Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
{T 0/2}
5A_233/2014
Urteil vom 26. Juni 2014
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Marazzi, Herrmann, Schöbi, Bovey,
Gerichtsschreiber von Roten.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Michal Kobsa,
Beschwerdeführerin,
gegen
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) der Stadt Zürich,
B.________, Kindsvater,
C.________ und D.________, Kinder, p.A. Kindervertretung:
Rechtsanwältin Annegret Lautenbach-Koch.
Gegenstand
Beschwerde betreffend vorsorgliche Kindesschutzmassnahmen (aufschiebende Wirkung),
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 14. Februar 2014.
Sachverhalt:
A.
A.________ (Beschwerdeführerin), Jahrgang 1979, und B.________, Jahrgang 1969, sind die Eltern der Kinder C.________, geboren 2005, und D.________, geboren 2008. Aufgrund wiederholter Gefährdungsmeldungen seit Mitte 2008 wurde den Kindern ein Beistand zwecks Familienbegleitung bestellt (2010) und in Gesprächen (2011 und 2012) mit der Beschwerdeführerin als Obhutsberechtigten deren Kooperationsbereitschaft angemahnt unter Hinweis auf eine widrigenfalls in Erwägung zu ziehende Fremdplatzierung der Kinder. Bei der Scheidung ihrer Eltern wurden die Kinder unter die alleinige elterliche Sorge der Beschwerdeführerin gestellt.
B.
Am 9. Juli 2013 beschloss die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) der Stadt Zürich infolge Dringlichkeit ohne vorgängige Anhörung der Eltern, die Kinder unter Aufhebung der elterlichen Obhut im Sinne einer superprovisorischen Massnahme vorläufig je an einem der Behörde bekannten Ort unterzubringen (Zirkulationsbeschlüsse vom 9. Juli 2013). Die Beschwerdeführerin legte dagegen Beschwerden bis an das Bundesgericht ein (Verfahren 5A_772/2013).
C.
C.a. Die Fremdplatzierung der Kinder erfolgte am 10. Juli 2013. Die Anhörung der Eltern fand am 11. Juli 2013 statt. Mit Beschlüssen vom 14. November 2013 bestätigte die KESB die am 9. Juli 2013 superprovisorisch angeordnete Fremdplatzierung der beiden Kinder. Sie wies den Antrag der Beschwerdeführerin auf Aufhebung des Obhutsentzugs ab. Gleichzeitig verfügte die KESB im Sinne einer superprovisorischen Massnahme die Umplatzierung von C.________ in ein anderes Wohnheim. Allfälligen Beschwerden wurde die aufschiebende Wirkung entzogen.
C.b. Die Beschwerdeführerin legte gegen die Beschlüsse am 16. Dezember 2013 eine Beschwerde ein. Der Bezirksrat Zürich entschied vorweg über die superprovisorisch angeordnete Umplatzierung von C.________ und über den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Er wies die Beschwerde gegen den Entzug der aufschiebenden Wirkung ab und trat auf die Beschwerde gegen die superprovisorisch angeordnete Umplatzierung von C.________ nicht ein (Beschluss vom 23. Januar 2014).
C.c. Den Beschluss des Bezirksrats focht die Beschwerdeführerin am 6. Februar 2014 beim Obergericht des Kantons Zürich an mit den Begehren, den angefochtenen Beschluss in den beiden Punkten aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen oder eventualiter durch das Obergericht zu entscheiden. Das Obergericht wies die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten war (Dispositiv-Ziff. 1). Weiter wurden die Entscheidgebühren auf Fr. 500.-- festgesetzt (Dispositiv-Ziff. 2), die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin auferlegt, zufolge gewährter unentgeltlicher Rechtspflege aber einstweilen auf die Gerichtskasse genommen (Dispositiv-Ziff. 3), und keine Parteientschädigungen zugesprochen (Dispositiv-Ziff. 4). Den unentgeltlichen Rechtsbeistand der Beschwerdeführerin entschädigte das Obergericht mit Fr. 2'500.-- zuzüglich Fr. 200.-- Mehrwertsteuer (Dispositiv-Ziff. 5 des Urteils vom 14. Februar 2014).
D.
Mit Eingabe vom 19. März 2014 beantragt die Beschwerdeführerin dem Bundesgericht, die vorliegende Beschwerde mit dem Verfahren 5A_772/2013 zu vereinigen, das obergerichtliche Urteil hinsichtlich der Dispositiv-Ziff. 1, 3 und 4 aufzuheben, die Sache an das Obergericht zurückzuweisen oder durch das Bundesgericht selbst zu entscheiden, auf das Verfahren betreffend superprovisorischer Massnahmen und diesbezüglich aufschiebender Wirkung von Rechtsmitteln einzutreten und die aufschiebende Wirkung zu gewähren sowie der Beschwerde gegen die Beschlüsse der KESB die aufschiebende Wirkung zu gewähren. Nach Gewährung der aufschiebenden Wirkung sei eine sofortige vorübergehende Platzierung der Kinder bei ihr oder, eventualiter, an einem nach Ansicht der KESB und der Kinderanwältin dem Kindeswohl entsprechenden Ort in der Stadt Zürich, subeventualiter in der Region Zürich, zu dem sie zustimme, anzuordnen und jede Beschränkung des telefonischen Kontaktes und von Besuchen zwischen ihr und ihren Kindern aufzuheben. Für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht die Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege. Es sind die kantonalen Akten, hingegen keine Vernehmlassungen eingeholt worden.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerdeführerin beantragt, das vorliegende mit dem Verfahren 5A_772/2013 zu vereinigen. Da sich die Beschwerde 5A_233/2014 aus nachstehenden Gründen insgesamt als unzulässig erweist, ist eine Vereinigung der Verfahren nicht gerechtfertigt und der entsprechende Antrag abzuweisen.
2.
Gegenstand des obergerichtlichen Beschwerdeverfahrens waren der Entscheid über die aufschiebende Wirkung und die superprovisorische Umplatzierung des Kindes C.________, hingegen nicht der Entzug der Obhut der Beschwerdeführerin über ihre Kinder und deren Fremdplatzierung (E. II/1 S. 3 des angefochtenen Urteils). Auf diese beiden Fragen beschränkt sich auch der Gegenstand der Beschwerde (BGE 136 II 165 E. 5 S. 174), so dass auf Anträge und Vorbringen der Beschwerdeführerin zu weiteren Fragen nicht einzutreten ist.
3.
Die superprovisorische Umplatzierung des Kindes C.________ stützt sich auf Art. 445 Abs. 2 ZGB, wonach die Erwachsenenschutzbehörde bei besonderer Dringlichkeit vorsorgliche Massnahmen sofort ohne Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen treffen kann, diesen gleichzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme gibt und anschliessend neu entscheidet. Die Bestimmung ist im Kindesschutzverfahren sinngemäss anwendbar (Art. 314 Abs. 1 ZGB). Aus den Akten der KESB, die in allen Instanzen vorgelegen haben, ergibt sich, dass bereits mit Beschluss vom 7. Januar 2014 die superprovisorische Umplatzierung des Kindes C.________ nach Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen - der Beschwerdeführerin, des Kindsvaters und des Kindes - als vorsorgliche Kindesschutzmassnahme bestätigt wurde (act. 234). Dieser Bestätigungsbeschluss hat die vorausgegangene superprovisorische Massnahme ersetzt und dahinfallen lassen. Damit ist auch das Rechtsschutzinteresse bei einer Beschwerde gegen die superprovisorische Massnahme entfallen (Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht] vom 28. Juni 2006, BBl 2006 7001 S. 7077). Auf die Beschwerde vom 19. März 2014 gegen die superprovisorische Umplatzierung und alle damit zusammenhängenden Fragen wie den Entzug der aufschiebenden Wirkung bezüglich der kantonalen Beschwerde gegen das Superprovisorium kann deshalb nicht eingetreten werden (vgl. BGE 139 II 404 E. 2.2 S. 414; 136 III 497 E. 2.1 S. 500). Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, es sei auf die Beschwerde gleichwohl einzutreten, ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesgericht ein sog. virtuelles Interesse (zum Begriff: BGE 140 III 92 E. 1.1 S. 93 f.) praxisgemäss nur in Ausnahmefällen bejaht (zuletzt Urteile 5A_391/2013 vom 7. November 2013 E. 2 und 5A_844/2012 vom 15. August 2013 E. 2) und auch im vorliegenden Fall verneinen muss. Es kommt hinzu, dass die Beschwerdeführerin gegen den Entscheid des Obergerichts, auf die Beschwerde gegen die superprovisorische Massnahme nicht einzutreten, keine selbstständigen Rügen erhebt und einfach auf eine andere Rechtsschrift verweist. Die Rügen aber müssen in der Beschwerdeschrift selber enthalten sein; der blosse Verweis auf Ausführungen in anderen Rechtsschriften oder auf die Akten reicht nicht aus (BGE 133 II 396 E. 3.2 S. 400; 138 III 252 E. 3.2 S. 258). Soweit sie die superprovisorische Umplatzierung des Kindes C.________ betrifft, erweist sich die Beschwerde insgesamt als unzulässig.
4.
Gemäss Art. 450c i.V.m. Art. 314 Abs. 1 ZGB hat die Beschwerde aufschiebende Wirkung, sofern die Kindesschutzbehörde oder die gerichtliche Beschwerdeinstanz nichts anderes verfügt. Die KESB hat einer allfälligen Beschwerde gegen die vorsorglichen Kindesschutzmassnahmen die aufschiebende Wirkung entzogen.
4.1. Im Lichte des Bundesgerichtsgesetzes gelten Entscheide über die aufschiebende Wirkung als vorsorgliche Massnahmen (BGE 137 III 475 E. 2 S. 477). Selbstständig eröffnete Entscheide über die Anordnung oder Verweigerung vorsorglicher Massnahmen für die Dauer des Hauptverfahrens sind Zwischenentscheide im Sinne von Art. 93 BGG, gegen die die Beschwerde nur zulässig ist, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG). Dabei muss es sich um einen Nachteil rechtlicher Natur handeln, der auch durch einen für die Beschwerdeführerin günstigen Entscheid in der Zukunft nicht mehr behoben werden kann (BGE 137 III 324 E. 1.1 S. 328; 138 III 46 E. 1.2 S. 47). Eine rein tatsächliche oder wirtschaftliche Erschwernis reicht in der Regel nicht, doch genügt die blosse Möglichkeit eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils rechtlicher Natur (BGE 137 V 314 E. 2.2.1 S. 317; 137 III 380 E. 1.2.1 S. 382). Ob ein nicht wieder gutzumachender Nachteil vorliegt, bemisst sich an den Auswirkungen des Zwischenentscheids auf die Hauptsache bzw. das Hauptverfahren (BGE 137 III 380 E. 1.2.2 S. 383). Soweit nicht offenkundig ist, dass der Zwischenentscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken könnte, hat die Beschwerdeführerin in ihrer Eingabe darzutun, inwiefern sie einem nicht wieder gutzumachenden Nachteil ausgesetzt ist und die Voraussetzungen der Zulässigkeit ihrer Beschwerde erfüllt sind (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 137 III 522 E. 1.3 S. 525; 138 III 46 E. 1.2 S. 47).
4.2. Die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung kann einen nicht wieder gutzumachenden Rechtsnachteil haben (BGE 134 II 192 E. 1.4 S. 196; Urteil 5D_211/2011 vom 30. März 2012 E. 1.1, nicht veröffentlicht in BGE 138 III 378, wohl aber in Praxis 102/2013 Nr. 6 S. 39). Er ist fallbezogen offenkundig, wenn durch den sofortigen Vollzug der Platzierung der Kinder in ein Heim der tatsächliche Aufenthaltsort der Kinder verändert und die Obhut für die Dauer des Verfahrens endgültig entzogen wird (BGE 120 Ia 260 E. 2b S. 264; 137 III 475 E. 1 S. 477). Auf diesen nicht wieder gutzumachenden Nachteil kann sich die Beschwerdeführerin indessen nicht berufen. Wird ihrer Beschwerde gegen die vorsorglichen Kindesschutzmassnahmen antragsgemäss die aufschiebende Wirkung erteilt, gelten weiterhin die superprovisorisch angeordneten Massnahmen vom 9. Juli 2013, so dass bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens ihr die Obhut entzogen bleibt und ihre beiden Kinder fremdplatziert bleiben (vgl. BGE 139 III 86 E. 1.1.1 S. 88; Urteil 4A_160/2013 vom 21. August 2013 E. 2.1, in: sic! 2014 S. 30). Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil ist insoweit weder offenkundig noch dargetan.
4.3. Soweit sich die Beschwerde gegen den Entscheid über die aufschiebende Wirkung der kantonalen Beschwerde richtet, kann darauf nicht eingetreten werden.
5.
Die Beschwerde erweist sich gesamthaft als unzulässig. Die Beschwerdeführerin wird damit kosten-, hingegen nicht entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 3 BGG). Wie die vorstehenden Erwägungen verdeutlichen, konnten die Rechtsbegehren der Beschwerdeführerin von Beginn an keinen Erfolg haben, weshalb ihr Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abgewiesen werden muss (Art. 64 BGG). Mit Rücksicht auf ihre Fürsorgeabhängigkeit wird auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Der Antrag auf Vereinigung der Verfahren 5A_233/2014 und 5A_772/2013 wird abgewiesen.
2.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
3.
Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
4.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
5.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 26. Juni 2014
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: von Werdt
Der Gerichtsschreiber: von Roten