BGer 5A_719/2014 |
BGer 5A_719/2014 vom 29.09.2014 |
{T 0/2}
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5A_719/2014
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Urteil vom 29. September 2014 |
II. zivilrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter von Werdt, Präsident,
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Bundesrichter Marazzi, Schöbi,
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Gerichtsschreiber Zbinden.
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Verfahrensbeteiligte |
X.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Tim Walker,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde KESB Y.________.
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Gegenstand
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Fürsorgerische Unterbringung,
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Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 30. Juli 2014.
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Sachverhalt: |
A. X.________ wurde am 30. Juni 2014 auf Anordnung des Arztes in Anwendung von Art. 426 Abs. 1 und Art. 429 Abs. 1 ZGB in die Psychiatrische Klinik A.________ eingewiesen. Dagegen erhob er am 7. Juli 2014 Beschwerde bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Y.________ (KESB), die am 8. Juli 2014 Dr. med. B.________, Facharzt für Psychiatrie, als Gutachter bestimmte. Die psychiatrische Begutachtung X.________s erfolgte am 9. Juli 2014. Nach der auf den 11. Juli 2014 anberaumten Anhörung von X.________ wies die KESB am 14. Juli 2014 die gegen die ärztliche Einweisung erhobene Beschwerde ab und ordnete im weiteren an, er werde in Anwendung von Art. 426 Abs. 1 und Art. 428 Abs. 1 ZGB in der Psychiatrischen Klinik A.________ untergebracht (1). Die Kompetenz für die definitive Entlassung verbleibe bei der KESB, während Urlaubs- und Ausgangsregelungen weiterhin die Station treffe (2).
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B. Mit Zirkularentscheid vom 30. Juli 2014 gab das Obergericht des Kantons Thurgau der gegen den Entscheid der KESB erhobenen Beschwerde X.________s nicht statt.
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C. X.________ hat am 15. September 2014 beim Bundesgericht gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau Beschwerde in Zivilsachen und subsidiäre Verfassungsbeschwerde erhoben. Er beantragt, der Entscheid des Obergerichts sowie die Ziffern 1 und 2 des Entscheides der KESB seien aufzuheben. Er sei, auch superprovisorisch und vorsorglich, eventuell nur für die Dauer des Verfahrens, umgehend aus der Psychiatrischen Klinik A.________ zu entlassen. Eventuell sei er, auch superprovisorisch und vorsorglich für die Dauer des Verfahrens, umgehend auf eine offene Abteilung zu verlegen. Ferner ersucht er um Ergänzung der Beschwerde. Nach Eingang der Vernehmlassungen sei ein zweiter Schriftenwechsel einzuholen. Für das bundesgerichtliche Verfahren begehrt er die unentgeltliche Rechtspflege.
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D. Mit Verfügung vom 17. September 2014 wurden die Gesuche um Erlass vorsorglicher Massnahmen und um Ergänzung der Beschwerde abgewiesen. Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.
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Erwägungen: |
1.
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1.1. Im Kanton Thurgau ist die sachliche Zuständigkeit für Beschwerden gegen die fürsorgerische Unterbringung nicht einheitlich geregelt: Wird die fürsorgerische Unterbringung gestützt auf Art. 428 Abs. 1 ZGB durch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde angeordnet, bildet das Obergericht (einzige) kantonale Beschwerdeinstanz (§ 11c Abs. 1 Einführungsgesetzes zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch vom 3. Juli 1991, RB 210.1, EGZGB). Wird sie hingegen durch einen Arzt in Anwendung von Art. 429 Abs. 1 ZGB verfügt, ist die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (erste) Beschwerdeinstanz (§ 58 Abs. 2 EGZGB). Deren Entscheid kann alsdann an das Obergericht weiter gezogen werden (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6, Art. 75 Abs. 2 BGG; HERMANN SCHMID, Kommentar Erwachsenenschutz, 2010, N. 4 zu Art. 439 ZGB).
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1.2. Der Entscheid eines oberen kantonalen Gerichts in seiner Eigenschaft als Rechtsmittelinstanz betreffend fürsorgerische Unterbringung kann mit Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht angefochten werden (Art. 72 Abs. 2 Ziff. 6 BGG). Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist damit unzulässig (Art. 113 BGG).
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1.3. Nach Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG ist zur Beschwerde in Zivilsachen nur berechtigt, wer ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheides hat. Die Beschwerdebefugnis setzt ein aktuelles und praktisches Interesse an der Gutheissung der Beschwerde voraus, das auch im Zeitpunkt des bundesgerichtlichen Urteils noch vorhanden sein muss. Ausnahmsweise verzichtet das Bundesgericht auf das Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses, wenn die gerügte Rechtsverletzung sich jederzeit wiederholen könnte und eine rechtzeitige gerichtliche Überprüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre (sog. virtuelles Interesse; BGE 140 III 92 E. 1.1; 136 III 497 E. 1.1 S. 499 mit Hinweisen).
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1.3.1. Angefochten ist zum einen der Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau in seiner Eigenschaft als Rechtsmittelinstanz betreffend die Anordnung der weiteren Zurückbehaltung des Beschwerdeführers durch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde C.________ (Art. 426 Abs. 1 ZGB; Ziffer 1 der KESB-Entscheidung vom 14. Juli 2014). Das erforderliche aktuelle schützenswerte Interesse sowie die weiteren Voraussetzungen der Beschwerde in Zivilsachen (Art. 75, 76 Abs. 1 lit. a, Art. 90 sowie 100 Abs. 1 BGG) sind insoweit ohne Weiteres gegeben.
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1.3.2. Anders verhält es sich, soweit der Entscheid der oberen kantonalen Rechtsmittelinstanz betreffend den Beschwerdeentscheid der KESB über die ärztliche Einweisung des Beschwerdeführers an das Bundesgericht weiter gezogen worden ist. Die ärztliche Einweisung ist durch den vollstreckbaren Zurückbehaltungsentscheid der KESB vom 14. Juli 2014 (Ziff. 1 Nebensatz) ersetzt worden, womit kein aktuelles Interesse an ihrer Überprüfung mehr besteht (für den Fall, da die ärztliche Unterbringung im Zeitpunkt der Beschwerde an das Bundesgericht infolge Ablaufs ihrer gesetzlichen Höchstdauer bereits dahingefallen ist: vgl. Urteil 5A_675/2013 vom 25. Oktober 2013 E. 3). Ein virtuelles Interesse wird nicht substanziiert dargetan. Soweit der Beschwerdeführer vor Bundesgericht auf die ärztliche Einweisung Bezug nimmt und diese anficht, ist darauf nicht einzutreten.
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1.3.3. Der Beschwerdeführer verlangt, wie schon vor Obergericht, in seinem Eventualantrag, er sei auf eine offene Abteilung zu verlegen. Die KESB hatte sich in erster Linie mit der Frage zu befassen, ob die ärztliche Einweisung gestützt auf Art. 429 Abs. 1 ZGB Art. 426 Abs. 1 ZGB entsprach. Sodann hatte sie über eine weitere Zurückbehaltung zu befinden (Art. 428 Abs. 1 ZGB). Es ging mit anderen Worten ausschliesslich um die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Unterbringung bzw. Zurückbehaltung in der Anstalt gegeben waren. Weder aus Art. 426 Abs. 1 ZGB noch aus Art. 428 ZGB, der die Entlassungskompetenz der Erwachsenenschutzbehörde und die Delegation dieser Kompetenz an die Einrichtung regelt, ergibt sich eine Zuständigkeit der Erwachsenenschutzbehörde zur Verlegung in eine andere Abteilung der Einrichtung. Entsprechendes lässt sich auch nicht aus Art. 429 Abs. 1 ZGB bezüglich der ärztlichen Einweisung ableiten. Der Beschwerdeführer ist somit gehalten, an die Anstalt zu gelangen und um eine Verlegung in eine andere (offene) Abteilung zu ersuchen. Auf den entsprechenden in der Beschwerde in Zivilsachen gestellten Antrag und die in diesem Zusammenhang vorgetragenen Ausführungen ist nicht einzutreten.
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1.4. Wer eine Sachverhaltsfeststellung beanstandet, muss in der Beschwerdeschrift darlegen, inwiefern diese Feststellung willkürlich oder durch eine andere Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG (z.B. Art. 29 Abs. 2 BV oder Art. 8 ZGB) zustande gekommen ist (vgl. BGE 133 II 249 E. 1.2.2 und 1.4.3 S. 255) und inwiefern die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 in fine BGG; BGE 135 I 19 E. 2.2.2 S. 22). Auf rein appellatorische Kritik am Sachverhalt tritt das Bundesgericht nicht ein.
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1.5. Soweit der Beschwerdeführer weitere Beweisanträge stellt, übersieht er, dass das Bundesgericht nicht selbst Beweise abnimmt, um den Sachverhalt festzustellen oder den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt zu ergänzen (BGE 133 IV 293 E. 3.4).
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2. Nach Art. 426 Abs. 1 ZGB darf eine Person, die an einer psychischen Störung oder an geistiger Behinderung leidet oder schwer verwahrlost ist, in einer geeigneten Einrichtung untergebracht werden, wenn die nötige Behandlung oder Betreuung nicht anders erfolgen kann. Nach Art. 450e Abs. 3 ZGB muss bei psychischen Störungen gestützt auf ein Gutachten einer sachverständigen Person entschieden werden. Das in Beachtung von Art. 450e Abs. 3 ZGB einzuholende Gutachten hat es der Beschwerdeinstanz zu ermöglichen, die sich aus Art. 426 Abs. 1 ZGB ergebenden Rechtsfragen zu beantworten (zum Inhalt des Gutachtens und zu den Folgen eines unvollständigen Gutachtens: BGE 140 III 105 E. 2.3). Schliesslich hat die Begründung des Beschwerdeentscheids der oberen kantonalen Instanz die Anforderungen von Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG zu beachten (dazu: BGE 140 III 101 E. 6.2.3 mit Hinweis auf Urteil 5A_189/2013 vom 11. April 2013 E. 2.3 [in deutscher Sprache]).
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3. |
3.1. Strittig ist zunächst die Frage, ob eine
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3.2. Weiterer Streitpunkt ist die
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3.3. Die Vorinstanz geht gestützt auf das Gutachten davon aus, die
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3.4. Das Obergericht äussert sich nicht zu Frage der Geeignetheit der Psychiatrischen Klinik A.________ (zum Begriff der Geeignetheit: Urteil 5A_500/2014 vom 8. Juli 2014; BGE 114 II 213 E. 7 S. 218; 112 II 486 E. 4c S. 490). Der Beschwerdeführer macht indes auch nicht substanziiert geltend, die aktuelle Einrichtung vermöge das bei ihm bestehende Behandlungsbedürfnis nicht zu befriedigen. Damit erübrigen sich weitere Ausführungen zu dieser Frage.
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4. Soweit rechtsgenügend beanstandet, ist die weitere Zurückbehaltung des Beschwerdeführers mit Art. 426 Abs. 1 ZGB vereinbar. Im Umfang der zulässigen Vorbringen und Anträge ist die Beschwerde in Zivilsachen abzuweisen; im Übrigen ist darauf nicht einzutreten. Angesichts der besonderen Umstände des konkreten Falles sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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5. Der Beschwerdeführer ersucht um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren. Da sich die Beschwerde nicht als von Anfang an aussichtslos erwiesen hat und der Beschwerdeführer als bedürftig gilt, ist seinem Gesuch zu entsprechen, soweit es infolge Kostenerlasses nicht gegenstandslos geworden ist. Dem Beschwerdeführer ist ein amtlicher Rechtsbeistand zu bestellen, dem für seine Bemühungen im bundesgerichtlichen Verfahren ein reduziertes Honorar aus der Bundesgerichtskasse zu entrichten ist (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten. Die Beschwerde in Zivilsachen wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2. Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist. Rechtsanwalt Tim Walker wird zum amtlichen Rechtsbeistand bestellt, dem für seine Bemühungen ein reduziertes Honorar von Fr. 2'000.-- aus der Bundesgerichtskasse zu entrichten ist.
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3. Es werden keine Kosten erhoben.
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4. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde KESB Y.________ und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 29. September 2014
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Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: von Werdt
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Der Gerichtsschreiber: Zbinden
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