Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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{T 0/2}
6B_432/2014
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Urteil vom 3. November 2014
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Rüedi,
Gerichtsschreiber M.Widmer.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Friedli,
Beschwerdeführer,
gegen
1.
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, 3011 Bern,
2. A.________ AG,
Beschwerdegegnerinnen.
Gegenstand
Nichtanhandnahme (fahrlässige schwere Körperverletzung),
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, Strafabteilung, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 17. März 2014.
Sachverhalt:
A.
Anlässlich eines Büroausflugs seines Arbeitgebers nahm X.________ an einer Talfahrt mit Trottinett teil, die von der A.________ AG veranstaltet wurde. Dabei verunfallte er und zog sich schwere Rückenverletzungen zu.
B.
Die Regionale Staatsanwaltschaft Oberland nahm das Verfahren gegen die A.________ AG wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung nicht an die Hand. Die dagegen gerichtete Beschwerde von X.________ wies das Obergericht des Kantons Bern ab.
C.
X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und die Staatsanwaltschaft anzuweisen, eine Untersuchung zu eröffnen.
Erwägungen:
1.
Zur Beschwerde in Strafsachen ist nach Art. 81 Abs. 1 BGG berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten (lit. a) und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (lit. b). Nach Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG wird der Privatklägerschaft ein rechtlich geschütztes Interesse zuerkannt, wenn sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann. Dies setzt grundsätzlich voraus, dass sie bereits adhäsionsweise Zivilforderungen geltend gemacht hat. Bei Nichtanhandnahme oder Einstellung der Strafuntersuchung wird auf dieses Erfordernis verzichtet. In diesen Fällen muss im Verfahren vor Bundesgericht aber dargelegt werden, aus welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid inwiefern auf welche Zivilforderungen auswirken kann (BGE 138 IV 186 E. 1.4.1; 137 IV 246 E. 1.3.1; je mit Hinweisen).
Der Beschwerdeführer macht lediglich geltend, er habe sich beim Unfall schwer verletzt und werde sich an einem Strafverfahren als Privatkläger beteiligen. Durch den angefochtenen Beschluss sei er beschwert. Ob dies für die Bejahung der Legitimation nach Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG genügt, kann offenbleiben, da sich die Beschwerde als unbegründet erweist.
2.
2.1. Nach Art. 309 Abs. 1 lit. a StPO eröffnet die Staatsanwaltschaft eine Untersuchung, wenn sich aus den Informationen und Berichten der Polizei, aus der Strafanzeige oder aus ihren eigenen Feststellungen ein hinreichender Tatverdacht ergibt. Sie verzichtet auf die Eröffnung, wenn sie sofort eine Nichtanhandnahmeverfügung oder einen Strafbefehl erlässt (Art. 309 Abs. 4 StPO). Gemäss Art. 310 Abs. 1 StPO verfügt die Staatsanwaltschaft die Nichtanhandnahme der Untersuchung, sobald aufgrund der Strafanzeige oder des Polizeirapports feststeht, dass die fraglichen Straftatbestände oder die Prozessvoraussetzungen eindeutig nicht erfüllt sind (lit. a), wenn Verfahrenshindernisse bestehen (lit. b) oder wenn aus den in Art. 8 StPO genannten Gründen auf eine Strafverfolgung zu verzichten ist (lit. c).
Die Frage, ob ein Strafverfahren über eine Nichtanhandnahme erledigt werden kann, beurteilt sich nach dem aus dem Legalitätsprinzip abgeleiteten Grundsatz in dubio pro duriore (Art. 5 Abs. 1 BV und Art. 2 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 319 Abs. 1 und Art. 324 Abs. 1 StPO ; BGE 138 IV 86 E. 4.2). Danach darf eine Nichtanhandnahme durch die Staatsanwaltschaft gestützt auf Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO nur in sachverhaltsmässig und rechtlich klaren Fällen ergehen. Im Zweifelsfall, wenn die Gründe der Nichtanhandnahme nicht mit Sicherheit gegeben sind, muss das Verfahren eröffnet werden (vgl. BGE 137 IV 285 E. 2.3). Der Grundsatz in dubio pro duriore ist unter Würdigung der im Einzelfall gegebenen Umstände zu handhaben.
2.2. Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Ist die Schädigung schwer, so wird der Täter von Amtes wegen verfolgt (Art. 125 StGB). Fahrlässig begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist (Art. 12 Abs. 3 StGB). Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden (Art. 11 Abs. 1 StGB). Wird in einem Unternehmen in Ausübung geschäftlicher Verrichtung im Rahmen des Unternehmenszwecks ein Verbrechen oder Vergehen begangen und kann diese Tat wegen mangelhafter Organisation des Unternehmens keiner bestimmten natürlichen Person zugerechnet werden, so wird das Verbrechen oder Vergehen dem Unternehmen zugerechnet. In diesem Fall wird das Unternehmen mit Busse bestraft (Art. 102 Abs. 1 StGB).
3.
Die Vorinstanz erwägt, die Signalisation der Unfallstrecke entspreche der Signalisationsverordnung vom 5. September 1979 (SSV; SR 741.21). Auf der Geraden zirka 150 Meter vor der Unfallstelle befinde sich am rechten Strassenrand ein grosses Gefahrenbanner mit dem Symbol "Andere Gefahren" (Art. 15 SSV) und dem Text "Langsam, Ralentir, Rallentare, Slow". Etwa 50 Meter vor dem Unfallort warne eine Gefahrentafel vor einer Schranke nach der Linkskurve (Art. 10 SSV). An der Unfallstelle selber zeige ein grosses, orange leuchtendes Gefahrenbanner mit einem Linkspfeil die Fahrtrichtung an. Die Neigung betrage weniger als zehn Prozent; es handle sich damit nicht um ein gefährliches Gefälle, vor dem mit einem Signal gewarnt werden müsste (Art. 8 Abs. 1 SSV).
Die Beschwerdegegnerin 2 händige jeweils vor der Abfahrt einen Prospekt aus, der neben einer Strassenkarte und den Vertragsbedingungen einige Regeln zur Benützung der Trottinetts enthalte. Buche eine Gruppe, werde der Prospekt dem Gruppenverantwortlichen übergeben. Dieser sei für die Instruktion verantwortlich und habe unterschriftlich zu bestätigen, dass er die Gruppe instruiert habe. Im vorliegenden Fall sei der Prospekt zwar an den Gruppenverantwortlichen abgegeben worden, jedoch fehle seine Unterschrift, weshalb unklar sei, ob er die Gruppe instruiert habe.
Laut Aussage des Gruppenverantwortlichen sei der Beschwerdeführer bereits am Anfang "wie wild" davongefahren. In der ersten Kurve habe er "geblödelt". Ein Arbeitskollege habe ausgesagt, der Beschwerdeführer sei wegen hoher Geschwindigkeit beim Bremsen gestürzt. Der Beschwerdeführer bestreite nicht, zu schnell gefahren zu sein.
4.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO. Die Vorinstanz verneine eine Sorgfaltspflichtverletzung der Beschwerdegegnerin 2. Dies wäre selbst im Rahmen eines freisprechenden Urteils gewagt, weil der Sachverhalt ungenügend erstellt sei. Ungeklärt sei namentlich das Fahr- und Bremsverhalten des Trottinetts bei Geschwindigkeiten von mehr als 30 km/h.
5.
Die Nichtanhandnahme verletzt kein Bundesrecht. Der Unfalltechnische Dienst der Kantonspolizei Bern hält in seinem Bericht vom 17. September 2013 fest, das Trottinett habe sich in einem betriebssicheren und vorschriftsgemässen Zustand befunden. Die Bremsen hätten einwandfrei funktioniert.
Nur schon die Signalisation bei der Unfallstelle hätte den Beschwerdeführer veranlassen müssen, die Geschwindigkeit zu drosseln. Unerheblich ist daher, ob er den Verhältnissen angemessen gefahren wäre, hätte er den Prospektinhalt gekannt und man ihn zusätzlich darauf hingewiesen, für welche Höchstgeschwindigkeit das Trottinett ausgelegt ist. Aus dem gleichen Grund erübrigt sich eine Untersuchung zum Bremsverhalten des Trottinetts bei Geschwindigkeiten über 30 km/h.
Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers nimmt die Vorinstanz nicht an, die Unfallursache sei ungeklärt. Vielmehr stellt sie fest, er sei gestürzt, weil er zu schnell fuhr. Wenn sie beifügt, wahrscheinlich habe er die Gefahr unter dem Einfluss einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 0,47 g/kg unterschätzt, dann äussert sie sich bloss zu einem möglichen Grund für die übersetzte Geschwindigkeit.
6.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang trägt der Beschwerdeführer die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens mit einer reduzierten Gebühr (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Strafabteilung, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 3. November 2014
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Mathys
Der Gerichtsschreiber: M. Widmer