Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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{T 0/2}
6B_155/2014
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Urteil vom 21. Juli 2014
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi,
Gerichtsschreiberin Andres.
Verfahrensbeteiligte
X.________, vertreten durch Rechtsanwalt Alessandro Palombo,
Beschwerdeführer,
gegen
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Einstellungsverfügung (Nötigung etc.), Entschädigung,
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts
des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 27. Dezember 2013.
Sachverhalt:
A.
Die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis stellte das gegen X.________ wegen Nötigung, Drohung und Tätlichkeiten geführte Strafverfahren am 16. Mai 2013 mangels Schuldfähigkeit ein. Sie richtete X.________ weder eine Entschädigung noch eine Genugtuung aus und nahm die Verfahrenskosten auf die Staatskasse.
Das Obergericht des Kantons Zürich hiess die Beschwerde von X.________ am 27. Dezember 2013 teilweise gut und sprach ihm eine Entschädigung von Fr. 3'406.20 sowie eine Genugtuung von Fr. 1'000.-- zu. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat.
B.
X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, der angefochtene Beschluss und die Einstellungsverfügung seien teilweise aufzuheben. Das Strafverfahren gegen ihn sei nicht wegen Schuldunfähigkeit, sondern gestützt auf Art. 319 Abs. 1 lit. b StPO, eventualiter Art. 319 Abs. 1 lit. a StPO, einzustellen, und Ziffer 1 des Dispositivs der Einstellungsverfügung sei entsprechend abzuändern. Die Begründung der Einstellungsverfügung sei derart anzupassen, dass ihm kein Verschulden mehr vorgeworfen werde. Ferner sei ihm eine Genugtuung von Fr. 2'000.-- und eine Entschädigung von Fr. 4'382.50 zuzusprechen.
Erwägungen:
1.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Staatsanwaltschaft werfe ihm in der Einstellungsverfügung ein schuldhaftes Verhalten vor und verletze damit die Unschuldsvermutung. Ferner gehe sie aktenwidrig und willkürlich davon aus, er sei schuldunfähig. Er habe ein besonderes Interesse an der Änderung der Einstellungsverfügung, da er in Zusammenhang mit den ihm vorgeworfenen Vorfällen gegen verschiedene Personen Strafanzeige eingereicht habe. Zudem sei ein Administrativmassnahmeverfahren des Strassenverkehrsamts hängig. Die Vorinstanz verletze Bundesrecht, wenn sie seine Beschwer verneine und in diesem Punkt nicht auf seine Beschwerde eintrete.
1.1. Nach Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 1 BGG ist die beschuldigte Person zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt, wenn sie vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat. Auch im kantonalen Verfahren ist die beschuldigte Person nur zur Beschwerde legitimiert, wenn sie durch den angefochtenen Entscheid beschwert ist (vgl. Art. 382 Abs. 1 StPO).
Definitive Verfahrenseinstellungen haben die rechtlichen Wirkungen eines gerichtlichen Freispruchs (siehe Art. 320 Abs. 4 StPO). Die Einstellung (oder der Freispruch) "mangels Beweises" oder wegen eines materiellen gesetzlichen Strafbefreiungsgrunds führt nicht zu einem "Freispruch zweiter Klasse". Die Verfahrenserledigung zieht grundsätzlich die gleichen Rechtskraftwirkungen nach sich wie die Einstellung (oder der Freispruch) mangels erfüllten Tatbestands oder wegen Nachweises der Unschuld (Urteil 1B_3/2011 vom 20. April 2011 E. 2.3 mit Hinweisen). Gleiches gilt, wenn die beschuldigte Person mangels Schuldfähigkeit freigesprochen oder das Verfahren eingestellt wird.
Die beschuldigte Person ist grundsätzlich nicht legitimiert, mittels Beschwerde in Strafsachen eine zu ihren Gunsten erfolgte Verfahrenseinstellung anzufechten, mit dem Ziel, eine andere juristische Begründung der Einstellungsverfügung zu erwirken. Die Beschwer ergibt sich allein aus dem Dispositiv des angefochtenen Entscheids. Die Begründung kann nicht angefochten werden. Eine Ausnahme gilt nach der Rechtsprechung nur insofern, als Begründung und Dispositiv der Einstellungsverfügung sinngemäss einem Schuldvorwurf gleichkommen, ohne dass zuvor der gesetzliche Beweis der Schuld erbracht worden wäre und die beschuldigte Person Gelegenheit zur Wahrnehmung ihrer Verteidigungsrechte erhalten hätte (siehe Urteile 1B_3/2011 vom 20. April 2011 E. 2.5 und 6B_568/2007 vom 28. Februar 2008 E. 5.2; je mit Hinweisen).
1.2. Die Beschwer des Beschwerdeführers ist vorliegend sowohl für seine Legitimation vor Bundesgericht als auch für die Frage relevant, ob die Vorinstanz zu Unrecht auf seine Beschwerde nicht eingetreten ist. Ersteres kann offenbleiben, da die Rügen unbegründet sind.
Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer sei bezüglich der staatsanwaltschaftlichen Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand nicht beschwert (Beschluss S. 5 f.). Einerseits erfolgte die Einstellung zu seinen Gunsten, andererseits ergibt sich aus dem Dispositiv der Einstellungsverfügung nicht, dass das Verfahren wegen Schuldunfähigkeit eingestellt wurde. Die angeblich negativen Folgen in den weiteren Verfahren rechtfertigen nicht, die Beschwerde ausnahmsweise zuzulassen. Dem Beschwerdeführer steht es frei, seine Schuldfähigkeit in diesen Verfahren erneut zu thematisieren.
Ebenso wenig drängt es sich auf, die Beschwerde zur Gewährleistung der Unschuldsvermutung zuzulassen. Wie die Vorinstanz zu Recht ausführt, warf die Staatsanwaltschaft dem Beschwerdeführer bei der Erläuterung der Einstellungsgründe nicht vor, er habe schuldhaft gehandelt (vgl. Beschluss S. 5). Sie begründete die Einstellung mit seiner Schuldunfähigkeit. Jedoch trifft es zu, dass sie ihm weder eine Entschädigung noch eine Genugtuung zusprach, weil er die Einleitung des Strafverfahrens rechtswidrig und schuldhaft verursacht habe. Dies korrigiert die Vorinstanz, indem sie festhält, der Beschwerdeführer sei zu entschädigen, da ihm kein schuldhaftes Verhalten vorgeworfen werden könne (Beschluss S. 7). Die Unschuldsvermutung ist nicht verletzt. Der angefochtene Beschluss ist nicht zu beanstanden und es drängen sich vorfrageweise keine weiteren materiellen Überlegungen auf.
2.
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe seine Genugtuung zu tief angesetzt. Wie in einem vergleichbaren Fall aus dem Kanton Solothurn sei ihm für die zweitägige Unterbringung in der geschlossenen psychiatrischen Klinik eine Genugtuung von mindestens Fr. 2'000.-- auszurichten. Ferner habe die Vorinstanz die Leistungen von Rechtsanwalt A.________ von Fr. 976.30 zu Unrecht nicht als entschädigungspflichtige Aufwendungen anerkannt.
2.1. Die Genugtuung gemäss Art. 429 Abs. 1 lit. c StPO ist nach richterlichem Ermessen festzulegen. Das Bundesrecht setzt keinen bestimmten Mindestbetrag fest. Bei der Ausübung des Ermessens kommt den Besonderheiten des Einzelfalls entscheidendes Gewicht zu (vgl. Urteil 6B_111/2012 vom 15. Mai 2012 E. 4.2). Das Bundesgericht greift bei Ermessensfragen nur korrigierend ein, wenn die Vorinstanz das Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt hat, also ihr Ermessen überschritten, missbraucht oder unterschritten hat (vgl. BGE 137 V 71 E. 5.1 S. 72 f. mit Hinweis).
Der Beschwerdeführer legt nicht dar, dass bzw. inwiefern die Vorinstanz ihr Ermessen rechtsfehlerhaft ausübt. Insbesondere führt er vor Bundesgericht nicht aus, welche genugtuungserhöhenden Elemente die Vorinstanz nicht berücksichtigt. Diese erwägt, der Beschwerdeführer belege ein angebliches Trauma nicht. Sie weist zu Recht darauf hin, dass der vorliegende Fall nicht mit jenem aus dem Kanton Solothurn vergleichbar ist (siehe Hütte/Ducksch/Guerro, Die Genugtuung, Eine tabellarische Übersicht über Gerichtsentscheide, 3. Aufl. 2005, XI/4 1998-2000, Nr. 1). Einerseits seien die Umstände der Verhaftung verschieden, andererseits sei es vorliegend nicht darum gegangen, einen Konflikt mittels fürsorgerischen Freiheitsentzugs zu lösen. Beim Beschwerdeführer sei die Einweisung in die psychiatrische Klinik nicht von einer am Konflikt beteiligten Person, sondern von einer von der Polizei beigezogenen Ärztin angeordnet worden (Beschluss S. 12). Im Übrigen wurde im Kanton Solothurn von einer Basisgenugtuung von Fr. 500.-- pro Tag ausgegangen, was Hütte als "eher zu hoch" erachtet. Die Genugtuung von Fr. 1'000.-- liegt innerhalb des vorinstanzlichen Ermessens.
2.2. Die Vorinstanz erwägt, die Aufwendungen von Rechtsanwalt A.________ seien nicht zu entschädigen, da sie gemäss dessen Schlussabrechnung in Sachen "Haftpflichtrecht / Kanton Zürich" angefallen seien und offensichtlich nicht das Strafverfahren betroffen hätten. Die Leistungsabrechnungen der beiden anderen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers seien angemessen, weshalb ihm eine Entschädigung von Fr. 3'406.20 auszurichten sei (Beschluss S. 7 ff.).
2.2.1. Der Beschwerdeführer legt ein Schreiben von Rechtsanwalt A.________ vom 24. Januar 2014, eine Vollmacht vom 21. September 2012, einen Brief vom 11. Oktober 2012 und eine "korrigierte Schlussabrechnung" vom 18. März 2013 ins Recht.
Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen vor Bundesgericht nur soweit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Hierbei handelt es sich um unechte Noven. Echte Noven, das heisst Tatsachen, die sich zugetragen haben, nachdem vor der Vorinstanz keine neuen Tatsachen mehr vorgetragen werden durften, sind vor Bundesgericht unbeachtlich (BGE 139 III 120 E. 3.1.2 S. 123; 133 IV 342 E. 2.1 S. 344 mit Hinweisen).
Da das Schreiben vom 24. Januar 2014 nach dem angefochtenen Beschluss verfasst wurde, ist es als echtes Novum unzulässig. Aus diesem ergibt sich, dass Rechtsanwalt A.________ die ursprüngliche Schlussabrechnung vom 18. März 2013, die den Vermerk "Haftpflichtrecht / Kanton Zürich" getragen hatte, anpasste und die "korrigierte Schlussabrechnung" dem Beschwerdeführer mit dem Schreiben vom 24. Januar 2014 zustellte. Die angepasste Abrechnung ist ebenfalls ein unzulässiges echtes Novum. Seine Behauptung, erst der angefochtene Beschluss habe zur Einreichung der weiteren Dokumente Anlass gegeben, begründet der Beschwerdeführer nicht. Dies ist auch nicht ersichtlich, da die Entschädigung für die Anwaltskosten bereits vor Vorinstanz Thema war. Die vor Bundesgericht neu eingereichten Dokumente sind nicht zu berücksichtigen.
2.2.2. Ob Rechtsanwalt A.________ seine Aufwendungen im Strafverfahren erbrachte, betrifft den Sachverhalt.
Die Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich im Sinne von Art. 9 BV ist (BGE 139 II 404 E. 10.1 S. 445 mit Hinweisen; vgl. zum Begriff der Willkür BGE 139 III 334 E. 3.2.5 S. 339; 138 I 49 E. 7.1; je mit Hinweisen) oder wenn sie auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine entsprechende Rüge muss klar vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 138 I 225 E. 3.2; 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 5; je mit Hinweisen).
Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, das die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung willkürlich erscheinen liesse. Seine Rüge ist unbegründet, soweit sie überhaupt den qualifizierten Begründungsanforderungen genügt.
3.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Der Beschwerdeführer hat die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 21. Juli 2014
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Mathys
Die Gerichtsschreiberin: Andres