BGer 5A_910/2013
 
BGer 5A_910/2013 vom 06.03.2014
{T 0/2}
5A_910/2013
 
Urteil vom 6. März 2014
 
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichterin Hohl, Bundesrichter Schöbi,
Gerichtsschreiberin Friedli-Bruggmann.
 
Verfahrensbeteiligte
1. X.________,
2. Y.________,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christoph Bertisch,
Beschwerdeführerinnen,
gegen
A.________, Kreisgericht Wil,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Ausstand (Erbteilung),
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Einzelrichterin im Personen-, Erb- und Sachenrecht, vom 25. Oktober 2013.
 
Sachverhalt:
A. Zwischen X.________, Y.________ und Z.________ einerseits (als Beklagte) und den weiteren Erben ihres verstorbenen Vaters anderseits (als Kläger: die Ehefrau des Verstorbenen sowie zwei Kinder der Ehefrau aus früherer Ehe) ist ein Erbteilungsverfahren vor dem Kreisgericht Wil/SG hängig. Seit Beginn des Verfahrens im Dezember 2010 ist Kreisrichter A.________ für den Fall zuständig. Am 8. März 2013 fand die Hauptverhandlung statt.
 
B.
B.a. Am 13. März 2013 verlangten X.________ und Y.________, A.________ habe in den Ausstand zu treten. Gleichzeitig reichten sie eine nachträgliche Stellungnahme zum Vortrag von Z.________ an der Hauptverhandlung ein. Sie beantragten, der Erbteilungsprozess sei zu sistieren, bis rechtskräftig über das Ausstandsgesuch entschieden sei.
B.b. A.________ und die Kläger des Hauptverfahrens beantragten die Abweisung des Ausstandsbegehrens. Der als Einziger in der Angelegenheit nicht anwaltlich vertretene Z.________ äusserte sich zustimmend und ergänzend, ohne jedoch eigene Anträge zu stellen.
B.c. Mit Entscheid vom 21. Mai 2013 wies der Präsident des Kreisgerichts Wil das Ausstandsbegehren ab.
 
C.
C.a. X.________ und Y.________ liessen den Entscheid mit Beschwerde vom 3. Juni 2013 an das Kantonsgericht St. Gallen weiterziehen. Sie beantragten, der Entscheid des Kreisgerichtspräsidenten sei aufzuheben. A.________ habe in den Ausstand zu treten. Der Kreisgerichtspräsident sei ebenfalls für befangen zu erklären. Sodann verlangten sie aufschiebende Wirkung und ihnen sei eine Nachfrist von 20 Tagen zur Begründung ihrer Beschwerde zu gewähren.
C.b. Die Kläger des Hauptverfahrens schlossen auf Abweisung. Z.________ verzichtete auf eine Stellungnahme zur Beschwerde, äusserte sich aber zur Vernehmlassung der Kläger. Anträge stellte er keine.
C.c. Mit Entscheid vom 25. Oktober 2013 wies das Kantonsgericht St. Gallen die Beschwerde - unter Hinweis darauf, dass angesichts der gesetzlichen Beschwerdefrist keine Nachfrist zur "Nachreichung einer (noch weitergehenden) Begründung" zu gewähren gewesen sei - ab. Die Gerichtskosten auferlegte es X.________ und Y.________ und es verpflichtete diese, den Klägern eine Parteikostenentschädigung von Fr. 1'400.-- zu bezahlen.
 
D.
D.a. Hiergegen gelangen X.________ und Y.________ (Beschwerdeführerinnen) an das Bundesgericht. Sie verlangen die Aufhebung des Entscheides des Kantonsgerichts. Kreisrichter A.________ habe in den Ausstand zu treten und nicht mehr im Erbteilungsprozess zu amten. Ihrer Beschwerde sei aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens seien A.________ (Beschwerdegegner), den Klägern des Hauptverfahrens sowie Z.________, eventualiter der Staatskasse aufzuerlegen.
D.b. Sowohl A.________ als auch das Kantonsgericht verzichteten auf eine Stellungnahme zur aufschiebenden Wirkung.
D.c. Mit Verfügung vom 9. Januar 2014 hat der Präsident der II. zivilrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts das Gesuch der Beschwerdeführerinnen um aufschiebende Wirkung gutgeheissen.
D.d. In der Sache hat das Bundesgericht die Akten, aber keine Vernehmlassungen eingeholt.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Angefochten ist binnen Frist der selbständig eröffnete Zwischenentscheid über den Ausstand einer Gerichtsperson (Art. 92 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1 BGG). Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg demjenigen der Hauptsache (BGE 137 III 380 E. 1.1 S. 382). Hier hat das Verfahren in der Hauptsache eine Erbteilung zum Gegenstand, d.h. eine Zivilsache im Sinne von Art. 72 Abs. 1 BGG vermögensrechtlicher Natur (BGE 127 III 396 E. 1b/cc S. 398, zuletzt Urteil 5A_416/2013 vom 26. Juli 2013 E. 1.3), deren Streitwert den gesetzlichen Mindestbetrag von Fr. 30'000.-- übersteigt (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Das Urteil ist kantonal letztinstanzlich (Art. 75 BGG) und lautet zum Nachteil der Beschwerdeführerinnen, so dass sich die Beschwerde in Zivilsachen als zulässiges Rechtsmittel erweist.
1.2. Mit Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet grundsätzlich das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Geht es indes, wie hier (vgl. nachfolgend E. 2, E. 5.1), um die Anwendung von kantonalem Recht und um die Verletzung von Grundrechten, gilt eine qualifizierte Rügepflicht. Eine solche Rüge prüft das Bundesgericht nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2BGG; BGE 135 III 397 E. 1.4 in fine S. 400 f. ).
1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Diesbezüglich kann einzig vorgebracht werden, er sei offensichtlich unrichtig festgestellt worden oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.2.2 S. 252). Es gelten strenge Anforderungen an die Beschwerdebegründung (Rügeprinzip; vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 139 I 72 E. 9.2.3.6 S. 96; 133 II 249 E. 1.4.2 f. S. 254 f.).
2. Das Kantonsgericht hielt fest, dass das Hauptverfahren, welches noch vor Inkrafttreten der ZPO eingeleitet worden war, dem bisherigen kantonalen Recht unterstehe, entsprechend folge auch das erstinstanzliche Verfahren betreffend den Ausstand dem früheren kantonalen Recht. Die Überprüfung erfolgte im Lichte der kantonalen Ausstands- (Art. 55 f. altes Gerichtsgesetz; aGerG) und Verfahrensbestimmungen (St. Gallisches Zivilprozessgesetz; ZPO/SG). Im Übrigen stützte sich die Vorinstanz in Anwendung von Art. 405 Abs. 1 ZPO auf das Beschwerdeverfahrensrecht gemäss Schweizerischer ZPO.
3. Die Besch werdeführerinnen rügen vorab, die Vorinstanz habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 29 Abs. 2 BV) sowie Treu und Glauben verletzt, indem ihnen gemäss Rechtsmittelbelehrung der ersten Instanz nur eine Beschwerdefrist von 10 anstatt von 30 Tagen eingeräumt worden sei, was das Kantonsgericht geschützt habe. Die Vorinstanzen seien dabei von der falschen Annahme ausgegangen, dass der Entscheid über den Ausstand eine prozessleitende Verfügung im Sinne von Art. 321 Abs. 2 ZPO darstelle. Es handle sich aber um einen "anderen erstinstanzlichen Entscheid" (Art. 319 lit. b ZPO), auf welchen Mangels Nennung in Art. 321 Abs. 2 ZPO - und da der Ausstandsentscheid auch nicht in einem summarischen Verfahren ergehe - eine Frist von 30 Tagen zur Anwendung komme. Das Bundesgericht spreche gar von einem Zwischenentscheid; solche würden gemäss ZPO ebenfalls einer Beschwerdefrist von 30 Tagen unterstehen. Es handle sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG, welche zu klären sei.
4. Die Beschwerdeführerinnen kritisieren sodann, die Vorinstanz habe die Eintretensvoraussetzungen nicht geprüft resp. offen gelassen. Diese habe es nämlich unterlassen, verbindlich über die Rechtzeitigkeit des Ausstandsbegehrens zu befinden. Somit sei nicht klar, ob die Vorinstanz überhaupt auf die Beschwerde eingetreten sei. Sie hätten ihr Ausstandsgesuch rechtzeitig gestellt.
5. In der Sache werfen die Beschwerdeführerinnen den Vorinstanzen vor, die Parteilichkeit und Voreingenommenheit des von ihnen abgelehnten Richters verkannt und damit ihr Recht auf einen unabhängigen Richter gemäss Art. 30 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK verletzt zu haben.
5.1. Obwohl der angefochtene Entscheid in Anwendung kantonaler Ausstandsbestimmungen erging (vorstehend E. 2), rügen sie keine willkürliche Anwendung des kantonalen Rechts, womit dies nicht zu prüfen ist (Art. 106 Abs. 2 BG G; Urteil 4A_672/2011 vom 31. Januar 2012 E. 1.4, nicht publ. in: BGE 138 I 1; vgl. auch E. 1.2).
5.2. Die Beschwerdeführerinnen führen mehrere Argumente ins Feld, welche eine Befangenheit des Beschwerdegegners aufzeigen sollen. Dieser habe den Parteien an der Hauptverhandlung einen Vorschlag für eine Beweisvereinbarung vorgelegt und insofern Druck auf sie ausgeübt, als sie sofort hätten unterzeichnen sollen. Kern der Vereinbarung wäre gewesen, dass die Grundstücke des Erblassers sowohl per Todestag als auch per aktuell zu schätzen seien. Der Beschwerdegegner habe so einen Fehler der Kläger "flicken" wollen, welche vergessen hätten, eine Bewertung per aktuell zu beantragen. Er habe zugunsten der Kläger die Novenproblematik umgehen wollen. Die Vereinbarung mache nur für die Gegenseite Sinn. Zudem sei diese mit dem gegnerischen Anwalt abgesprochen worden; in diesem Zusammenhang habe der Beschwerdegegner weiter die Protokollierungspflicht und damit ihr rechtliches Gehör verletzt, was wiederum die Voreingenommenheit des Richters aufzeige.
5.3. Zu guter Letzt werfen die Beschwerdeführerinnen dem Beschwerdegegner eine übermässige Prozessbeschleunigung vor. Dieser habe die Hauptverhandlung überhastet und zu früh angesetzt. Dies erstens in Benachteiligungsabsicht gegenüber den Beschwerdeführerinnen, da er ihnen damit habe das Novenrecht abschneiden wollen. Zweitens habe der Richter ein Eigeninteresse an der schnellstmöglichen Ansetzung gehabt, da er nämlich mit einer Rechtsverzögerungsbeschwerde der Kläger konfrontiert gewesen sei. Es sei erstellt, dass der Sachverhalt noch unvollständig sei, so sei eine Überprüfung der Buchhaltung eines früheren Erbenvertreters noch nicht abgeschlossen.
5.4. Zusammengefasst haben die Vorinstanzen kein Bundesrecht verletzt, wenn sie das Vorliegen eines Ausstandsgrunds verneinten. Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
6. Bei diesem Ausgang des Verfahrens haben die Beschwerdeführerinnen für die Gerichtskosten aufzukommen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie tragen die Kosten zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftbarkeit (Art. 66 Abs. 5 BGG). Dem Beschwerdegegner sind keine entschädigungspflichtigen Auslagen entstanden (Art. 68 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden den Beschwerdeführerinnen unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt.
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kreisgericht Wil und dem Kantonsgericht St. Gallen, Einzelrichterin im Personen-, Erb- und Sachenrecht, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 6. März 2014
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: von Werdt
Die Gerichtsschreiberin: Friedli-Bruggmann