BGer 4A_240/2014
 
BGer 4A_240/2014 vom 28.08.2014
{T 0/2}
4A_240/2014
 
Urteil vom 28. August 2014
 
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichter Kolly,
Bundesrichterinnen Hohl, Kiss, Niquille,
Gerichtsschreiber Kölz.
 
Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Marc Weber,
Beschwerdeführer,
gegen
B.B.________ und C.B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Rudolf Sutter,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Mietvertrag, Kündigung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, III. Zivilkammer, vom 5. März 2014.
 
Sachverhalt:
 
A.
A.A.________ (Kläger, Beschwerdeführer) ist der Schwiegersohn von B.B.________ und C.B.________ (Vermieter, Beschwerdegegner). Bis zu seinem Konkurs war er Eigentümer der seit 1988 von ihm und seiner Ehefrau D.A.________ bewohnten Liegenschaft E.________ in U.________. Im Zusammenhang mit dem Konkurs erwarben die Vermieter die Liegenschaft im Jahr 1992 von der St. Galler Kantonalbank und vermieteten sie ab 1. Juli 1992 an den Kläger und seine Ehefrau. Gemäss dem Mietvertrag vom 20./24. Juli 1992 betrug der Monatsmietzins anfänglich Fr. 3'000.--; per 1. Juni 2011 wurde er letztmals auf Fr. 1'750.-- angepasst.
 
B.
Der Kläger focht auch diese Kündigung gerichtlich an. Nach erfolglosem Schlichtungsversuch vor der Schlichtungsstelle des Gerichtskreises Wil beantragte er dem Kreisgericht Wil mit Klage vom 29. November 2012, es sei festzustellen, "dass die am 18. August 2012 (Versanddatum 21. August 2012) auf den 30. September 2012 ausgesprochene vorzeitige Kündigung ungültig [sei]"; eventuell sei diese Kündigung für unwirksam zu erklären. Am 20. März 2013 wies der Einzelrichter des Kreisgerichts Wil die Klage ab und stellte fest, dass die Kündigung gültig sei.
 
C.
Der Kläger beantragt mit Beschwerde in Zivilsachen, den Entscheid des Kantonsgerichts vom 5. März 2014 aufzuheben und festzustellen, dass die angefochtene Kündigung nichtig bzw. ungültig sei; eventuell sei die Kündigung für unwirksam zu erklären (Ziffer 1). Eventualiter sei der Entscheid aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen (Ziffer 2).
 
Erwägungen:
 
1.
Das angefochtene Urteil des Kantonsgerichts ist ein verfahrensabschliessender Endentscheid (Art. 90 BGG) einer letzten kantonalen Instanz im Sinne von Art. 75 Abs. 1 BGG. Sodann übersteigt der Streitwert bei einem Monatsmietzins von Fr. 1'750.-- die Grenze nach Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG in mietrechtlichen Fällen (vgl. BGE 137 III 389 E. 1.1 mit Hinweisen). Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist - unter Vorbehalt einer hinlänglichen Begründung (Erwägung 2) - grundsätzlich auf die Beschwerde einzutreten.
 
2.
2.1. Mit Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und 96 BGG gerügt werden. Die Beschwerde ist hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht eingetreten. In der Beschwerdeschrift ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Unerlässlich ist, dass die Beschwerde auf die Begründung des angefochtenen Entscheids eingeht und im Einzelnen aufzeigt, worin eine Verletzung von Bundesrecht liegt. Die beschwerdeführende Partei soll in der Beschwerdeschrift nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die sie im kantonalen Verfahren eingenommen hat, erneut bekräftigen, sondern mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (BGE 140 III 86 E. 2 S. 89, 115 E. 2 S. 116).
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2 S. 117). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG).
2.3. Der Beschwerdeführer missachtet diese Grundsätze, wenn er dem Bundesgericht frei gehaltene tatsächliche Ausführungen präsentiert, die dem vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt widersprechen bzw. über diesen hinausgehen, so insbesondere unter den Titeln "Sicht des Beschwerdeführers" und "Das Mietverhältnis E.________ in U.________". Auf die entsprechenden Abschnitte der Beschwerde ist im Folgenden nicht näher einzugehen. Auch kann der Beschwerdeführer nicht gehört werden, soweit er seine rechtliche Argumentation auf einen Sachverhalt stützt, der von den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz abweicht, ohne im Einzelnen hinreichend begründete Sachverhaltsrügen zu formulieren.
 
3.
Zur Debatte steht die materielle Zulässigkeit der von den Vermietern ausgesprochenen ausserordentlichen Kündigung vom 3. Dezember 2011 zufolge Zahlungsverzugs nach Art. 257d OR.
3.1. Ist der Mieter nach der Übernahme der Sache mit der Zahlung fälliger Mietzinse oder Nebenkosten im Rückstand, so kann ihm der Vermieter schriftlich eine Zahlungsfrist setzen und ihm androhen, dass bei unbenütztem Ablauf der Frist das Mietverhältnis gekündigt werde. Diese Frist beträgt bei Wohn- und Geschäftsräumen mindestens 30 Tage (Art. 257d Abs. 1 OR). Bezahlt der Mieter innert der gesetzten Frist nicht, kann der Vermieter bei Wohn- und Geschäftsräumen mit einer Frist von mindestens 30 Tagen auf Ende eines Monats kündigen (Art. 257d Abs. 2 OR).
3.2. Gemäss dem angefochtenen Entscheid befand sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt von Mahnung und Kündigung im Zahlungsverzug. Die Vorinstanz ging davon aus, die Vermieter seien berechtigt gewesen, den ganzen Mietzins vom Beschwerdeführer zu verlangen. Dass die Ehegatten die Miete auf Anweisung der Vermieter vorübergehend je zur Hälfte bezahlt hätten, ändere nichts an der solidarischen Haftung des Beschwerdeführers. Die Behauptung des Beschwerdeführers, für die Zeit ab 1. Juni 2011 habe zwischen den Parteien in Bezug auf die Höhe des Mietzinses eine andere Abrede bestanden, hielt die Vorinstanz mit dem Kreisgericht angesichts der mit amtlichem Formular per 1. Juni 2011 auf Fr. 1'750.-- angezeigten Mietzinserhöhung und des Umstands, dass der Beschwerdeführer seine Zahlungen immer an diesem Wert orientiert hatte, für unbelegt. Die Ausführungen des Beschwerdeführers betreffend eine angeblich in Abweichung vom schriftlichen Mietvertrag vereinbarte Abrechnung durch die Vermieter nach den effektiven Kosten liess die Vorinstanz als zu vage nicht gelten, was sie in Würdigung der beidseitigen Vorbringen eingehend erläuterte.
3.3. Der Beschwerdeführer bestreitet, bloss vage Angaben gemacht zu haben. Er habe seine diesbezüglichen Vorbringen "so gut wie möglich" substanziiert. Da seine Ehefrau sämtliche Unterlagen aus der Liegenschaft entfernt habe, könne er keine weiteren Substanziierungen vornehmen. Stattdessen habe er ein Editionsbegehren gestellt. Allerdings erhebt der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang keine ausdrückliche Rüge einer Rechtsverletzung durch die Vorinstanz. Sollte er die Verletzung seines Gehörsanspruchs durch Nichtabnahme von Beweisanträgen rügen wollen, so fehlte es an einer hinlänglichen Begründung. Er wiederholt lediglich wörtlich seine diesbezüglichen Ausführungen in der Berufung, legt aber nicht dar, dass er das Editionsbegehren - auch unter Berücksichtigung der behaupteten Schwierigkeit - zu genügend konkreten Behauptungen gestellt hätte. Vor allem zeigt er nicht im Ansatz auf, dass die in diesem Zusammenhang vorweggenommene Würdigung der Vorinstanz willkürlich wäre (vgl. dazu BGE 134 I 140 E. 5.3; 131 I 153 E. 3 S. 157). Somit bleibt es bei der Feststellung, dass der Beschwerdeführer sich im Zeitpunkt von Mahnung und Kündigung im Zahlungsverzug befand.
3.4. Die Vermieter waren demnach berechtigt, gemäss Art. 257d OR eine Zahlungsfrist anzusetzen und nach deren unbenutzten Ablauf die Kündigung auszusprechen.
 
4.
Der Beschwerdeführer beanstandet die Kündigung vom 3. Dezember 2011 sodann in formeller Hinsicht.
4.1. Er berief sich vor der Vorinstanz einerseits darauf, dass es sich beim Mietobjekt um die Familienwohnung gehandelt habe, weshalb die Mahnung und die Kündigung auch separat seiner Ehefrau (und Tochter der Beschwerdegegner) hätten zugestellt werden müssen.
4.2. Andererseits berief sich der Beschwerdeführer auf ein gemeinschaftliches Mietverhältnis, mit der Schlussfolgerung, er und seine Ehefrau als Mitmieterin hätten je Adressat von Mahnung und Kündigung sein müssen.
4.2.1. Der gemeinsame Mietvertrag stellt ein einheitliches Rechtsverhältnis dar (BGE 136 III 431 E. 3.1 S. 434). Das Kündigungsrecht als unteilbares Gestaltungsrecht steht daher nur allen Mietern oder Vermietern gemeinsam zu und muss gegenüber allen Vermietern bzw. Mietern ausgeübt werden; ansonsten ist die Kündigung nichtig (Urteile 4A_189/2009 vom 13. Juli 2009 E. 2.1; 4C.331/1993 vom 20. Juni 1994 E. 5b; siehe auch Higi, Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 1995, N. 84 Vorbemerkungen zu Art. 266-266o OR; Lachat und andere, das Mietrecht für die Praxis, 8. Aufl. 2009, N. 25/5.6 S. 518; Schweizerisches Mietrecht, SVIT-Kommentar, 3. Aufl. 2008, N. 15 Vorbemerkungen zu Art. 266-266o und N. 28a zu Art. 266l-266o; Weber, Der gemeinsame Mietvertrag, 1993, S. 170 und 175; Derselbe, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 5. Aufl. 2011, N. 1 zu Art. 266a OR und N. 4 zu 266o OR).
4.2.2. Die Vorinstanz erkannte, dass im Zeitpunkt von Mahnung und Kündigung der Beschwerdeführer und seine von ihm getrennt lebende Ehefrau als gemeinsame Mieter der Liegenschaft zu betrachten seien. Mangels Einverständnisses des Beschwerdeführers sei nämlich die Ehefrau durch die einseitige Erklärung der Vermieter vom 30. Juni 2012 nicht rechtswirksam aus dem Mietverhältnis entlassen worden.
4.2.3. Die Vorinstanz befand, die Berufung des Beschwerdeführers auf (allfällige) Formmängel sei rechtsmissbräuchlich.
4.2.4. Dieser Beurteilung ist beizupflichten:
4.2.5. Was der Beschwerdeführer vorbringt, vermag den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs nicht zu entkräften:
4.3. Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz die Klage des Beschwerdeführers bundesrechtskonform wegen Rechtsmissbrauchs abgewiesen. Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob bei einem gemeinschaftlichen Mietverhältnis wie dem Vorliegenden richtigerweise alle Mitmieter in das Verfahren betreffend Kündigungsanfechtung einzubeziehen wären, wie in der Lehre postuliert wird (siehe nur BOHNET/DIETSCHY, in: Droit du bail à loyer, Bohnet/Montini [Hrsg.], 2010, N. 36 zu Art. 253 OR; WEBER, in: Basler Kommentar, a.a.O., N. 2a zu Art. 273; mit je weiteren Hinweisen), das Bundesgericht aber wiederholt offen gelassen hat (siehe Urteile 4C.37/2001 vom 30. Mai 2001 E. 2b/bb; 4C.236/2003 vom 30. Januar 2004 E. 3.1; vgl. ferner BGE 136 III 431 E. 3), und ob die vorliegende Klage demzufolge allenfalls bereits 
 
5.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird der Beschwerdeführer kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3. Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit insgesamt Fr. 3'500.-- zu entschädigen.
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, III. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 28. August 2014
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Klett
Der Gerichtsschreiber: Kölz