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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
{T 0/2}
1B_188/2014
Urteil vom 1. Juli 2014
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Merkli,
Gerichtsschreiber Mattle.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
gegen
B.________, c/o Bezirksgericht Horgen, Burghaldenstrasse 3, 8810 Horgen,
Beschwerdegegner,
Bezirksgericht Horgen, Burghaldenstrasse 3, 8810 Horgen.
Gegenstand
Strafverfahren; Ausstand,
Beschwerde gegen den Beschluss vom 9. April 2014 des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer.
Erwägungen:
1.
Mit Strafbefehl vom 10. Juli 2013 wurde A.________ der fahrlässigen Brandverursachung namentlich im Sinne von § 12 Abs. 1 i.V.m. § 38 des Gesetzes des Kantons Zürich über die Feuerpolizei und das Feuerwehrwesen schuldig gesprochen und mit einer Busse von Fr. 500.-- belegt. Gegen diesen Strafbefehl erhob A.________ Einsprache. Nachdem die Angelegenheit dem Einzelgericht in Strafsachen des Bezirks Horgen zur Beurteilung überwiesen und der Name des voraussichtlich amtierenden Richters (B.________) mitgeteilt worden war, stellte A.________ gegen diesen ein Ausstandsgesuch. B.________ liess sich dahin vernehmen, dass seine Mitwirkung in einem früheren Verfahren gegen die gleiche Partei keinen Ausstandsgrund darstelle. Das betreffende Verfahren ET130014 sei mit Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich weitergezogen worden. Bei Bedarf könnten die Akten von diesem direkt beigezogen werden.
Mit Beschluss vom 9. April 2014 wies das Obergericht (III. Strafkammer) das Gesuch unter Verzicht auf Kostenüberbindung ab. Es erwog, A.________ habe keine Ausstandsgründe geltend gemacht. Zwar sei es denkbar, dass in einem Zivil- und in einem Strafverfahren identische Fragestellungen zu beurteilen seien und der Richter im zweitgenannten Verfahren deshalb im Sinne von Art. 56 lit. f StPO befangen sein könne. Dass ein vom gleichen Richter gefälltes, für den Beschuldigten nachteiliges Urteil in einem Zivilverfahren angeblich mit dem Strafbefehl zusammenhänge, reiche zur Annahme richterlicher Befangenheit aber nicht aus, ebensowenig wie der vom Beschuldigten angeblich verfasste negative schriftliche Kommentar zum Verfahren ET130014.
2.
Mit Fax-Eingabe und folgender Rechtsschrift vom 22. Mai 2014 führt A.________ Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht. Er beantragt, Richter B.________ in den Ausstand zu versetzen und ihm (dem Beschwerdeführer) die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren und eine Prozessentschädigung auszurichten. In der Begründung führt er an, er habe darauf hingewiesen, dass Strafrichter B.________ als Zivilrichter bereits in der gleichen Sache geurteilt habe, dieses Verfahren noch oberinstanzlich hängig sei, weshalb er mit dem Zivilrichter noch "aktiv im Streit" liege. Wegen der Hängigkeit dieses Verfahrens seien die betreffenden Akten für ihn zudem nicht verfügbar.
Einzelrichter B.________, das Bezirksgericht Horgen und das Obergericht des Kantons Zürich (III. Strafkammer) haben auf eine Stellungnahme verzichtet.
3.
Der angefochtene Beschluss schliesst das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer nicht ab, sondern ermöglicht dessen Weiterführung. Es handelt sich um einen selbständig eröffneten, kantonal letztinstanzlichen Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren, gegen den die Beschwerde in Strafsachen nach Art. 92 Abs. 1 i.V.m. Art. 78 Abs. 1 BGG zulässig ist. Als Beschuldigter bzw. Einsprecher gegen einen Strafbefehl ist der Beschwerdeführer zur Beschwerde befugt (Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 1 BGG). Die Beschwerdeschrift wurde dem Bundesgericht innert Frist zwar nur mit Fax übermittelt, aber noch vor Fristablauf bei der Kantonspolizei Zürich (Hauptwache) mit korrekter Adressangabe des Empfängers (Bundesgericht) zur Weiterleitung deponiert, was zur Fristwahrung genügt (Art. 48 Abs. 3 BGG; Urteil 1C_379/2008 vom 12. Januar 2009 E. 1), auch wenn die Kantonspolizei die Entgegennahme abgelehnt hat. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, so dass auf die Beschwerde einzutreten ist.
4.
Nach Art. 29 Abs. 1 und Art. 30 Abs. 1 BV sowie Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat jede Person Anspruch darauf, dass ihre Strafsache von unbefangenen, unvoreingenommenen und unparteiischen Anklägern und Richtern beurteilt wird (BGE 127 I 196 E. 2b S. 198). Es soll garantiert werden, dass keine sachfremden Umstände, welche ausserhalb des Prozesses liegen, in sachwidriger Weise zugunsten oder zulasten einer Partei auf das gerichtliche Urteil einwirken (Zusammenfassung der Rechtsprechung in BGE 134 I 238 E. 2.1 S. 240, mit Hinweisen). Art. 56 StPO zählt verschiedene Gründe auf, die zum Ausstand von in einer Strafbehörde tätigen Personen führen. Nach Art. 56 lit. b StPO trifft dies namentlich zu, wenn eine Person in anderer Stellung, insbesondere als Mitglied einer Behörde, in der gleichen Sache tätig war, und nach Art. 56 lit. f StPO, wenn eine Person wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei voreingenommen sein könnte. Die Verfassungsgarantien sind verletzt, wenn bei objektiver Betrachtungsweise Gegebenheiten vorliegen, die den Anschein von Befangenheit zu begründen vermögen; rein subjektive Eindrücke einer Verfahrenspartei genügen nicht (BGE 138 IV 142 E. 2.1 S. 144 f., mit Hinweisen). Eine gewisse Besorgnis der Voreingenommenheit kann danach bei den Parteien immer dann entstehen, wenn eine Gerichtsperson in einem früheren Verfahren mit der konkreten Streitsache schon einmal befasst war. In einem solchen Fall der Vorbefassung ist massgebend, ob sich ein Richter durch seine Mitwirkung an früheren Entscheidungen in einzelnen Punkten bereits in einem Mass festgelegt hat, welches das Verfahren nicht mehr als offen erscheinen lässt, was anhand der tatsächlichen und verfahrensrechtlichen Umstände zu beurteilen ist (BGE 133 I 89 E. 3.2 S. 92; 131 I 24 E. 1.2 S. 26). Wesentlich ist, welche Fragen in den verschiedenen Verfahren zu entscheiden sind bzw. waren, inwiefern sie sich ähnlich sind oder miteinander zusammenhängen. Zu beachten ist auch der Umfang des Entscheidungsspielraums bei der Beurteilung der sich in den verschiedenen Verfahren stellenden Rechtsfragen. Schliesslich ist massgebend, mit welcher Bestimmtheit sich der Richter bei seiner ersten Befassung zu den betreffenden Fragen ausgesprochen hat (vgl. BGE 114 Ia 50 E. 3d S. 59; 137 I 227 E. 2.6.2 S. 232 f.; 134 I 238 E. 2.3 und 2.4 S. 241 ff.).
5.
Der Beschwerdeführer macht geltend, Einzelrichter B.________ habe als Zivilrichter bereits den gleichen Sachverhalt festgestellt und beurteilt, der Gegenstand des Strafverfahrens sei. Das Obergericht hat eingeräumt, dass identische Fragestellungen in einem Zivil- und einem Strafverfahren den Anschein der Voreingenommenheit des ersten Richters für das zweite Verfahren begründen können (E. II./3. des angefochtenen Beschlusses; in diesem Sinne auch FLORENCE AUBRY GIRARDIN, Commentaire de la LTF, 2. Aufl. 2014, N. 17 zu Art. 34). Welches die zu beurteilenden Fragestellungen tatsächlich waren bzw. sind, hat das Obergericht jedoch nicht untersucht, obwohl der Beschwerdeführer den bereits ergangenen Entscheid exakt bezeichnet hat (ET130014) und das anschliessende Berufungsverfahren (mit den Vorakten) beim gleichen Obergericht hängig war, was dem Obergericht ebenfalls bekannt war (E. II./1. ff. des angefochtenen Beschlusses). Die wichtigsten Grundlagen zur einzelfallbezogenen Beurteilung waren somit im Herrschaftsbereich des Obergerichts und dort verfügbar. Statt sich für die Beurteilung auf die ihm zugänglichen Unterlagen zu stützen, hat sich das Obergericht mit der Feststellung begnügt, der Beschwerdeführer habe eine blosse Behauptung aufgestellt und die angeblich gleichen Fragen nicht genügend dargelegt. Auch wenn nach ausdrücklicher Gesetzesvorschrift (Art. 59 Abs. 1 StPO) im Interesse eines raschen Entscheids ohne weiteres Beweisverfahren über die Begründetheit eines Ausstandsgesuchs zu entscheiden ist, hat der Beschwerdeführer mit dem konkreten Hinweis auf das möglicherweise parallele Verfahren doch hinreichend glaubhaft gemacht (Art. 58 Abs. 1 StPO), dass eine Ausstandsproblematik vorliegen könnte, deren Beurteilung den (beantragten) Beizug der - am gleichen Gericht und deshalb ohne Weiteres greifbaren - Verfahrensakten erforderte. Indem sie auf diese Vervollständigung der Urteilsgrundlage verzichtet hat, hat die Vorinstanz trotz eingeschränktem Untersuchungsgrundsatz in diesem Bereich (Art. 6 i.V.m. Art. 56 ff. StPO) die Vorschriften über die Beurteilung von Ausstandsbegehren und das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers verletzt (vgl. statt vieler BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236 f.). Die Beschwerde ist deshalb dahin gutzuheissen, dass der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen ist.
6.
Bei diesem Ergebnis sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und Abs. 4 BGG) und wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege obsolet. Dem Entschädigungsbegehren des Beschwerdeführers kann nicht entsprochen werden, da eine Parteientschädigung in der Regel nur die Entschädigung von Anwaltskosten umfasst und weitere notwendige Kosten vor dem Bundesgericht hier nicht entstanden sind (Art. 68 Abs. 2 BGG i.V.m. Art. 1 lit. a und b des Reglements über die Parteientschädigung und die Entschädigung für die amtliche Vertretung im Verfahren vor dem Bundesgericht vom 31. März 2006 [SR 173.110.210.3]).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der angefochtene Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 9. April 2014 wird aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bezirksgericht Horgen und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 1. Juli 2014
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Fonjallaz
Der Gerichtsschreiber: Mattle