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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
{T 0/2}
8C_452/2014
Urteil vom 17. Juli 2014
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Durizzo.
Verfahrensbeteiligte
1. A.________,
vertreten durch Fürsprecher Herbert Schober,
2. Herbert Schober,
vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Senn,
Beschwerdeführer,
gegen
IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
1. Invalidenversicherung (Invalidenrente; Revision),
2. Rechtsvertretung im vorinstanzlichen Verfahren (Honorar),
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
vom 7. Mai 2014.
Sachverhalt:
A.
A.________, geboren 1960, hatte sich bei einem Autounfall am 5. April 1996 ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule zugezogen. Die IV-Stelle des Kantons Zürich richtete ihr seit dem 1. November 1997 eine ganze Invalidenrente, ab dem 1. Januar 2008 eine Dreiviertelsrente aus.
Gestützt auf die am 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Schlussbestimmungen der Änderung des IVG vom 18. März 2011 (6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket; AS 2011 5659) überprüfte die IV-Stelle die Rente und stellte ihre Leistungen mit Verfügung vom 17. Juli 2012 ein.
B.
A.________ erhob dagegen Beschwerde beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich. Die IV-Stelle liess sich dahingehend vernehmen, dass die Invalidität in der ursprünglichen Rentenverfügung anhand eines viel zu hohen Valideneinkommens bemessen worden und die Rente rückwirkend aufzuheben sei. Nach Ankündigung einer in Betracht fallenden Schlechterstellung (reformatio in peius) wies das Gericht die Beschwerde mit Entscheid vom 7. Mai 2014 ab.
C.
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag auf Zusprechung einer Invalidenrente sowie von Eingliederungsmassnahmen. Des Weiteren ersucht sie um unentgeltliche Rechtspflege. Ihr Rechtsvertreter beantragt zudem in eigenem Namen, es sei ihm für die unentgeltliche Verbeiständung im vorinstanzlichen Verfahren eine höhere Entschädigung zuzusprechen.
Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Es wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 134 I 65 E. 1.3 S. 67 f.; 134 V 250 E. 1.2 S. 252, je mit Hinweisen). Unter Berücksichtigung der Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) prüft es indessen nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind, und ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr aufgegriffen werden (BGE 134 I 313 E. 2 S. 315, 65 E. 1.3 S. 67 f., je mit Hinweisen).
2.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze zur Rentenrevision (Art. 17 ATSG; BGE 130 V 343 E. 3.5 S. 349; 130 V 71 E. 3.2.3 S. 75 f. und 133 V 108) beziehungsweise zur wiedererwägungsweisen Herabsetzung oder Aufhebung einer Invalidenrente im Rahmen eines Revisionsverfahrens durch das Gericht mit der substituierten Begründung, die ursprüngliche Rentenzusprechung sei zweifellos unrichtig gewesen (BGE 125 V 368 E. 2 S. 369 mit Hinweisen; in BGE 135 I 1 nicht publizierte E. 5.1 des Urteils 9C_342/2008 vom 20. November 2008; vgl. auch BGE 112 V 371 E. 2c S. 373 und 387 E. 1b S. 390), zutreffend dargelegt. Es wird darauf verwiesen.
3.
Bei der ursprünglichen Rentenverfügung hatte die IV-Stelle den Verdienst, den die Beschwerdeführerin als Gesunde hätte erzielen können (Valideneinkommen), auf 100'000 Franken festgesetzt. Sie hatte sich dabei auf die damaligen Angaben der Beschwerdeführerin und auf die Eintragungen in ihrem individuellen Konto (IK) gestützt. Die Beschwerdeführerin hatte damals zusammen mit ihrem Ehemann ein Reinigungsunternehmen geführt. Nachdem die Versicherte sich bei der Vorinstanz gegen die Rentenaufhebung beschwert hatte, bemerkte die IV-Stelle, dass die gegenüber der Ausgleichskasse deklarierten Beträge nie abgerechnet worden seien. Das kantonale Gericht stellte die folgenden Unstimmigkeiten fest: Die Beschwerdeführerin hatte bei der ursprünglichen Rentenzusprechung im Vorbescheidverfahren geltend gemacht, dass seit der Gründung der Reinigungsfirma im Jahr 1991 zwei Aufbaujahre und anschliessend, bis zum Unfall, drei sehr erfolgreiche Jahre zu verzeichnen gewesen seien. Im IK-Auszug der Beschwerdeführerin aufgeführt waren denn auch Einkommen von 44'550 Franken im Jahr 1991, 59'200 Franken im Jahr 1992, 119'200 Franken im Jahr 1993, 99'400 Franken im Jahr 1994 und 109'200 Franken im Jahr 1995. Diese Beträge wichen jedoch beträchtlich ab von den Gewinnen, wie sie sich aus den Jahresabschlüssen des Unternehmens ergaben. Diese zeigten ein erfolgreiches drittes Geschäftsjahr 1993/1994 mit einem Gewinn von 180'781 Franken, dann jedoch einen drastischen Rückgang mit Gewinnen von 81'381 Franken im Geschäftsjahr 1994/1995 und 26'652 Franken im Jahr vor dem Unfall (1995/1996). Diese Gewinne standen der Beschwerdeführerin und ihrem Ehegatten (lediglich) je hälftig zu. Die Vorinstanz erachtete es daher als erstellt, dass die Beschwerdeführerin jedenfalls in den letzten beiden Jahren vor dem Unfall beträchtlich weniger als 100'000 Franken verdient hatte. Wäre der Durchschnitt der Betriebsgewinne in den letzten drei Jahren vor dem Unfall berücksichtigt und das Valideneinkommen entsprechend dem hälftigen Anspruch der Beschwerdeführerin auf 48'136 Franken festgesetzt worden, hätte sich bei einem Invalidenlohn von 32'619 Franken ein rentenausschliessender Invaliditätsgrad von 32 % ergeben. Die angefochtene Rentenaufhebung war daher nach Auffassung des kantonalen Gerichts im Ergebnis zu schützen.
4.
Die Beschwerdeführerin macht sinngemäss im Wesentlichen geltend, dass die Rentenaufhebung beziehungsweise die zweifellose Unrichtigkeit der ursprünglichen Rentenverfügung im angefochtenen Entscheid nicht hinreichend begründet worden sei. Die geschilderten Einkommensverhältnisse bestreitet sie indessen nicht. Dass die Vorinstanz die Rechtsprechung zur Ermittlung des Valideneinkommens verletzt hätte, wird zu Recht nicht geltend gemacht, denn sie hat am zuletzt erzielten Verdienst angeknüpft (BGE 134 V 322 E. 4.1 S. 325; 129 V 222 E. 4.3.1 S. 224). Zwar kann das Valideneinkommen von Selbständigerwerbenden zumeist anhand der Einträge im individuellen Konto bestimmt werden (vgl. Art. 25 Abs. 1 IVV; SVR 2010 IV Nr. 26 S. 79, 8C_9/2009 E. 3.3). Es war jedoch gerechtfertigt, von diesem Grundsatz abzuweichen, nachdem gegenüber der Ausgleichskasse ein weit höherer Verdienst angegeben worden war, als der Beschwerdeführerin nach den Jahresabschlüssen zustand. Schliesslich sind nach der Rechtsprechung Schwankungen zu berücksichtigen (SVR 2010 IV Nr. 26 S. 79, 8C_9/2009 E. 3.3), welche im Fall der Beschwerdeführerin anhand der Betriebsabschlüsse ausgewiesen waren. Die Einwände der Beschwerdeführerin vermögen daher keine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung durch das kantonale Gericht oder eine Rechtsverletzung darzutun.
5.
Die Beschwerdeführerin rügt, dass ihr Antrag auf Eingliederungsmassnahmen zu Unrecht nicht behandelt worden sei. Es wird jedoch nicht begründet, weshalb darauf nach der wiedererwägungsweisen Aufhebung der Invalidenrente durch das kantonale Gericht ein Anspruch bestehe.
6.
Der Rechtsvertreter der Versicherten beanstandet schliesslich die Höhe der ihm im vorinstanzlichen Verfahren zugesprochenen Entschädigung für seine unentgeltliche Verbeiständung.
Die Bemessung der Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistands im kantonalen Verfahren ist mangels bundesrechtlicher Bestimmungen dem kantonalen Recht überlassen (BGE 131 V 153 E. 6.1 S. 158). Eine Bundesrechtsverletzung nach Art. 95 lit. a BGG liegt nur vor, wenn die Anwendung kantonalen Rechts, sei es wegen seiner Ausgestaltung oder aufgrund des Ergebnisses im konkreten Fall, zu einer Verfassungsverletzung führt. Dabei fällt im Bereich der nach kantonalem Recht zuzusprechenden und zu bemessenden Parteientschädigung beziehungsweise Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistandes praktisch nur das Willkürverbot (Art. 9 BV) in Betracht (SVR 2011 UV Nr. 8 S. 29, 8C_789/2010 E. 3). Die Festsetzung des Honorars des unentgeltlichen Rechtsbeistandes muss in der Regel nicht oder dann lediglich summarisch begründet werden (Urteil 4D_102/2011 vom 12. März 2012 E. 4.2).
Das kantonale Gericht erachtete den vom unentgeltlichen Rechtsvertreter mit Honorarnote vom 29. April 2014 geltend gemachten Aufwand von insgesamt 22,1 Stunden als der Streitsache nicht angemessen, insbesondere die für die beiden Rechtsschriften (Beschwerde und Replik) in Rechnung gestellten je über acht Stunden als weit übersetzt. Für die je rund neun Seiten zur Sache erschienen je vier Stunden als gerechtfertigt. Das kantonale Gericht setzte die Entschädigung auf 2'967 Franken fest. Der Rechtsvertreter bringt vor, dass es sich um einen sachverhaltlich und rechtlich komplexen Fall handle. Zu berücksichtigen ist indessen, dass er die Versicherte schon seit ihrer Anmeldung bei der Invalidenversicherung vertreten hat. Gestützt auf die angefochtene Verfügung war im vorinstanzlichen Verfahren zunächst streitig, ob eine Aufhebung der Invalidenrente auf der Rechtsgrundlage der 6. IV-Revision zulässig sei. Nach der Vernehmlassung der IV-Stelle drehte sich der Streit um das der ursprünglichen Rentenverfügung zugrunde liegende Valideneinkommen. Eine besondere Komplexität ist darin nicht auszumachen. In Betracht fällt auch, dass das kantonale Gericht den Zeitaufwand für die Instruktion durch die Klientin separat berücksichtigt hat. Insgesamt vermögen die Einwände des Rechtsvertreters damit keine Willkür bei der Festsetzung seiner Entschädigung zu begründen.
7.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden den unterliegenden Beschwerdeführenden auferlegt (Art. 65 Abs. 4 lit. a in Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 BGG). Die unentgeltliche Rechtspflege (im Sinne der vorläufigen Befreiung von den Gerichtskosten und der unentgeltlichen Verbeiständung, Art. 64 Abs. 1 und Abs. 2 BGG) kann der Beschwerdeführerin gewährt werden, weil die Bedürftigkeit aktenkundig ist und die Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin geboten war. Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Der Beschwerdeführerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Fürsprecher Herbert Schober wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden den Beschwerdeführenden je hälftig auferlegt; der Anteil der Beschwerdeführerin wird vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.
4.
Dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin wird aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, dem Bundesamt für Sozialversicherungen und der Ausgleichskasse des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 17. Juli 2014
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Leuzinger
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo