Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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{T 0/2}
4A_264/2014
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Urteil vom 17. Oktober 2014
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Kiss, Niquille,
Gerichtsschreiber Kölz.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hans M. Weltert,
Beschwerdeführer,
gegen
Bezirksgericht Muri,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Unentgeltliche Rechtspflege,
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht, 4. Kammer, vom 6. März 2014.
Sachverhalt:
A.
A.________ (Beschwerdeführer) reichte am 13. September 2013 beim Bezirksgericht Muri eine Forderungsklage ein und ersuchte am 11. Oktober 2013 in diesem Verfahren um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege. Der Bezirksgerichtspräsident wies dieses Gesuch mit Verfügung vom 3. Februar 2014 ab und verlangte vom Beschwerdeführer einen Kostenvorschuss.
Diese Verfügung focht der Beschwerdeführer beim Obergericht des Kantons Aargau an. Das Obergericht wies mit Entscheid vom 6. März 2014 die erhobene kantonale Beschwerde ab. Auf eine Noveneingabe des Beschwerdeführers vom 19. Februar 2014 trat es nicht ein. Ebenfalls wies es das Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege für das kantonale Beschwerdeverfahren ab und trat auf das Gesuch des Beschwerdeführers um Aufschub der Vollstreckbarkeit der angefochtenen Verfügung nicht ein.
B.
Der Beschwerdeführer verlangt mit Beschwerde in Zivilsachen, der Entscheid des Obergerichts vom 6. März 2014 sei aufzuheben. Das Verfahren sei zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückzuweisen.
Ausserdem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Rechtsverbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren.
Es wurden keine Vernehmlassungen zur Beschwerde eingeholt.
Mit Eingaben vom 28. Mai 2014, 3. Juli 2014 sowie 18. August 2014 reichte der Beschwerdeführer dem Bundesgericht Arztzeugnisse als Noven ein.
C.
Mit Präsidialverfügung vom 12. Mai 2014 wurde der Beschwerde aufschiebende Wirkung erteilt.
Erwägungen:
1.
Der angefochtene Entscheid des Obergerichts schliesst das kantonale Verfahren nicht ab. Es handelt sich um einen letztinstanzlichen (Art. 75 BGG) Zwischenentscheid. Gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können. Zwischenentscheide wie derjenige des Obergerichts, mit denen einer Partei die unentgeltliche Rechtspflege verweigert wird, erfüllen gemäss der Rechtsprechung diese Voraussetzung (vgl. BGE 129 I 129 E. 1.1; 126 I 207 E. 2a S. 210).
Nach dem Grundsatz der Einheit des Verfahrens sind Zwischenentscheide mit dem in der Hauptsache zulässigen Rechtsmittel anzufechten (BGE 137 III 261 E. 1.4; 133 III 645 E. 2.2). Gemäss der Feststellung der Vorinstanz übersteigt der Streitwert vorliegend die nach Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG geltende Grenze von Fr. 30'000.--. Die Beschwerde in Zivilsachen ist daher zulässig.
2.
Das Bezirksgericht verweigerte dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Rechtspflege mit der Begründung, er habe einerseits die Möglichkeit, durch Aufnahme weiterer Hypotheken auf ein Grundstück oder durch Veräusserung desselben Mittel zu beschaffen. Andererseits habe er nach eigener Darstellung im April 2013 die B.________ GmbH erworben, die gemäss Buchhaltung ein Eigenkapital von über Fr. 50'000.-- aufweise. Vor diesem Hintergrund - so der Schluss des Bezirksgerichts - müsse davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer über genügend Vermögen verfüge, um den vorliegenden Prozess zu finanzieren.
Das Obergericht schützte diesen Entscheid. Es erwog, die Erstinstanz habe weder das Recht unrichtig angewendet noch den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt, als sie angenommen habe, es könne nicht angehen, dass der Beschwerdeführer eine Firma kaufe und sich nachher auf den Standpunkt stelle, nicht über genügend finanzielle Mittel für die bereits geplante Prozessführung zu verfügen. Die Erstinstanz habe implizit zum Ausdruck gebracht, dass sie darin ein rechtsmissbräuchliches Verhalten sehe. Dieser Beurteilung schloss sich das Obergericht an. Denn der Beschwerdeführer habe "zumindest in Kauf genommen", nicht mehr über genügend finanzielle Mittel für die bereits geplante Prozessführung zu verfügen, als er im Wissen um den bevorstehenden Prozess Geld in den Erwerb einer neuen Gesellschaft "gesteckt" habe. Das aber müsse für die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens genügen, da eine eigentliche Absicht, Vermögen zu entäussern, um in den Genuss der unentgeltlichen Rechtspflege zu kommen, als innere Tatsache nicht bzw. nur durch Indizien nachweisbar sei.
3.
Der Beschwerdeführer moniert, die Vorinstanz habe ihm zu Unrecht "rechtsmissbräuchliche Mittellosigkeit" vorgeworfen.
3.1. Gemäss Art. 29 Abs. 3 BV sowie Art. 117 ZPO hat jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
Als bedürftig gilt eine Person dann, wenn sie die Kosten eines Prozesses nicht aufzubringen vermag, ohne jene Mittel anzugreifen, die für die Deckung des eigenen notwendigen Lebensunterhalts und desjenigen ihrer Familie erforderlich sind. Die prozessuale Bedürftigkeit beurteilt sich nach der gesamten wirtschaftlichen Situation des Rechtsuchenden im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs (BGE 135 I 221 E. 5.1 S. 223; 128 I 225 E. 2.5.1). Dazu gehören nicht nur die Einkommens-, sondern auch die Vermögensverhältnisse (BGE 124 I 97 E. 3b S. 98 mit Hinweisen).
Bei der Bestimmung der Bedürftigkeit ist nicht von hypothetischen, sondern von den tatsächlichen finanziellen Verhältnissen auszugehen. So ist Prozessarmut nicht schon deswegen ausgeschlossen, weil es der gesuchstellenden Person möglich wäre, ein höheres Einkommen zu erzielen, als sie in Wirklichkeit erzielt. Dasselbe gilt sinngemäss für die Beurteilung der Vermögensverhältnisse. Die Berücksichtigung von allfälligem Vermögen setzt voraus, dass dieses im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs tatsächlich vorhanden und verfügbar ist (Urteil 5A_590/2009 vom 6. Januar 2010 E. 3.1.1 mit Hinweisen). Die unentgeltliche Rechtspflege darf nicht deshalb verweigert werden, weil die gesuchstellende Person ihre Mittellosigkeit selbst verschuldet hat (BGE 108 Ia 108 E. 5b; 104 Ia 31 E. 4 S. 34; 99 IA 437 E. 3c S. 442; 58 I 285 E. 5 S. 292).
Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege steht indessen unter dem Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs (Art. 2 Abs. 2 ZGB). Die unentgeltliche Rechtspflege ist zu verweigern, wo die gesuchstellende Person gerade im Hinblick auf den zu führenden Prozess auf ein Einkommen verzichtet oder sich gewisser Vermögenswerte entäussert hat, nur um auf Staatskosten zu prozessieren (BGE 126 I 165 E. 3b S. 166; 104 Ia 31 E. 4 S. 34; Urteile 5A_86/2012 vom 22. März 2012 E. 4.1; 5A_590/2009 vom 6. Januar 2010 E. 3.3.1).
3.2. Der angefochtene Entscheid hält sich im Rahmen dieser Grundsätze und verletzt kein Bundesrecht.
Die Vorinstanz trug bei ihrer Beurteilung zu Recht dem Umstand Rechnung, dass die Absicht der gesuchstellenden Person als innere Tatsache nicht dem direkten Beweis zugänglich ist, sondern in der Regel lediglich anhand von Indizien erkennbar wird (vgl. Bühler, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Band I, 2012, N. 66 Vorbemerkungen zu Art. 117-123 ZPO ). Hieraus darf zwar nicht abgeleitet werden, dass jeder bedürftigen Person, die vor einem Gerichtsverfahren ein Rechtsgeschäft getätigt hat, welches ihre finanziellen Verhältnisse beeinträchtigt und sich dadurch zu Gunsten eines allfälligen Begehrens auf unentgeltliche Rechtspflege auswirkt, eine entsprechende - rechtsmissbräuchliche - Absicht unterstellt werden dürfte. Eine dahingehende Annahme hätte nämlich zur Folge, dass Rechtsuchende auch in Fällen von bloss
selbstverschuldeter Mittellosigkeit regelmässig von der unentgeltlichen Rechtspflege ausgeschlossen würden.
Die Vorinstanz liess indessen die zeitliche Nähe des Erwerbs der B.________ GmbH durch den Beschwerdeführer zum vorliegenden Prozess nicht für die Begründung des Rechtsmissbrauchsvorwurfs genügen, sondern sie stützte diesen auch auf das prozessuale Verhalten des Beschwerdeführers. Sie erwog, Letzterer habe seine Mitwirkungspflicht bei der Feststellung der eigenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse gemäss Art. 119 Abs. 2 ZPO verletzt, indem er "auch in der Beschwerde" darauf verzichtet habe, sich zum Kauf der B.________ GmbH zu äussern. Zu Recht:
Die gesuchstellende Person hat nach Art. 119 Abs. 2 ZPO ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse darzulegen und sich zur Sache sowie über ihre Beweismittel zu äussern. Es trifft sie eine umfassende Mitwirkungsobliegenheit (Urteile 4A_403/2013 vom 11. Oktober 2013 E. 3.2.2; 4A_114/2013 vom 20. Juni 2013 E. 2.2 und 4.3.1; vgl. zum bundesgerichtlichen Verfahren BGE 125 IV 161 E. 4a). An die klare und gründliche Darstellung der finanziellen Situation durch die gesuchstellende Person selbst dürfen umso höhere Anforderungen gestellt werden, je komplexer diese Verhältnisse sind (BGE 120 Ia 179 E. 3a S. 182). Das Gericht hat den Sachverhalt aber immerhin dort weiter abzuklären, wo Unsicherheiten und Unklarheiten bestehen (Urteile 4A_319/2013 vom 31. Juli 2013 E. 2.2; 5A_451/2012 vom 27. August 2012 E. 2.1), und es hat allenfalls unbeholfene Rechtsuchende auf die Angaben hinzuweisen, die es zur Beurteilung des Gesuchs benötigt (BGE 120 Ia 179 E. 3a S. 181).
Der Vorwurf des Beschwerdeführers, die Vorinstanz hätte von ihm verlangen müssen, "den Übernahmevertrag einzureichen, sofern [sie] diesen als wesentlichen Beleg erachtete", geht fehl: Der Beschwerdeführer beanstandete bereits im kantonalen Beschwerdeverfahren, der Erstinstanz könne unter keinen Umständen bekannt sein, wie die (Vertrags-) Bedingungen für den angeblichen Kauf gelautet hätten. Er hielt es mithin für unzulässig, dass die Erstinstanz in ihrem Entscheid die Übernahme der B.________ GmbH ohne weitere Nachforschungen zu seinen Ungunsten berücksichtigt hatte. Indessen ist nicht erkennbar, aus welchem Grund es ihm als anwaltlich vertretener Partei nicht möglich gewesen wäre, sich bereits im erstinstanzlichen Verfahren spontan zum Hintergrund und zu den Konditionen besagter Übernahme zu äussern, wie es angesichts von deren zeitlicher Nähe zur Prozesseinleitung auf der Hand gelegen hätte. Die ohnehin ungenügend substanziierte Behauptung des Beschwerdeführers, er habe die Stammanteile "einzig im Hinblick auf seine geschäftliche Zukunft" übernommen und dabei eine "sich ihm bietende günstige Gelegenheit beim Schopf" gepackt, blieb unbelegt. Die Vorinstanz war berechtigt, das insofern ungenügende Mitwirken des Beschwerdeführers als Indiz für eine rechtsmissbräuchliche Absicht zu berücksichtigen.
Unter den dargestellten Umständen durfte das Obergericht auf eine rechtsmissbräuchliche Vermögensentäusserung schliessen, ohne den Beschwerdeführer vorgängig zu ergänzenden Auskünften und zur Einreichung zusätzlicher Unterlagen anzuhalten. Die Kritik des Beschwerdeführers erweist sich als unbegründet.
4.
Bei dieser Sachlage braucht nicht auf die Feststellung der Vorinstanz eingegangen zu werden, der Beschwerdeführer habe es versäumt, anzugeben, was mit den in der Steuererklärung 2011 verzeichneten fünf Bankkonten bei der Bank C.________ geschehen sei. Ohnehin geht aus dem angefochtenen Entscheid nicht hervor, dass die Vorinstanz diesem Versäumnis entscheiderhebliche Bedeutung zugemessen hätte, erwähnte sie es doch "[e]inzig der Vollständigkeit halber".
5.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Sie war von vornherein aussichtslos, weshalb die unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren nicht zu gewähren ist (vgl. Art. 64 Abs. 1 BGG).
Ausgangsgemäss wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es ist keine Parteientschädigung zu sprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch des Beschwerdeführers um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 4. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 17. Oktober 2014
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Klett
Der Gerichtsschreiber: Kölz