BGer 9C_789/2013 |
BGer 9C_789/2013 vom 21.03.2014 |
{T 0/2}
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9C_789/2013
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Urteil vom 21. März 2014 |
II. sozialrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter Kernen, Präsident,
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Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino,
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Gerichtsschreiber Fessler.
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Verfahrensbeteiligte |
R.________,
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vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Romana Weber,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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IV-Stelle des Kantons Thurgau, Rechts- und Einsprachedienst,
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St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Invalidenversicherung (Invalidenrente),
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Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau
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vom 18. September 2013.
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Sachverhalt: |
A. R.________ meldete sich im November 2007 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Thurgau klärte die gesundheitlichen und erwerblichen Verhältnisse ab, zu welchem Zweck sie u.a. den Versicherten polydisziplinär untersuchen und begutachten liess (Expertise der MEDAS vom 12. Juli 2012 mit Ergänzungsbericht vom 24. Oktober 2012). Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren verneinte sie mit Verfügung vom 25. April 2013 den Anspruch auf berufliche Massnahmen (Berufsberatung und Umschulung). Mit Verfügung vom selben Tag sprach die IV-Stelle R.________ für die Zeit vom 1. September 2007 bis 31. Juli 2012 eine ganze Invalidenrente zu.
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B. Die Beschwerde des R.________ mit dem hauptsächlichen Antrag, es sei ihm auch für die Zeit ab 1. August 2012 und weiterhin eine ganze Invalidenrente auszurichten, wies das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau als Versicherungsgericht mit Entscheid vom 18. September 2013 ab.
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C. R.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 18. September 2013 sei aufzuheben und ihm auch für die Zeit ab 1. August 2012 weiterhin die gesetzlichen Leistungen zu erbringen; eventualiter sei die IV-Stelle anzuweisen, weitere Abklärungen vorzunehmen.
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Die IV-Stelle beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen hat sich nicht vernehmen lassen. Das Amt für AHV und IV reicht am 21. November 2013 einen Bericht des Spitals X.________ vom 5. November 2013 ein.
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Erwägungen: |
1. Die vorinstanzliche Invaliditätsbemessung (durch Einkommensvergleich; Art. 16 ATSG i.V.m. Art. 28a Abs. 1 IVG), welche für die Zeit ab der Begutachtung durch die MEDAS vom 24./25. April 2012 einen nicht anspruchsbegründenden Invaliditätsgrad von höchstens 37 % ergab (Art. 28 Abs. 2 IVG), beruht auf der Einschätzung der Arbeitsfähigkeit der Medizinischen Abklärungsstelle im Ergänzungsbericht vom 24. Oktober 2012. Danach besteht in einer adaptierten Tätigkeit eine Arbeitsfähigkeit von 100 % mit einer aufgrund eines erhöhten Pausen- und Zeitbedarfs um 20 % eingeschränkten Leistungsfähigkeit. Im Gutachten vom 12. Juli 2012 war bei gleichen Befunden, Diagnosen und nämlichem Anforderungsprofil eine "50 %-ige Leistung bei 100 %-iger Präsenz" attestiert worden.
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2. Der Beschwerdeführer rügt hauptsächlich, es verletze den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG), dem Gutachten vom 12. Juli 2012 grundsätzlich Beweiswert zuzuerkennen (vgl. BGE 125 V 351 E. 3a S. 352), soweit die Arbeitsfähigkeit betreffend der Expertise jedoch die Beweiskraft abzusprechen und diesbezüglich auf den Ergänzungsbericht vom 24. Oktober 2012 abzustellen.
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3. |
3.1. Anlass für die erneute Einschätzung der Arbeitsfähigkeit war das Schreiben des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) vom 25. Juli 2012, worin auf Diskrepanzen und Inkonsistenzen zwischen dem rheumatologischen und psychiatrischen Gutachten hingewiesen und um Klärung verschiedener diesbezüglicher Fragen ersucht worden war. Die Experten hielten in ihrem Ergänzungsbericht vom 24. Oktober 2012 u.a. fest, dass zwischen den subjektiven geklagten Beschwerden und den objektiven somatischen Befunden Diskrepanzen bestünden, die im Gutachten vom 12. Juli 2012 nicht vollständig aufgeklärt worden seien. Es habe - sinngemäss - keine oder nur eine ungenügende Würdigung des Schmerzleidens stattgefunden. Grund sei, dass der Versicherte bei der Bewältigung seiner Schmerzerkrankung teilweise bis an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit gehe. Anderseits limitiere er sich auch wieder. Dieses schwankende Verhalten erschwere die Einschätzung. So habe er sich bei unterschiedlichen Gutachtern in verschiedenen Art und Weisen präsentiert.
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3.2. Aus dem Ergänzungsbericht vom 24. Oktober 2012 ergibt sich nicht, inwiefern die Beurteilung im Gutachten vom 12. Juli 2012 unrichtig und daher zu korrigieren war. Im Gegenteil wurde festgehalten, dass trotz aller Diskrepanzen ein behandlungswürdiges chronisches Schmerzerkrankungsbild vorliege, die Arbeitsfähigkeit in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit nach wie vor als aufgehoben angesehen werde und in einer adaptierten Tätigkeit gemäss dem in der Expertise beschriebenen Anforderungsprofil ein eingeschränktes Rendement bestehe. Der Neubeurteilung lagen sodann keine im Zeitpunkt der Begutachtung nicht bekannt gewesene Tatsachen zugrunde, etwa die Ergebnisse einer Observation, noch objektive medizinische Gesichtspunkte, die im Rahmen der Begutachtung unerkannt oder ungewürdigt geblieben waren (vgl. Urteil 9C_425/2013 vom 16. September 2013 E. 4.1). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die abschliessende, gesamthafte Beurteilung von Gesundheitszustand und Arbeitsfähigkeit im Gutachten vom 12. Juli 2012 auf der polydisziplinären Konferenz der beteiligten Fachärzte neurologischer, rheumatologischer und psychiatrisch-therapeutischer Fachrichtung beruhte, was ihr besonderes Gewicht verlieh (Urteil 9C_425/2013 vom 16. September 2013 E. 4.3.1 mit Hinweis). Dabei war es gemäss Ergänzungsbericht vom 24. Oktober 2012 zu einer zeitlich sehr ausgedehnten und unter den Gutachtern kontrovers geführten Diskussion gekommen. Es ist davon auszugehen, dass sämtliche relevanten Aspekte, insbesondere auch die erwähnten Diskrepanzen und Inkonsistenzen angesprochen und beurteilt worden waren, wie der Beschwerdeführer vorbringt. Schliesslich erfolgte die Neueinschätzung auch nicht in Auseinandersetzung mit den Ausführungen im Schreiben des RAD vom 25. Juli 2012.
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3.3. Es ist grundsätzlich zulässig, dass Gutachter auf entsprechende Rückfrage der IV-Stelle oder der versicherten Person klarstellen, wie bestimmte Aussagen in der Expertise zu verstehen sind, oder Feststellungen und Schlussfolgerungen, die nicht stimmen können, berichtigen, etwa wenn die Arbeitsfähigkeit gesamthaft (interdisziplinär) höher eingeschätzt wird als aus der Sicht nur einer beteiligten Fachrichtung. Ebenfalls darf den Sachverständigen aufgegeben werden, das Gutachten zu vervollständigen und sich mit weiteren Arztberichten vertiefter auseinanderzusetzen. Vorliegend geht es indessen um keinen der aufgezählten Tatbestände. Vielmehr nahmen die Gutachter der MEDAS eine Neubeurteilung der Arbeitsfähigkeit vor, ohne diese im Sinne der Darlegungen in E. 3.2 materiell nachvollziehbar zu begründen. Auch gemäss Vorinstanz erscheint die Begründung der korrigierten Einschätzung relativ knapp. Die im Verlaufsprotokoll wiedergegebenen Stellungnahmen des RAD vom 17. Juli und 23. November 2012 sowie vom 21. Januar 2013 vermögen den Mangel nicht aufzuwiegen, zumal sie nicht auf eigenen fachärztlichen Untersuchungen beruhen (vgl. Urteile 8C_971/2012 vom 11. Juni 2013 E. 3.2 und 9C_870/2010 vom 24. Januar 2011 E. 4.3).
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3.4. Auf die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit im Ergänzungsbericht vom 24. Oktober 2012 kann somit nicht abgestellt werden, ebenso nicht auf die Beurteilung im Gutachten vom 12. Juli 2012, da auch diesbezüglich Zweifel bestehen. Der angefochtene Entscheid beruht mithin auf einem ungenügend abgeklärten Sachverhalt bzw. auf unvollständiger Beweisgrundlage, was Bundesrecht verletzt (Art. 95 lit. a BGG; Urteil 8C_234/2013 vom 9. Oktober 2013 E. 3). Die Vorinstanz wird ein Gerichtsgutachten einzuholen haben (BGE 137 V 210) und danach neu entscheiden. Bei diesem Ergebnis braucht auf die Vorbringen in der Beschwerde zum vorinstanzlichen Einkommensvergleich nicht eingegangen zu werden.
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4. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 18. September 2013 wird aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
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3. Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'875.40 zu entschädigen.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, der Ausgleichskasse des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 21. März 2014
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Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Kernen
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Der Gerichtsschreiber: Fessler
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