Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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{T 0/2}
6B_986/2013
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Urteil vom 11. Juli 2014
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Rüedi,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Fürsprecher Dr. Urs Oswald,
Beschwerdeführer,
gegen
1.
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin 1,
2. Y.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Corinne Burkhard,
Beschwerdegegnerin 2.
Gegenstand
Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, Revision,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, vom 29. August 2013.
Erwägungen:
1.
Das Obergericht des Kantons Aargau verurteilte den Beschwerdeführer am 11. November 2010 wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung zum Nachteil der Beschwerdegegnerin 2 zu einer Freiheitsstrafe von 3 ½ Jahren unter Anrechnung der Untersuchungshaft. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesgericht am 7. April 2011 ab, soweit es darauf eintrat (Urteil 6B_48/2011). Auf das Revisionsgesuch trat es am 19. Dezember 2012 nicht ein (Urteil 6F_17/2012).
Das Obergericht des Kantons Aargau wies das Gesuch des Beschwerdeführers um Wiederaufnahme des Verfahrens am 29. August 2013 ab, soweit es darauf eintrat.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt dieser, es sei das vorinstanzliche Urteil vom 29. August 2013 aufzuheben. In Gutheissung des Revisionsgesuchs sei das Urteil vom 11. November 2010 aufzuheben, das Revisionsverfahren durchzuführen und er vom Vorwurf der Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung freizusprechen. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
2.
Zur Begründung seines Revisionsgesuchs macht der Beschwerdeführer geltend, im Strafverfahren ungenügend verteidigt worden zu sein. Sein damaliger amtlicher Verteidiger habe als Mitglied des Gemeinderats dem Vorstand der Stifung A.________ angehört, bei welcher die Beschwerdegegnerin 2 betreut gewohnt habe. Aufgrund dieser personellen Verflechtung habe er der Beschwerdegegnerin 2 keine kritischen Fragen zum Vergewaltigungsvorwurf gestellt, was letztlich dazu geführt habe, dass ihre Aussagen als widerspruchsfrei und konstant beurteilt worden seien.
Der Beschwerdeführer bringt überdies vor, seine Ehefrau habe erfahren, dass die Beschwerdegegnerin 2 an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) leide. Auch die Aussagen des Stiefbruders der Beschwerdegegnerin 2, wonach diese laufend andere Beziehungen zu Männern habe und generell nicht glaubwürdig sei, deuteten auf eine solche Störung hin. Es lägen insofern neue und erhebliche Tatsachen und/oder Beweismittel vor, die geeignet seien, seine Freisprechung herbeizuführen
3.
Das obergerichtliche Urteil, dessen Wiederaufnahme beantragt wird, wurde am 11. November 2010 und somit vor Inkrafttreten der Schweizerischen Strafprozessordnung am 1. Januar 2011 gefällt. Die Vorinstanz prüft die behaupteten Revisionsgründe nach den Vorschriften der aargauischen Strafprozessordnung (Art. 453 Abs. 1 StPO). Das ist nicht zu beanstanden und ficht der Beschwerdeführer auch nicht an.
Gemäss Art. 230 Ziff. 1 StPO/AG kann gegen jedes rechtskräftige Strafurteil die Wiederaufnahme des Verfahrens verlangt werden, wenn erhebliche Tatsachen oder Beweismittel vorliegen, die dem Gericht zur Zeit des früheren Verfahrens nicht bekannt waren und die allein oder zusammen mit den früher festgestellten Tatsachen geeignet sind, die Freisprechung des Verurteilten oder eine erheblich geringere Bestrafung herbeizuführen. Die Vorschrift entspricht inhaltlich Art. 385 StGB und Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO.
Unter Tatsachen sind Umstände zu verstehen, die im Rahmen des dem Urteil zu Grunde liegenden Sachverhalts von Bedeutung sind. Mit Beweismitteln wird der Nachweis von Tatsachen erbracht. Erforderlich sind erhebliche neue Tatsachen oder Beweismittel, die geeignet sind, die Beweisgrundlage des früheren Urteils so zu erschüttern, dass aufgrund des veränderten Sachverhalts ein wesentlich milderes Urteil möglich ist (BGE 130 IV 72 E. 1 S. 73; 122 IV 66 E. 2a S. 67 f.; je mit Hinweisen). Die Wahrscheinlichkeit einer Abänderung des früheren Urteils genügt für die Zulassung der Revision. Der Nachweis einer solchen Wahrscheinlichkeit darf nicht dadurch verunmöglicht werden, dass für die neue Tatsache ein Beweis verlangt wird, der jeden begründeten Zweifel ausschliesst (BGE 116 IV 353 E. 4e).
4.
4.1. Verfahrensverstösse sind nicht mittels Revision korrigierbar. Die vom Beschwerdeführer ins Feld geführte ungenügende amtliche Verteidigung stellt keinen Revisionsgrund dar (vgl. Urteile 6B_288/2012 vom 6. Dezember 2012 E. 1 sowie 6F_14/2013 vom 6. Januar 2014 E. 2). Entsprechendes gilt für die geltend gemachte Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren im Sinne von Art. 6 EMRK. Es kann auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid (S. 10) verwiesen werden. Abgesehen davon entbehrt das Vorbringen ohnehin der Grundlage. Ein Interessenkonflikt oder der Anschein einer wie auch immer gearteten Befangenheit des damaligen amtlichen Verteidigers ist gestützt auf die Ausführungen in der Beschwerde nicht ersichtlich. Ebenso wenig ist erkennbar, dass und inwiefern die "kritischen" Fragen, die sein damaliger amtlicher Verteidiger der Beschwerdegegnerin 2 nach Meinung des Beschwerdeführers hätte stellen müssen (beispielsweise, ob sie ihrem früheren Freund vom Vorfall berichtete, sie Schuhe zum Reinschlüpfen oder zum Binden trug und ob sie Strumpfhosen anhatte etc.), geeignet sein könnten, das Beweisergebnis in Bezug auf die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 zu erschüttern. Der Beschwerdeführer zeigt solches auch nicht auf. Das Vorbringen läuft auf eine Kritik an der Beweiswürdigung im Strafverfahren heraus, was unzulässig ist. Ein Revisionsverfahren kann nicht dazu dienen, ein als unrichtig erachtetes Urteil in Wiedererwägung zu ziehen.
4.2. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, es lägen mit Bezug auf die angebliche BPS der Beschwerdegegnerin 2 und die Aussagen ihres Stiefbruders neue und erhebliche Tatsachen und/oder Beweismittel vor, kann ebenfalls auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid (S. 13-16) verwiesen werden. Die Vorinstanz erwägt, sie habe im Urteil vom 11. November 2010 die Aussagetüchtigkeit der Beschwerdegegnerin 2 im Zusammenhang mit ihrer Persönlichkeitsstruktur geprüft und sei zum Schluss gelangt, es bestünden keine Anzeichen dafür, dass sie aufgrund ihrer - wie auch immer gearteten - Behinderung nicht in der Lage gewesen sei, wahrheitsgemäss auszusagen. Es liege deshalb keine neue Tatsache vor. Selbst wenn von einer neuen Tatsache auszugehen wäre, fehlte es an deren Erheblichkeit. Denn angesichts ihrer durchwegs konstanten und widerspruchsfreien Schilderungen im Strafverfahren sei die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass die Aussagewürdigung unter Zugrundelegung der Annahme, die Beschwerdegegnerin 2 litte an einer BPS, anders ausfallen würde. Die Vorinstanz führt weiter aus, die Aussagen des Stiefbruders, wonach die Beschwerdegegnerin 2 generell nicht glaubwürdig sei, erfüllten zwar die Anforderungen an ein neues Beweismittel, seien aber nicht erheblich. Auf die bestrittene Glaubwürdigkeit der Beschwerdegegnerin 2 komme es nicht an. Es gehe vielmehr um die Glaubhaftigkeit ihrer konkreten Anschuldigungen. Inwiefern die subjektive Einschätzung des Stiefbruders, die Beschwerdegegnerin 2 sei unglaubwürdig, geeignet sein könnte, die Glaubhaftigkeit ihrer detaillierten Aussagen im Strafverfahren sowie die Würdigung der gesamten Beweismittel in Zweifel zu ziehen, sei nicht erkennbar. Was an diesen Erwägungen der Vorinstanz gegen das Recht verstossen oder willkürlich sein könnte, ergibt sich aus der Beschwerde nicht und ist auch nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer beschränkt sich auf pauschale Kritik und Mutmassungen. Er führt aus, bereits der Verdacht auf eine BPS bilde eine neue Tatsache und damit einen Revisionsgrund. Seine Ausführungen reichert er mit Auszügen aus Internet- und Zeitschriftenpublikationen zur BPS an, wobei er behauptet, dass die Hälfte der Frauen, die eine Falschbeschuldigung machen würden, psychische Probleme hätten. Mit den vorinstanzlichen Erwägungen befasst er sich kaum. Diese Art der Beschwerdeführung genügt den Anforderungen gemäss Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG nicht.
5.
Die Beschwerde ist unbegründet, soweit überhaupt darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang trägt der Beschwerdeführer die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 11. Juli 2014
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Mathys
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill