BGer 1B_184/2014
 
BGer 1B_184/2014 vom 04.06.2014
{T 0/2}
1B_184/2014
 
Urteil vom 4. Juni 2014
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Merkli,
Gerichtsschreiber Stohner.
 
Verfahrensbeteiligte
Eidgenössische Spielbankenkommission, Eigerplatz 1, 3003 Bern,
Beschwerdeführerin,
gegen
A.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roland Winiger,
Haftgericht des Kantons Solothurn,
Rötistrasse 4, Postfach 548, 4501 Solothurn.
Gegenstand
Anordnung Untersuchungshaft,
Beschwerde gegen den Beschluss vom 15. Mai 2014 des Bundesstrafgerichts, Beschwerdekammer.
 
Sachverhalt:
A. Die Eidgenössische Spielbankenkommission (ESBK) führt eine Strafuntersuchung gegen A.________ wegen des Verdachts der Widerhandlungen gegen das Bundesgesetz vom 18. Dezember 1998 über Glücksspiele und Spielbanken (Spielbankengesetz, SBG; SR 935.52).
B. Mit Eingabe vom 15. Mai 2014 führt die ESBK Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht mit dem Antrag, den Beschluss der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts aufzuheben. Des Weiteren beantragt sie, A.________ sei bis auf Weiteres in Haft zu belassen (Art. 103 und 104 BGG).
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Gegen den angefochtenen Entscheid steht gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde in Strafsachen offen. Da es um eine Zwangsmassnahme geht, ist die Beschwerde nach Art. 79 BGG zulässig. Die ESBK ist gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 7 BGG zur Beschwerde befugt. Sie hat ein aktuelles praktisches Interesse an der Behandlung der Beschwerde (BGE 137 IV 87 E. 1 S. 88 f.; Urteil 1B_497/2012 vom 3. Oktober 2012 E. 1).
 
1.2.
1.2.1. Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung von Rechtsschriften in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Die Verletzung von Grundrechten (einschliesslich der willkürlichen Anwendung von kantonalem Recht und Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung) prüft das Bundesgericht nach Art. 106 Abs. 2 BGG nur insoweit, als entsprechende Rügen in der Beschwerde vorgebracht und begründet werden.
1.2.2. Die Beschwerdeführerin rügt eine offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts. Sie führt aus, die Darstellung im angefochtenen Urteil sei unzutreffend. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sei dem Beschwerdegegner nicht bewusst gewesen und er habe auch nicht damit rechnen müssen, dass der verschlüsselte USB-Stick ausgewertet werden könne. Dieser Datenträger habe Abrechnungen aus einem umfassenden Glücksspiel-Netzwerk enthalten, was die Ausweitung der Strafuntersuchung ermöglicht habe.
 
2.
2.1. Der Beschwerdegegner wurde am 18. Juni 2013 zunächst zu den Tatvorwürfen der Übertretungstatbestände von Art. 56 Abs. 1 lit. a und c SBG befragt. Nach diesen Bestimmungen wird mit Haft oder mit Busse bis zu Fr. 500'000.-- bestraft, wer Glücksspiele ausserhalb konzessionierter Spielbanken organisiert oder gewerbsmässig betreibt (lit. a), bzw. wer Spielsysteme oder Glücksspielautomaten ohne Prüfung, Konformitätsbewertung oder Zulassung zum Zweck des Betriebs aufstellt (lit. c).
2.2. Nach Art. 52 Abs. 1 VStrR ist der Erlass eines Haftbefehls zulässig, wenn der Beschuldigte einer Widerhandlung dringend verdächtigt ist und bestimmte Umstände den Verdacht begründen, dass er sich der Strafverfolgung oder dem Strafvollzug entziehen werde (lit. a), oder dass er Spuren der Tat verwischen, Beweisgegenstände beseitigen, Zeugen oder Mitbeschuldigte zu falschen Aussagen verleiten oder auf ähnliche Weise den Zweck der Untersuchung gefährden werde (lit. b). Gemäss Art. 52 Abs. 2 VStrR darf ein Haftbefehl nicht erlassen werden, wenn dies zur Bedeutung der Sache in einem Missverhältnis stehen würde.
2.3. Umstritten ist im zu beurteilenden Fall, ob der besondere Haftgrund der Kollusionsgefahr gemäss Art. 52 Abs. 1 lit. b VStrR gegeben ist. Während das Haftgericht dies in der Verfügung vom 24. April 2014 betreffend Verlängerung der Untersuchungshaft bejaht hat, erachtet die Vorinstanz die Voraussetzungen als nicht erfüllt. Die Beschwerdeführerin rügt insoweit eine Verletzung von Art. 52 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 57 Abs. 2 VStrR. Hierauf ist nachfolgend einzugehen.
2.4. Die Vorinstanz hat erwogen, der Beschwerdegegner habe gewusst, dass die Beschwerdeführerin eine Strafuntersuchung gegen ihn führe und bei ihm einen USB-Stick beschlagnahmt habe. Er habe somit auch erahnen können, dass die Beschwerdeführerin gestützt auf die Auswertung dieses Datenträgers weitere Vorwürfe gegen ihn erheben werde. Der Beschwerdegegner sei vom 18. Juni 2013 bis 2. April 2014 auf freiem Fuss gewesen und habe damit für allfällige Verdunkelungshandlungen fast zehn Monate Zeit gehabt. Im jetzigen Zeitpunkt bestehe keine Kollusionsgefahr (mehr).
2.5. Die Beschwerdeführerin bringt vor, es sei offensichtlich, dass der Beschwerdegegner in Freiheit alles unternehmen werde, um zu kolludieren. Dies aber würde die laufenden Ermittlungen gefährden. Zudem gelte der Beschwerdegegner in Polizeikreisen als gewaltbereit und gefährlich.
2.6. Der Beschwerdegegner macht in seiner Stellungnahme an das Bundesgericht vom 21. Mai 2014 geltend, zwei seiner Halbbrüder (B.________ Z.________ und C.________ Z.________) sowie D.________, welche von der Beschwerdeführerin der Mittäterschaft oder Teilnahme verdächtigt würden, befänden sich in Haft und seien bereits einvernommen worden, sodass insoweit keine Kollusionsgefahr (mehr) bestehe. Weitere tatverdächtige Personen, nämlich ein weiterer Halbbruder (E.________ Z.________) und F.________, befänden sich mutmasslich im Ausland und könnten daher ohnehin nicht befragt, geschweige denn inhaftiert werden. Im Übrigen hätte er in den knapp zehn Monaten in Freiheit genügend Zeit gehabt, allfällige Kollusionshandlungen vorzunehmen.
2.7. Kollusion respektive Verdunkelung (i.S.v. Art. 52 Abs. 1 lit. b VStrR) bedeutet insbesondere, dass sich die beschuldigte Person mit Zeugen, Auskunftspersonen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten ins Einvernehmen setzt oder sie zu wahrheitswidrigen Aussagen veranlasst, oder dass sie Spuren und Beweismittel beseitigt. Die Haft wegen Kollusionsgefahr soll verhindern, dass die beschuldigte Person die Freiheit dazu missbrauchen würde, die wahrheitsgetreue Abklärung des Sachverhalts zu vereiteln oder zu gefährden. Konkrete Anhaltspunkte für Kollusionsgefahr können sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts namentlich ergeben aus dem bisherigen Verhalten des Beschuldigten im Prozess, aus seinen persönlichen Merkmalen, aus seiner Stellung und seinen Tatbeiträgen im Rahmen des untersuchten Sachverhalts sowie aus den persönlichen Beziehungen zwischen ihm und den ihn belastenden Personen. Bei der Frage, ob im konkreten Fall eine massgebliche Beeinträchtigung des Strafverfahrens wegen Verdunkelung droht, ist auch der Art und Bedeutung der von Beeinflussung bedrohten Aussagen bzw. Beweismittel, der Schwere der untersuchten Straftaten sowie insbesondere dem Verfahrensstand Rechnung zu tragen. Je weiter das Strafverfahren fortgeschritten ist und je präziser der Sachverhalt bereits abgeklärt werden konnte, desto höhere Anforderungen sind grundsätzlich an den Nachweis von Verdunkelungsgefahr zu stellen (BGE 137 IV 122 E. 4.2 S. 127 f.).
2.8. Ob die Voraussetzungen von Art. 52 Abs. 1 lit. b VStrR erfüllt sind und Kollusionsgefahr besteht, ist eine Rechtsfrage, die das Bundesgericht von Amtes prüft. Dies entbindet die Beschwerdeführerin jedoch nicht von ihrer Mitwirkungspflicht. In der Beschwerde wird das Vorbringen, es liege Kollusionsgefahr vor, nicht näher substanziiert, sondern pauschal auf die laufenden Ermittlungen verwiesen, die bei einer Freilassung des Beschwerdegegners gefährdet seien. Auch den Akten lassen sich keine konkreten Hinweise darauf entnehmen, dass der besondere Haftgrund der Kollusionsgefahr erfüllt ist.
3. Die Beschwerde ist folglich abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Hingegen hat die Beschwerdeführerin dem Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3. Die Beschwerdeführerin hat dem Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 1'000.-- zu bezahlen.
4. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Haftgericht des Kantons Solothurn und dem Bundesstrafgericht, Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 4. Juni 2014
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Fonjallaz
Der Gerichtsschreiber: Stohner