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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
{T 0/2}
6B_551/2014
Urteil vom 15. Juli 2014
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Denys, Oberholzer,
Gerichtsschreiber Briw.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Federico A. Pedrazzini,
Beschwerdeführer,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Schützengasse 1, 9001 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Stationäre therapeutische Massnahme (Art. 59 StGB),
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom 17. März 2014.
Sachverhalt:
A.
A.a. X.________ erstattete am 27. Januar 2006 Strafanzeige gegen Unbekannt wegen schwerer Körperverletzung und Gefährdung des Lebens im Kantonsspital St. Gallen. Auf seine Beschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen, kein Strafverfahren zu eröffnen, trat das Bundesgericht mit Urteil 1P.378/2006 vom 13. Juli 2006 nicht ein.
A.b. Der Einzelrichter Alttoggenburg-Wil verurteilte X.________ am 8. April 2008 wegen mehrfacher Widerhandlung gegen das SVG sowie Widerhandlung gegen das Waffengesetz zu bedingter Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 70.-- und Fr. 800.-- Busse. Sein Revolver wurde eingezogen. Auf seine Beschwerde gegen das bestätigende Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen vom 7. Januar 2009 trat das Bundesgericht mit Urteil 6B_192/2009 vom 14. April 2009 nicht ein.
A.c. Der Einzelrichter des Kreisgerichts Wil verurteilte X.________ am 22. April 2010 wegen mehrfacher Pornografie, mehrfachen Gewaltdarstellungen sowie Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen zu bedingter Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 70.-- und Fr. 2'000.-- Busse. Insbesondere hatte er mit der Nichtveräusserung seiner Schusswaffe gegen eine Verfügung verstossen, die ihm den Waffenbesitz untersagte. Seine Beschwerde gegen das bestätigende Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen vom 3. November 2010 wies das Bundesgericht mit Urteil 6B_1053/2010 vom 7. Januar 2011 ab, soweit es darauf eintrat.
A.d. Das Kreisgericht Wil verurteilte X.________ am 6. Mai 2011 wegen mehrfacher Pornografie zu einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 70.--. Innerhalb der Probezeit beging er die nachfolgend (Bst. B.a) angeklagten Straftaten.
B.
B.a. Nach der Anklageschrift warf X.________ am 14. und 15. Dezember 2012 je einen Zettel mit handschriftlichen Notizen in den Briefkasten einer Polizeistation in Wil. Darin kündigte er die Tötung eines "beliebigen Kantonspolizisten" an, falls sich ergeben sollte, dass seine Verfahrensrechte bei einer am 14. Dezember 2012 durchgeführten, gerichtlichen Mieterausweisung verletzt wurden.
Zudem lud er im November und Dezember 2012 in mehreren Malen elf Bilder mit sexuellen Handlungen von Menschen mit Tieren oder Gewalttätigkeiten bewusst vom Internet herunter und speicherte sie auf dem Notebook seiner Mutter ab.
B.b. Das Kreisgericht Wil sprach X.________ am 17. September 2013 der mehrfachen Drohung sowie der mehrfachen Pornografie (Art. 197 Ziff. 3 StGB) schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr (unter Anrechnung von 274 Tagen Haft). Es ordnete eine stationäre therapeutische Massnahme an (Art. 59 StGB). Die vom Kantonsgericht St. Gallen am 3. November 2010 sowie vom Kreisgericht Wil am 6. Mai 2011 ausgesprochenen bedingten Geldstrafen von 180 und 30 Tagessätzen zu je Fr. 70.-- erklärte es für vollziehbar. Zwei Dolche und ein Klappmesser zog es ein. Es verlängerte die Sicherheitshaft.
B.c. Das Kantonsgericht St. Gallen änderte am 17. März 2014 auf (eine den Schuldspruch und den Widerruf nicht betreffende) Berufung von X.________ das kreisgerichtliche Urteil im Strafpunkt und verurteilte ihn zu 1 Jahr Freiheitsstrafe unter Anrechnung der Untersuchungs- und Sicherheitshaft im Umfang von einem Jahr. Es bestätigte die Massnahme und verlängerte die Sicherheitshaft.
B.d. Auf die Beschwerde von X.________ gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen über die Verlängerung der Sicherheitshaft trat die I. öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichts mit Urteil 1B_116/2014 vom 25. März 2014 nicht ein.
C.
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das kantonsgerichtliche Urteil bezüglich der Anordnung der stationären Therapie aufzuheben, eine ambulante Massnahme gemäss Art. 63 StGB anzuordnen und die kantonalen Kosten entsprechend aufzuerlegen. Es sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen.
D.
Das Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen versetzte X.________ mit Vollzugsauftrag vom 26. Juni 2014 per 30. Juni 2014 in den vorzeitigen Massnahmenvollzug.
Erwägungen:
1.
Unbeachtlich ist das nach Ablauf der Beschwerdefrist (Art. 100 Abs. 1 BGG) eingereichte Schreiben, in welchem der Beschwerdeführer unter anderem ausführt, wegen des unbrauchbaren Gutachtens erfolge der Vollzug der Massnahme aktuell und künftig basierend auf einer Flut von Disziplinarverfügungen in der Arrestzelle.
2.
Die Rüge, das Gutachten sei in sich widersprüchlich, ist unbegründet. Mit der Bemerkung, die Psychiatrie biete "für solche Menschen leider auch nicht befriedigende Lösungen" (Beschwerde S. 7), stellte der Gutachter seine Diagnose und Behandlungsempfehlung nicht in Frage (vgl. unten E. 3.2). Dass er die Drohungen als "einschüchternde Drohgebärde" wertete, entspricht dem Schuldspruch (Art. 180 StGB) und lässt sich entgegen der Beschwerde (S. 8) nicht als Verneinung einer "Gefahr" auslegen. Die Umsetzung einer Tötungsdrohung ist eine legalprognostische Frage, die naturgemäss nicht mit Sicherheit beantwortet werden kann. Der Gutachter stufte den Beschwerdeführer als hochgradig gefährlich ein (Urteil S. 9). Er verfiel auch nicht in Widersprüchlichkeit, weil er die Verhältnismässigkeitsprüfung der richterlichen Entscheidung überliess. Das ist die gesetzliche Aufgabe des Gerichts.
3.
3.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, eine stationäre Massnahme sei unverhältnismässig. Eine ambulante Massnahme sei ausreichend, geeignet und verhältnismässig.
3.2. Die Vorinstanz führt aus, im forensisch-psychiatrischen Gutachten vom 7. April 2013 werde beim Beschwerdeführer eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit paranoiden, narzisstischen und zwanghaften Anteilen (ICD F61.0) sowie eine anhaltende wahnhafte Störung (ICD F22.0) diagnostiziert. Beide als mittelschwer eingestuften Störungen würden sich in der Kombination potenzieren. Der Gutachter erachte gestützt auf die Psychopathy Checklist Revised und den HCR-20 die Wahrscheinlichkeit von Gewalttaten gegen Leib und Leben als hoch. Gefährdet seien insbesondere Institutionen, mit denen er queruliere, sowie deren Personal. Er bezeichne die Risikovariablen in naher Zukunft als sehr ungünstig. Falls der Beschwerdeführer in seinen Möglichkeiten, zu querulieren, eingeschränkt werde, bestehe die Gefahr, dass er deutlich weiter gehe und seine Drohungen umsetze, damit er wieder im Mittelpunkt stehe oder um seine "Prozesse führen zu können". Entgegenwirkende, stützende Massnahmen würde er als massiv einschränkend erleben. Der Gutachter erklärte vor der Vorinstanz, es werde für den Beschwerdeführer schwieriger zu querulieren, weil sein Haftpflichtprozess und sein Verfahren vor dem EGMR weggefallen seien. Er müsse sich ein neues Feld suchen und finde es am leichtesten in einem Delikt. Bei Ablenkung sei er weniger gefährlich. Er habe Rachegelüste, möge Machtspiele und sei hochgradig gefährlich.
Die kombinierte Persönlichkeitsstörung sei schwierig zu behandeln. Eine verhaltenstherapeutische Psychotherapie sei am ehesten im stationären Rahmen durchführbar. Bei Behandlungserfolg könne der Gefahr neuer Straftaten begegnet werden. Vor der Vorinstanz stufte der Gutachter die Erfolgsaussichten einer ambulanten Behandlung als sehr schlecht ein und empfahl eine stationäre Massnahme. Eine Motivierbarkeit erachtete er als gegeben. Der Gutachter setzte sich vor der Vorinstanz auch mit den Vorbringen der Verteidigung und des Beschwerdeführers zu einer von Prof. Y.________ im Jahre 2006 erwogenen Borderline-Symptomatik auseinander. Damit liege keine abschliessende Diagnose vor. Die Vorinstanz stellt fest, die knappe und nicht verbindliche Darstellung von Prof. Y.________ sei nicht geeignet, das Gutachten und die gutachterlichen Ausführungen in Zweifel zu ziehen.
3.3. Staatliche Eingriffe in die Freiheitsrechte setzen ein öffentliches Interesse voraus und müssen verhältnismässig sein (Art. 36 Abs. 3 BV; vgl. BGE 140 II 194 E. 5.8.2 zu Art. 5 Abs. 2 BV). Entsprechend setzt Art. 56 Abs. 2 StGB voraus, dass der mit einer Massnahme verbundene Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Täters im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit und Schwere weiterer Straftaten nicht unverhältnismässig ist.
Das Gericht kann die stationäre therapeutische Massnahme gemäss Art. 59 Abs. 1 StGB (Behandlung von psychischen Störungen) anordnen, wenn der Täter ein Verbrechen oder Vergehen begangen hat, das mit seiner psychischen Störung im Zusammenhang steht (lit. a), und zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit seiner psychischen Störung in Zusammenhang stehender Taten begegnen (lit. b). Das Gericht ordnet diejenige Massnahme an, die den Täter am wenigsten beschwert (Art. 56a Abs. 1 StGB).
3.4. Wie die Vorinstanz zutreffend annimmt, sind die Voraussetzungen von Art. 59 Abs. 1 StGB erfüllt. Der Beschwerdeführer ist psychisch schwer gestört. Die Vergehen wegen Tötungsdrohung und Gewaltpornografie stehen damit im Zusammenhang. Nicht zu verkennen ist die Waffenaffinität (oben Bst. A.b, A.c und B.b). Nach dem Gutachter kann mit einer Behandlung der Gefahr der zu erwartenden, schweren Straftaten begegnet werden, auch wenn die Störungen nur schwer behandelbar sind. Die Motivierbarkeit erachtete er als gegeben.
Gemäss dem Verhältnismässigkeitsgebot ist bei geringem Verschulden und kurzer Freiheitsstrafe unter Umständen trotz Therapiebedürftigkeit von einer Massnahme abzusehen (BGE 136 IV 156 E. 3.2). Gemäss Art. 59 StGB entscheidet indessen nicht das Strafmass, sondern die Frage, ob der mit dem Geisteszustand des Täters zusammenhängenden Wahrscheinlichkeit schwerer Straftaten mit einer stationären Therapie begegnet werden kann (vgl. BGE 127 IV 1 E.2c/cc S. 8; 136 IV 156 E. 2.3, 3.1 und 3.5). Der Beschwerdeführer wird vom Gutachter und der Vorinstanz als hochgradig gefährlich mit schlechter Legalprognose eingestuft, wobei eine progrediente Querulanz zu befürchten ist (vgl. Urteil 6B_175/2014 vom 3. Juli 2014 E. 3.3 mit Hinweis auf THOMAS NOLL, Rechtliche und kriminologische Aspekte bei Drohung gegen Behörden und Beamte durch Querulanten, ZStrR 132/2014 S. 210 ff.). Angesichts der Gefährlichkeit kommt der stationären Behandelbarkeit bei der Interessenabwägung grösseres Gewicht zu als dem Eingriff in die Freiheitsrechte (vgl. Urteil 6B_596/2011 vom 19. Januar 2012 E. 3.2.3 ff.).
Bei der aufgezeigten schwierigen Behandelbarkeit und dem querulatorischen Grundmuster erweist sich eine ambulante Massnahme, wie sie die Verteidigung beantragt, als ungeeignet. Hingegen besteht aufgrund der gutachterlichen Ausführungen bei stationärer Behandlung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dadurch lasse sich über die Dauer von fünf Jahren (Art. 59 Abs. 4 StGB) die Gefahr weiterer, mit der psychischen Störung in Zusammenhang stehender Taten deutlich verringern (BGE 134 IV 315 E. 3.4.1 S. 321 f.). Die Notwendigkeit einer Massnahme ist ausgewiesen. Eine mildere Massnahme steht zurzeit nicht zur Verfügung. Die Rüge einer Unverhältnismässigkeit erweist sich als unbegründet.
4.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann gutgeheissen werden. Es sind keine Kosten aufzuerlegen. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers ist aus der Bundesgerichtskasse zu entschädigen (Art. 64 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen.
3.
Es werden keine Gerichtskosten auferlegt.
4.
Rechtsanwalt Federico A. Pedrazzini wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- ausgerichtet.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 15. Juli 2014
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Mathys
Der Gerichtsschreiber: Briw