Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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{T 0/2}
1B_106/2014
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Urteil vom 3. April 2014
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Eusebio,
Gerichtsschreiber Störi.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Uhlmann,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen.
Gegenstand
Untersuchungshaft,
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
des Kantons Schaffhausen vom 25. Februar 2014.
Sachverhalt:
A.
Y.________ erstattete am 3. Januar 2012 Strafanzeige gegen ihren Ex-Mann X.________ wegen massiver häuslicher Gewalt zwischen 2006 und 2011. Er soll sie in dieser Zeit häufig - etwa jeden zweiten oder dritten Tag - geboxt, getreten und gewürgt haben. Zudem habe er sie fast jede Nacht vergewaltigt, wobei er sofort zugeschlagen habe, wenn sie sich dem Geschlechtsverkehr habe widersetzen wollen. Weiter soll er sie und ihre Familie regelmässig mit dem Tod bedroht haben. Um seinen Drohungen Nachdruck zu verleihen, habe er jeweils ein Messer in die Hand genommen und der Ehefrau bzw. Ex-Ehefrau gesagt, es werde das Gleiche passieren wie im "Pfäffiker-Fall", bei welchem ein Kosovare seine getrennt lebende Ehefrau sowie die Leiterin des Sozialamtes erschoss. Y.________ sagte aus, sie habe sich zur Anzeige entschlossen, weil sich ihr Ex-Mann geweigert habe, nach der Scheidung 2011 die gemeinsame Wohnung zu verlassen; er habe ihr vielmehr gedroht, sie vorher umzubringen.
Am 23. Januar 2014 wurde X.________ erstmals von der Staatsanwältin einvernommen. Vor der Einvernahme hatte sich Y.________ bei dieser telefonisch gemeldet und mitgeteilt, dass sie Angst habe, weil X.________ bei Verwandten und Bekannten herum erzähle, sie umzubringen, wenn er ins Gefängnis müsse. Die Staatsanwältin empfahl X.________ anlässlich der Einvernahme dringend, keinen Kontakt zu seiner Ex-Frau aufzunehmen.
Am 24. Januar 2014 teilte Y.________ der Staatsanwältin mit, ihr Ex-Mann sei von ihrer Schwiegertochter um 14 Uhr vor ihrer Haustüre gesehen worden.
X.________ wurde gleichentags festgenommen und am 27. Januar 2014 vom Zwangsmassnahmengericht des Kantonsgerichts Schaffhausen bis zum 24. April 2014 in Untersuchungshaft genommen.
Am 25. Februar 2014 wies das Obergericht des Kantons Schaffhausen die Beschwerde von X.________ gegen diesen Entscheid des Kantonsgerichts ab. Es kam zum Schluss, X.________ sei der ihm vorgeworfenen Delikte dringend verdächtig, und es bestehe Wiederholungs- und Ausführungsgefahr.
B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, diesen Obergerichtsentscheid aufzuheben und ihn umgehend aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Obergericht, Kantonsgericht und Staatsanwaltschaft seien zu verpflichten, ihm den durch die Untersuchungshaft entgangenen Arbeitsentgelt zu ersetzen. Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
C.
Die Staatsanwaltschaft beantragt in ihrer Vernehmlassung, die Beschwerde abzuweisen. Denselben Antrag stellt sinngemäss das Obergericht.
Der Beschwerdeführer hält in seiner Replik an der Beschwerde fest.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist der kantonal letztinstanzliche Haftentscheid des Obergerichts. Dagegen ist die Beschwerde in Strafsachen nach den Art. 78 ff. BGG gegeben. Der Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheids und Haftentlassung ist zulässig (BGE 132 I 21 E. 1). Nicht zu prüfen ist im Haftprüfungsverfahren allerdings die Frage einer allfälligen Haftentschädigung; auf den entsprechenden Antrag ist nicht einzutreten. Der Beschwerdeführer ist durch die Verweigerung der Haftentlassung in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen und damit zur Beschwerde befugt (Art. 81 Abs. 1 BGG). Er macht die Verletzung von Bundesrecht geltend, was zulässig ist (Art. 95 lit. a BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde insoweit einzutreten ist.
2.
Untersuchungshaft kann unter anderem angeordnet werden, wenn ein dringender Tatverdacht in Bezug auf ein Verbrechen oder Vergehen sowie Wiederholungs- oder Ausführungsgefahr besteht (Art. 221 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 StPO).
2.1. Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer dringend verdächtig ist, seine damalige Ehefrau über Jahre hinweg immer wieder geboxt, geschlagen und gewürgt, vergewaltigt und sowohl sie als auch Familienmitglieder von ihr mit dem Tod bedroht zu haben. Der Tatverdacht bezieht sich somit zumindest auf einfache Körperverletzung ( Art. 123 Ziff. 1 und 2 StGB ), Vergewaltigung (Art. 190 StGB) und Drohung ( Art. 180 Abs. 1 und 2 StGB ), mithin auf Vergehen und Verbrechen im Sinn von Art. 10 StGB. Der allgemeine Haftgrund ist damit erstellt.
2.2.
2.2.1. Wiederholungsgefahr im Sinne von Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO liegt vor, "wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie durch schwere Verbrechen oder Vergehen die Sicherheit anderer erheblich gefährdet, nachdem sie bereits früher gleichartige Straftaten verübt hat". Erforderlich ist eine sehr ungünstige Rückfallprognose. Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr ist restriktiv zu handhaben (BGE 137 IV 84 E. 3.2 S. 85 f.; 135 I 71 E. 2.3 S. 73; je mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung kann die Untersuchungshaft wegen Wiederholungsgefahr auch dem Verfahrensziel der Beschleunigung dienen, indem verhindert wird, dass sich der Strafprozess durch immer neue Delikte kompliziert und in die Länge zieht. Die Wahrung des Interesses an der Verhütung weiterer schwerwiegender Delikte ist nicht verfassungs- und grundrechtswidrig. Vielmehr anerkennt Art. 5 Ziff. 1 lit. c EMRK ausdrücklich die Notwendigkeit, Beschuldigte an der Begehung strafbarer Handlungen zu hindern, somit Spezialprävention, als Haftgrund (BGE 137 IV 84 E. 3.2 S. 85; 135 I 71 E. 2.2 S. 72 mit Hinweisen). Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO ist entgegen dem deutschsprachigen Gesetzeswortlaut dahin auszulegen, dass "Verbrechen oder schwere Vergehen" drohen müssen (BGE 137 IV 84 E. 3.2 S. 85 f.). Todesdrohungen sind schwere Vergehen, die die Annahme von Wiederholungsgefahr rechtfertigen können (Urteil 1B_52/2014 vom 21. Februar 2014 E. 3.3)
2.2.2. Der Beschwerdeführer hat offenbar die Vorladung zur staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 23. Januar 2014 schlecht aufgenommen und - jedenfalls nach der für die Staatsanwaltschaft und Obergericht glaubhaften Darstellung der Geschädigten - erneut mit schweren Drohungen gegen sie und ihre Verwandtschaft reagiert. Besteht aber somit der Verdacht, dass der mutmasslich gewaltbereite Beschwerdeführer bereits auf die erste Vorladung durch die Staatsanwaltschaft mit schweren Drohungen reagiert hat, so liegt es nahe, dass er bei der Fortführung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft weiterhin versuchen könnte, seine Ex-Frau und deren Verwandtschaft durch Drohungen einzuschüchtern und in Angst und Schrecken zu halten. Es ist zumindest in Bezug auf den Tatbestand der Drohung nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz Wiederholungsgefahr angenommen hat.
2.3.
2.3.1. Ausführungsgefahr im Sinne von Art. 221 Abs. 2 StPO besteht, wenn ernsthaft zu befürchten ist, eine Person werde ihre Drohung, ein schweres Verbrechen auszuführen, wahrmachen. Bei der Annahme, dass eine Person ein schweres Verbrechen begehen könnte, ist Zurückhaltung geboten. Erforderlich ist eine sehr ungünstige Prognose. Nicht Voraussetzung ist hingegen, dass die verdächtige Person bereits konkrete Anstalten getroffen hat, um die befürchtete Tat zu vollenden. Vielmehr genügt es, wenn die Wahrscheinlichkeit einer Ausführung aufgrund einer Gesamtbewertung der persönlichen Verhältnisse sowie der Umstände als sehr hoch erscheint. Besonders bei drohenden schweren Gewaltverbrechen ist dabei auch dem psychischen Zustand der verdächtigen Person bzw. ihrer Unberechenbarkeit oder Aggressivität Rechnung zu tragen. Je schwerer die angedrohte Straftat ist, desto eher rechtfertigt sich eine Inhaftierung, wenn die vorhandenen Fakten keine genaue Risikoeinschätzung erlauben (Zusammenfassung der Rechtsprechung in E. 2.1.1 des zur Publikation bestimmten Urteils 1B_456/2013 vom 27. Januar 2014).
2.3.2. Es ist naturgemäss schwierig zu beurteilen, wie ernst die mutmasslichen Drohungen des Beschwerdeführers gemeint sind und ob die konkrete Gefahr besteht, dass er sie wahr macht. Einerseits soll er seiner Frau bzw. Ex-Frau bereits für den Fall, dass sie sich scheiden lasse bzw. dass er nach der Scheidung die eheliche Wohnung verlassen müsse, den Tod angedroht haben, ohne dass er effektiv versucht hätte, sie umzubringen, nachdem seine Forderungen unerfüllt geblieben sind. Anderseits nehmen seine Ex-Frau und deren Verwandtschaft die Drohungen offensichtlich ernst; nach den Aussagen des gemeinsamen Sohnes Z.________ liess der Beschwerdeführer seine Ex-Frau auch nach der Einreichung der Strafanzeige nicht in Ruhe, sondern verfolgte sie mit dem Auto. Sie habe Angst und traue sich nicht mehr, auf dem Herblinger Markt einzukaufen. Am Tag nach der Einvernahme soll der Beschwerdeführer zudem vor der Wohnung seiner Ex-Frau gestanden haben, obwohl ihm die Staatsanwaltschaft dringend geraten hatte, sich von der Geschädigten fern zu halten und keinen Kontakt mit ihr aufzunehmen; das fasste diese nachvollziehbar als Bedrohung auf. Es erscheint daher keineswegs unwahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer, der sämtliche Anschuldigungen pauschal zurückweist und sich quasi als Opfer eines Komplotts darstellt, versuchen würde, seine Drohungen in die Tat umzusetzen und Gewalt gegen seine Ex-Frau auszuüben. Diese Gefahr steigt tendenziell mit dem Fortschreiten des Strafverfahrens an, jedenfalls wenn es aus seiner Sicht ungünstig verlaufen und er dadurch zunehmend unter Druck kommen sollte. Insofern ist nicht zu beanstanden, dass das Obergericht auch Ausführungsgefahr bejahte.
2.4. Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht zwar vor, es sei willkürlich und unter Verletzung seines rechtlichen Gehörs davon ausgegangen, dass er sich am 24. Januar 2014, um ca. 14 Uhr, vor der Wohnung seiner Ex-Frau aufgehalten habe. Er habe indessen zu dieser Zeit gearbeitet. Dieser Vorfall, der Grund für seine Festnahme gewesen sei, habe gar nicht stattgefunden; seine Verteidigungsrechte seien verletzt worden, indem man den von ihm angebotenen Alibibeweis - die Einvernahme zweier Arbeitskolleginnen, die bezeugen könnten, dass er seinen Arbeitsplatz zur fraglichen Zeit nie verlassen habe - nicht abgenommen habe.
Der Einwand ist unbegründet. Zwar bildete dieser Vorfall für die Staatsanwaltschaft den unmittelbaren Anlass, den Beschwerdeführer in Untersuchungshaft zu nehmen. Er ist aber nur eines von verschiedenen Elementen, die die Annahme von Wiederholungs- bzw. Ausführungsgefahr erlauben. Nach den vorstehenden Erwägungen 2.2 konnte die Staatsanwaltschaft ungeachtet des Vorfalls vom 24. Januar 2014 von Wiederholungsgefahr ausgehen. Selbst wenn sich daher im weiteren Verlauf des Verfahrens beweismässig nicht erhärten liesse, dass sich der Beschwerdeführer am 24. Januar 2014 vor der Wohnung seiner Ex-Frau aufgehalten hat, würde das die Rechtmässigkeit der Untersuchungshaft nicht in Frage stellen. Die Strafverfolgungsbehörden haben zum Vorfall im Übrigen durchaus erste Abklärungen getroffen. Auf Nachfrage beim Arbeitgeber konnte der Vorgesetzte des Beschwerdeführers aber nicht ausschliessen, dass er zur umstrittenen Zeit die Arbeitsstelle für kurze Zeit verlassen hat. Da dieser in Begleitung eines Mannes vor der Wohnung seiner Ex-Frau gesehen worden sein soll, wäre es ihm nach Auffassung des Obergerichts aufgrund der örtlichen Verhältnisse ohne weiteres möglich gewesen, innert weniger Minuten von der Arbeitsstelle an den Wohnort der Ex-Frau und wieder zurück zu gelangen, wenn ihn ein Kollege im Auto chauffiert hätte. Der Einwand des Beschwerdeführers, er hätte mit dem öffentlichen Verkehr viel zu lange gebraucht, als dass seine Abwesenheit am Arbeitsplatz unentdeckt geblieben wäre, ist daher unbehelflich.
2.5. Unter Verhältnismässigkeitsgesichtspunkten ist die Untersuchungshaft zurzeit nicht zu beanstanden. Allerdings wird die Staatsanwaltschaft das Verfahren, das mit der Einreichung der Strafanzeige am 3. Januar 2012 und damit vor über 2 Jahren in Gang kam, nunmehr mit der für Haftfälle gebotenen Beschleunigung vorantreiben müssen, wenn sie den Beschwerdeführer bis zur erstinstanzlichen Hauptverhandlung in Haft behalten will.
2.6. Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass der Beschwerdeführer dringend verdächtig ist, seine damalige Ehefrau über Jahre immer wieder vergewaltigt, sie geschlagen, gewürgt und getreten zu haben und sie und ihre Familie regelmässig massiv bedroht zu haben. Uneinsichtig und vom Strafverfahren unbeeindruckt soll er sie zudem weiterhin immer wieder bedroht haben. Es liegt daher nahe, dass er sie in Freiheit weiter bedrohen würde, und es erscheint auch als realistische Möglichkeit, dass er seine Drohungen irgendwann in die Tat umsetzen und seiner Ex-Frau (erneut) Gewalt antun könnte. Die gegen ihn verhängte Untersuchungshaft erweist sich unter diesen Umständen als rechtmässig.
3.
Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer an sich kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat indessen ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gestellt, welches gutzuheissen ist, da seine Bedürftigkeit ausgewiesen scheint und die Beschwerde nicht von vornherein aussichtslos war ( Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen:
2.1. Es werden keine Kosten erhoben.
2.2. Rechtsanwalt Jürg Uhlmann, Schaffhausen, wird für das bundesgerichtliche Verfahren als amtlicher Verteidiger eingesetzt und mit Fr. 1'500.-- aus der Bundesgerichtskasse entschädigt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen, und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 3. April 2014
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Fonjallaz
Der Gerichtsschreiber: Störi