BGer 5A_217/2014
 
BGer 5A_217/2014 vom 03.07.2014
{T 0/2}
5A_217/2014
 
Urteil vom 3. Juli 2014
 
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Herrmann, Schöbi,
Gerichtsschreiber Levante.
 
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Stephan Kesselbach und/oder Sarah Hilber,
Beschwerdeführerin,
gegen
Kanton Schaffhausen,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Beat Keller,
Beschwerdegegner,
Betreibungsamt Region Laufenburg.
Gegenstand
Bestreitung eines Pfandrechts im Lastenverzeichnis,
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
des Kantons Aargau, Schuldbetreibungs- und
Konkurskommission als obere betreibungsrechtliche Aufsichtsbehörde vom 20. Februar 2014 (KBE.2013.16).
 
Sachverhalt:
A. Das Betreibungsamt Laufenburg-Sulz erstellte in der gegen Y.________ angehobenen Betreibung Nr. xxx im Hinblick auf die Verwertung seines Grundstückes GB B.________ Nr. yyy am 19. November 2010 das Lastenverzeichnis. Es nahm unter die grundversicherten Forderungen die durch den Inhaberschuldbrief vom 19. Dezember 1996 im 1. Rang gesicherte Forderung von X.________ im Umfang von Fr. 88'555.-- (per Steigerungstag vom 16. Dezember 2010) als vertragliches Pfandrecht auf. Die durch Grundbuchsperre gesicherte Ersatzforderung des Kantons Schaffhausen gemäss Strafurteil des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 20. Februar 2009 von Fr. 760'237.-- (ebenfalls per Steigerungstag vom 16. Dezember 2010) nahm es unter "Andere Pfandrechte" auf. Zudem legte das Betreibungsamt das Lastenverzeichnis samt Steigerungsbedingungen und Schatzung vom 24. November bis 4. Dezember 2010 öffentlich auf und informierte den Kanton Schaffhausen darüber.
B. Am 3. Dezember 2010 bestritt der Kanton Schaffhausen das Pfandrecht von X.________. Das Betreibungsamt leitete diese Eingabe als Beschwerde an das Gerichtspräsidium Laufenburg als untere Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen weiter. In Gutheissung dieser Beschwerde wurde das vertragliche Pfandrecht von X.________ gelöscht. Das Obergericht des Kantons Aargau als obere Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen hob am 25. Januar 2013 diesen Entscheid auf. Es wies insbesondere darauf hin, dass im Falle der Bestreitung des Lastenverzeichnisses ein gerichtliches Verfahren und nicht ein Beschwerdeverfahren durchzuführen sei. Das Betreibungsamt wurde angewiesen, die Parteirollen zuzuteilen und Frist zur entsprechenden Klage anzusetzen. Das Bundesgericht trat auf die Beschwerde von X.________ gegen diesen obergerichtlichen Entscheid nicht ein (Urteil 5A_157/2013 vom 21. Mai 2013).
C. Mit Verfügung vom 24. Juni 2013 stellte das Betreibungsamt fest, dass der Kanton Schaffhausen das im Lastenverzeichnis aufgeführte Pfandrecht zu Gunsten von X.________ verspätet angefochten habe und die Forderung daher als anerkannt gelte. Auf Beschwerde des Kantons Schaffhausen hob die untere Aufsichtsbehörde die Verfügung am 6. September 2013 auf und wies das Betreibungsamt an, die Parteirollen zuzuteilen und die Frist zur entsprechenden Klage anzusetzen. Dagegen gelangte X.________ an das Obergericht als obere Aufsichtsbehörde, welche ihre Beschwerde am 20. Februar 2014 abwies.
D. Mit Eingabe vom 13. März 2014 hat X.________ Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung des obergerichtlichen Entscheides und die Bestätigung der betreibungsamtlichen Verfügung. Weiter ersucht sie um aufschiebende Wirkung.
Mit Verfügung vom 9. April 2014 ist der Beschwerde antragsgemäss die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden.
Der Kanton Schaffhausen als Beschwerdegegner beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die obere kantonale Aufsichtsbehörde hat auf eine Stellungnahme verzichtet.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Angefochten ist ein Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde, welcher verfahrensrechtliche Aspekte der Bestreitung des Lastenverzeichnisses zum Gegenstand hat. Die Beschwerde in Zivilsachen ist unabhängig eines Streitwertes gegeben (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG i.V.m. Art. 19 SchKG, Art. 74 Abs. 2 lit. c BGG). Der Beschwerdeführerin steht mit Blick auf ihr Pfandrecht im Lastenverzeichnis ein schutzwürdiges Interesse an der Anfechtung des aufsichtsrechtlichen Entscheides zu, da sie im kantonalen Verfahren unterlegen ist (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG).
1.2. Mit der Beschwerde in Zivilsachen kann die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht in diesem Bereich grundsätzlich von Amtes wegen und mit freier Kognition an (Art. 106 Abs. 1 BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 134 III 102 E. 1.1 S. 104). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen (Art. 106 Abs. 2 BGG), wobei hier das Rügeprinzip gilt (BGE 133 III 589 E. 2 S. 591). Das Bundesgericht legte seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 BGG).
2. Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt die Fristwahrung für die Be-streitung eines Lastenverzeichnisses.
2.1. Die kantonale Aufsichtsbehörde hält fest, dass das Betreibungsamt den Gläubiger mit Schreiben vom 19. November 2010 in Kenntnis gesetzt habe, dass er das Lastenverzeichnis und die Steigerungsbedingungen erhalte, welche vom 24. November 2010 bis 4. Dezember 2010 samt der Schatzung öffentlich aufgelegt würden. Eine Fristansetzung und auch das "Deckblatt Form. VZG 9B", welches auf die gesetzliche Bestreitungsfrist von Art. 140 SchKG hinweise, habe hingegen gefehlt. Daher habe der Gläubiger aufgrund der fehlenden Fristansetzung in guten Treuen davon ausgehen dürfen, dass die Bestreitungsfrist mit der Auflagefrist des Lastenverzeichnisses einhergehe. Die am 3. Dezember 2010 erfolgte Bestreitung sei damit rechtzeitig erfolgt.
2.2. Vor der Versteigerung eines Grundstückes ermittelt das Betreibungsamt die darauf ruhenden Lasten anhand der Eingabe der Berechtigten und eines Auszugs aus dem Grundbuch. Alsdann stellt es den Beteiligten das Verzeichnis der Lasten zu und setzt ihnen gleichzeitig eine Bestreitungsfrist von zehn Tagen (Art. 140 Abs. 1 und 2 SchKG, Art. 37 Abs. 2 VZG). Das hierfür vorgesehene Formular VZG Nr. 9B weist die Beteiligten unter anderem darauf hin, dass die verzeichneten Lasten nach Bestand, Fälligkeit, Umfang und Rang sowie die aufgeführten Zugehörsgegenstände als solche anerkennt werden, wenn sie nicht innert zehn Tagen nach Empfang der Anzeige bestritten werden. Bei der angesetzten Frist handelt es sich um eine Verwirkungsfrist (KUHN, in: Kurzkommentar VZG, 2011, N. 6 zu Art. 37; JENT-SØRENSEN, Die Rechtsdurchsetzung bei der Grundstückverwertung in der Spezialexekution, 2003, Rz. 359; PIOTET, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 26 zu Art. 140).
2.3. Die Beschwerdeführerin betont, dass die Zustellung des Lastenverzeichnisses an die Beteiligten individuell erfolgen müsse und nicht durch eine (gesetzlich nicht vorgesehene) Mitteilung über eine öffentliche Auflage ersetzt werden könne. Dieser Standpunkt entspricht durchaus den gesetzlichen Anforderungen (E. 2.2). Soweit die Beschwerdeführerin daraus den Schluss zieht, dass die öffentliche Auflage des Lastenverzeichnisses keine Bestreitungsfrist im Sinne von Art. 140 Abs. 2 SchKG auslösen könne, kann ihr auch noch beigepflichtet werden. Im vorliegenden Fall steht indes die Frage im Zentrum, welche Folgen sich aus der fehlenden Ansetzung der Bestreitungsfrist für den Gläubiger als Beteiligten ergeben. Zwar wurde diesem das Lastenverzeichnis korrekt zugestellt, indessen mit dem blossen Hinweis auf die öffentliche Auflage vom 24. November bis 4. Dezember 2010 versehen. In seinem Schreiben an das Betreibungsamt vom 3. Dezember 2010 nahm der (inzwischen anwaltlich vertretene) Gläubiger denn auch Bezug auf die öffentliche Auflage des Lastenverzeichnisses sowie deren Dauer und folgerte, dass mit "der heutigen Eingabe [...] also die Bestreitungsfrist gemäss Art. 140 Abs. 2 SchKG gewahrt" sei. Entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin hat die Aufsichtsbehörde sehr wohl zwischen der Bestreitungsfrist nach Art. 140 Abs. 2 SchKG und der Dauer der öffentlichen Auflage des Lastenverzeichnisses (samt Steigerungsbedingungen und Schatzung) unterschieden. Vorerst hat sie zu Recht dargelegt, dass ein noch nicht rechtskräftiges Lastenverzeichnis nicht öffentlich aufzulegen ist und das Betreibungsamt statt den Gläubiger auf die öffentliche Auflagefrist hinzuweisen, ihm die gesetzliche Frist für die Bestreitung des Lastenverzeichnisses hätte ansetzen müssen. Das Betreibungsamt habe damit den Anschein geschaffen, dass die beiden (je zehn Tage dauernden) Fristen zeitlich zusammenfallen würden und der Gläubiger habe sich in guten Treuen darauf verlassen dürfen.
2.4. Gemäss einem aus dem Prinzip von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3, Art. 9 BV) fliessenden Grundsatz des öffentlichen Prozessrechts darf dem Adressaten eines Entscheides aus einer falschen Rechtsmittelbelehrung kein Nachteil erwachsen (BGE 129 II 125 E. 3.3 S. 134). Wann er sich auf eine ungenaue oder gar fehlende Rechtsmittelbelehrung verlassen darf, hängt von den konkreten Umständen und von seinen Rechtskenntnissen ab. Ist er rechtsunkundig und auch nicht rechtskundig vertreten, so darf er nicht wie eine anwaltlich vertretene Partei behandelt werden, es sei denn, er verfüge namentlich aus früheren Verfahren über einschlägige Erfahrungen. Zudem darf er sich mit einer Grobkontrolle anhand des Gesetzestextes begnügen und muss nicht zusätzlich Lehre und Rechtsprechung berücksichtigen (BGE 138 I 49 E. 8.3.2 S. 53/54; 135 III 374 E. 1.2.2.2 S. 376/377; 129 II 125 E. 3.3 S. 134).
2.5. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin steht dem Gläubiger kein Vertrauensschutz für den fehlenden Hinweis auf die Bestreitungsfrist des Lastenverzeichnisses zu. Sie betont in diesem Zusammenhang die anwaltliche Vertretung des Gläubigers. Die Mitteilung des Betreibungsamtes vom 19. November 2010 richtete sich allerdings noch direkt an den Gläubiger, weshalb dieser zumindest bei Erhalt - und damit bei Fristbeginn - noch nicht rechtskundig vertreten war. Die von der Beschwerdeführerin als unmissverständlich bezeichnete gesetzliche Regelung (Art. 140 Abs. 2 SchKG sowie Art. 37 Abs. 2 VZG) wendet sich an das Betreibungsamt und erfordert in der Tat keine zusätzlichen Abklärungen über das weitere Vorgehen. Insbesondere geht daraus hervor, dass die Zustellung des Lastenverzeich-nisses gleichzeitig mit der Ansetzung der Bestreitungsfrist zu verbinden ist. Dem Empfänger des Lastenverzeichnisses wurde indes nur die Dauer der öffentlichen Auflage mitgeteilt, welche wie die gesetzliche Bestreitungsfrist auf zehn Tage angesetzt wurde. Der Beschwerdeführerin ist zuzustimmen, dass die Auflage des (noch nicht rechtskräftigen) Lastenverzeichnisses gesetzlich nicht vorgesehen ist (vgl. BGE 121 III 24 E. 2b S. 26; Art. 45 Abs. 2 VZG; AMONN/WALTHER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9. Aufl. 2013, § 28 Rz. 46 ff.). Zudem entspringt die Verwendung amtlicher Formulare im Zwangsvollstreckungsrecht nur einer Ordnungsvorschrift, wie sie mit Hinweis ebenfalls zu Recht betont (vgl. Art. 1 Abs. 1 und 2, Art. 3 Abs. 1 der Verordnung über die Betreibungs- und Konkursverfahren der zu verwendenden Formulare und Register sowie die Rechnungsführung [VFRR, SR 281.31]; GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. II, 2000, N. 115 zu Art. 140; ANNEN, in: Kurzkommentar VZG, 2011, N. 2 zu Art. 2). In Anbetracht der gesamten Umstände und nicht zuletzt des zeitlichen Ablaufs des Geschehens hat das Betreibungsamt jedoch eine ungewöhnliche Situation geschaffen (vgl. BGE 96 III 74 E. 4 S. 82 betreffend die fehlerhafte Benutzung des Formulars VZG Nr. 9B gegenüber einer Bank); dem Gläubiger kann keine Unsorgfalt vorgeworfen werden, wenn er bei Erhalt des Lastenverzeichnisses die ihm mitgeteilte zehntägige Auflagefrist fälschlicherweise als Bestreitungsfrist verstanden und wahrgenommen hat, statt die Rechtslage (bei Erhalt) zu klären oder durch einen Anwalt klären zu lassen.
3. Nach dem Dargelegten ist der Beschwerde kein Erfolg beschieden. Ausgangsgemäss wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1, Art. 68 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3. Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.
4. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons Aargau, Schuldbetreibungs- und Konkurskommission als oberer betreibungsrechtlicher Aufsichtsbehörde sowie dem Bezirksgericht Laufenburg schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 3. Juli 2014
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Escher
Der Gerichtsschreiber: Levante