPO/ZH; vgl. Art. 448 StPO).
 
6.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
3. Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 3. März 2014
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Mathys
Der Gerichtsschreiber: Faga