BGer 6B_856/2013
 
BGer 6B_856/2013 vom 03.04.2014
{T 0/2}
6B_856/2013
 
Urteil vom 3. April 2014
 
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Rüedi,
Gerichtsschreiberin Andres.
 
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Advokat Dr. Matthias Aeberli,
Beschwerdeführerin,
gegen
1.  Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft,
2. Y.________,
vertreten durch Advokat Oliver Borer,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Einstellung (Tätlichkeiten, einfache Körperverletzung usw.); Grundsatz "in dubio pro duriore",
Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, vom 23. Juli 2013.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
B.
 
C.
 
D.
 
Erwägungen:
 
1.
 
2.
2.1. Die Vorinstanz erwägt, hinsichtlich des Tatbestands der Tätlichkeiten nach Art. 126 Abs. 1 StGB fehle es an einem Strafantrag. Mangels wiederholter Begehung sei die Tat nicht von Amtes wegen zu verfolgen (vgl. Art. 126 Abs. 2 lit. b StGB), weshalb das Verfahren diesbezüglich zu Recht eingestellt worden sei (Art. 319 Abs. 1 lit. d StPO; Beschluss S. 5 Ziff. 3.2). Im Weiteren lägen neben den Aussagen der Beschwerdeführerin keine Beweise oder Indizien vor, die es ermöglichten, die übrigen Vorwürfe rechtsgenüglich nachzuweisen. Es sei ein Freispruch zu erwarten respektive eine Verurteilung sei klar unwahrscheinlicher als ein Freispruch. Die Staatsanwaltschaft habe mit der Einstellung des Verfahrens den Grundsatz "in dubio pro duriore" nicht verletzt (Beschluss S. 7 f. Ziff. 3.5 ff.).
2.2. Die Staatsanwaltschaft verfügt die Einstellung des Verfahrens unter anderem, wenn kein Tatverdacht erhärtet ist, der eine Anklage rechtfertigt, kein Straftatbestand erfüllt ist oder eine Prozessvoraussetzung definitiv nicht vorliegt (Art. 319 Abs. 1 lit. a, b und d StPO). Der Entscheid über die Einstellung eines Verfahrens hat sich nach dem Grundsatz "in dubio pro duriore" zu richten. Dieser ergibt sich aus dem Legalitätsprinzip. Er bedeutet, dass eine Einstellung durch die Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur bei klarer Straflosigkeit bzw. offensichtlich fehlenden Prozessvoraussetzungen angeordnet werden darf. Hingegen ist, sofern die Erledigung mit einem Strafbefehl nicht in Frage kommt, Anklage zu erheben, wenn eine Verurteilung wahrscheinlicher erscheint als ein Freispruch. Ist ein Freispruch gleich wahrscheinlich wie eine Verurteilung, drängt sich in der Regel, insbesondere bei schweren Delikten, eine Anklageerhebung auf (BGE 138 IV 186 E. 4.1, 86 E. 4.1; je mit Hinweisen). Bei zweifelhafter Beweis- bzw. Rechtslage hat nicht die Staatsanwaltschaft über die Stichhaltigkeit des strafrechtlichen Vorwurfs zu entscheiden, sondern das zur materiellen Beurteilung zuständige Gericht. Der Grundsatz, dass im Zweifel nicht eingestellt werden darf, ist auch bei der Überprüfung von Einstellungsverfügungen zu beachten (BGE 138 IV 86 E. 4.1.1 S. 91 mit Hinweis). Bei der Beurteilung dieser Frage verfügen die Staatsanwaltschaft und die Vorinstanz über einen gewissen Spielraum, den das Bundesgericht mit Zurückhaltung überprüft (BGE 138 IV 186 E. 4.1).
2.3. Die Vorinstanz stellt zu Recht fest, dass es hinsichtlich des Vorwurfs der Tätlichkeiten an einer Prozessvoraussetzung fehlt (Art. 319 Abs. 1 lit. d StPO). Der Beschwerdegegner soll die Beschwerdeführerin am 4. Juni 2011 zum ersten Mal tätlich angegriffen haben, weshalb keine wiederholten Tätlichkeiten vorliegen (vgl. BGE 134 IV 189 E. 1.2; 129 IV 216 E. 3.1 mit Hinweisen). Ein Schuldspruch wegen Tätlichkeiten kann nicht ergehen. Da der Vorwurf der Tätlichkeiten den gleichen Lebensvorgang wie jener der einfachen Körperverletzung betreffen kann, darf das Verfahren jedoch nicht teilweise eingestellt werden. Andernfalls würde einer Verurteilung wegen einfacher Körperverletzung möglicherweise der Grundsatz "ne bis in idem" und die Sperrwirkung der materiellen Rechtskraft der Teileinstellung entgegenstehen (siehe zum Ganzen: Urteil 6B_653/2013 vom 20. März 2014 E. 3.2 f.).
2.4. Vorliegend stehen sich widersprechende Aussagen der Parteien gegenüber. Die Vorinstanz verkennt, dass in dieser Konstellation ein Verfahren nicht per se einzustellen ist. Vielmehr sind die Aussagen der Parteien und der Zeugen im Einzelnen zu würdigen. Die kantonalen Behörden haben sich nicht zur Glaubhaftigkeit der Aussagen geäussert. Ohne dem Sachgericht vorgreifen zu wollen, ist darauf hinzuweisen, dass ein Teil der Aussage der Beschwerdeführerin von objektiven Indizien bestätigt wird. Ein Zeuge berichtete von einem blauen Fleck am Auge der Beschwerdeführerin, und ihr Vorgesetzter gab an, dass sie ihm von einem Streit erzählt habe, wobei sie sehr aufgewühlt gewesen sei und blaue Flecken am Arm gehabt habe (Beschluss S. 7 Ziff. 3.5). Dies könnte dahingehend gewertet werden, dass die übrigen Sachverhaltsschilderungen der Beschwerdeführerin ebenfalls der Wahrheit entsprächen. Sie bringt zu Recht vor, in ihrer Aussage fänden sich verschiedene Realitätskriterien (vgl. Beschwerde S. 6).
 
3.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. 
2. 
3. 
4. 
5. 
Lausanne, 3. April 2014
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Mathys
Die Gerichtsschreiberin: Andres