BGer 2C_132/2014 |
BGer 2C_132/2014 vom 15.11.2014 |
{T 0/2}
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2C_132/2014, 2C_133/2014
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Urteil vom 15. November 2014 |
II. öffentlich-rechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter Zünd, Präsident,
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Bundesrichter Seiler,
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Bundesrichterin Aubry Girardin,
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Gerichtsschreiber Winiger.
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Verfahrensbeteiligte |
2C_132/2014
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1. B.A.________,
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2. C.A.________,
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Beschwerdeführerinnen,
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und
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2C_133/2014
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1. E.D.________,
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2. F.D.________,
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Beschwerdeführer,
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alle vertreten durch Advokat Dr. Pascal Grolimund,
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gegen
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Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt,
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Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt.
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Gegenstand
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Gesuch um Dispensation vom Sexualkundeunterricht,
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Beschwerden gegen die Entscheide des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 14. August 2013.
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Sachverhalt: |
A. |
A.a. Mit Wirkung ab Schuljahr 2011/2012 setzte das Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt einen Leitfaden "Lernziel Sexuelle Gesundheit" mit zugehörigen Unterrichtsmaterialien für die schulische Sexualerziehung in Kraft.
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A.b. Im August 2011 beantragten u.a. E.D.________, F.D.________ und G.D.________ sowie B.A.________ und C.A.________ bei den zuständigen Schulleitungen die Dispensation der Kinder E.D.________ und B.A.________ (Kinder im Kindergarten bzw. in der 1. und 2. Primarklasse) vom Sexualkundeunterricht. Mit Verfügungen vom 27. bzw. 28. September 2011 wiesen die zuständigen Schulleitungen die Gesuche ab. Dagegen erhoben die oben erwähnten Eltern und ihre Kinder Rekurs beim Erziehungsdepartement. Sie beantragten, die Kinder E.D.________ und B.A.________ seien für die Dauer der Kindergartenzeit bzw. der 1. und 2. Primarschulklasse von der Teilnahme am Sexualkundeunterricht zu dispensieren; eventualiter sei der Sexualkundeunterricht in den betreffenden Klassen und insbesondere die Verwendung der betreffenden Unterrichtsmaterialien zu unterlassen. Zudem beantragten sie als vorsorgliche Massnahme, die Kinder seien per sofort für die Dauer des Verfahrens vom Sexualkundeunterricht zu dispensieren; eventualiter sei der Sexualkundeunterricht in den betreffenden Klassen während der Dauer des Verfahrens zu unterlassen.
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A.c. Die Erziehungsdirektion überwies die Rekurse an den Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt. Dieser wies mit Präsidialbeschluss vom 30. November 2011 den Antrag auf vorsorgliche Massnahmen ab. Die gegen die provisorischen Massnahmen ergriffenen Rechtsmittel blieben ohne Erfolg (Beschluss des Präsidenten des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 10. Januar 2012, bestätigt vom Bundesgericht mit Urteilen 2C_105/2012 bzw. 2C_107/2012 vom 29. Februar 2012).
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B. |
C. |
D. |
Erwägungen: |
1. |
1.1. Die vorliegenden Beschwerden richten sich gegen zwei praktisch übereinstimmende Entscheide, enthalten - im Wesentlichen - die gleichen Rechtsbegehren und werfen identische Rechtsfragen auf. Es rechtfertigt sich deshalb, die Verfahren 2C_132/2014 und 2C_133/2014 zu vereinigen und die Beschwerden in einem einzigen Urteil zu erledigen (vgl. Art. 71 BGG in Verbindung mit Art. 24 BZP; BGE 131 V 59 E. 1 S. 60 f. mit Hinweis).
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1.2. Die Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen die kantonal letztinstanzlichen Entscheide in einer Angelegenheit des Schulrechts sind grundsätzlich zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG). Die Beschwerdeführer sind durch die angefochtenen Entscheide formell beschwert. Als Kinder, welche den streitigen Unterricht zu besuchen haben, bzw. als deren gesetzliche Vertreter (vgl. Art. 303 Abs. 1 und Art. 304 Abs. 1 ZGB; BGE 135 I 79 E. 1.2 S. 81) wären sie auch materiell besonders berührt und zur Beschwerde legitimiert. Die in Frage stehenden Gesuche um Befreiung vom Sexualkundeunterricht wurden indes vor mehr als drei Jahren gestellt. Ob die Beschwerdeführer auch heute noch ein aktuelles Rechtsschutzinteresse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheides haben (Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG), kann hier offen bleiben, da sich die mit der Beschwerde aufgeworfenen Fragen jederzeit und unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen könnten, an ihrer Beantwortung wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung ein hinreichendes öffentliches Interesse besteht und eine rechtzeitige bundesgerichtliche Prüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre (BGE 135 I 79 E. 1.1 S. 81 mit Hinweis).
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Auf die form- und fristgerecht (vgl. Art. 42 Abs. 1 und 2 bzw. Art. 100 BGG) eingereichten Beschwerden ist daher grundsätzlich einzutreten. Soweit die Beschwerdeführer jedoch auf Ausführungen und Akten vor der Vorinstanz verweisen (vgl. insb. Beschwerdeschrift Ziff. 33 und 56 [Verfahren 2C_132/2014] bzw. 32 und 55 [Verfahren 2C_133/2014]), tritt das Bundesgericht praxisgemäss nicht darauf ein. Die erhobenen Rügen müssen in der Beschwerdeschrift selber enthalten sein; der blosse Verweis auf Ausführungen in anderen Rechtsschriften oder auf die Akten reicht nicht aus (BGE 133 II 396 E. 3.1 S. 399 f. mit Hinweisen).
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1.3. Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig - d.h. willkürlich - ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels ausserdem für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann. Der Betroffene hat darzulegen, dass und inwiefern dies klar und eindeutig der Fall ist (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 136 I 184 E. 1.2 S. 187 mit Hinweisen).
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1.4. Das Eintreten auf zulässige Beschwerdeanträge hängt weiter vom Erfüllen der Anforderungen an die Begründung der einzelnen Rügen ab. Das Bundesgericht prüft, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Eine qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht. Das Bundesgericht behandelt eine solche Rüge nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246).
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2. |
2.1. Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren bildet grundsätzlich die Dispensation von B.A.________ und E.D.________ vom Sexualkundeunterricht im Kindergarten bzw. den beiden ersten Primarschulklassen. Unbestrittenermassen sind die beiden beschwerdeführenden Kinder nie mit Sexualkundeunterricht in der von ihnen beanstandeten Form konfrontiert worden. Wie die Vorinstanz zu Recht ausgeführt hat, steht damit nicht eine konkrete Betroffenheit der Beschwerdeführer durch eine staatliche Massnahme zur Beurteilung, sondern bloss eine mögliche Betroffenheit nach Massgabe der schulrechtlichen Ordnung (vgl. angefochtener Entscheid E. 2, dazu Beschwerdeschrift Ziff. 16 bzw. 15).
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2.2. Die Vorinstanz hat sodann verbindlich festgestellt, dass die folgenden Unterrichtsmaterialien Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bilden (vgl. angefochtener Entscheid E. 2.1-2.3) : Der vom Erziehungsrat am 21. November 2011 genehmigte und überarbeitete Leitfaden "Lernziel sexuelle Gesundheit" (im Folgenden: Leitfaden), das ebenfalls im November 2011 überarbeitete Dokument Handreichung Kindergarten und Primarschulen Kanton Basel-Stadt (im Folgenden: Handreichung) sowie die den Kindergärten und Primarschulen zur Verfügung gestellte Materialiensammlung für schulische Sexualerziehung (im Folgenden: Materialiensammlung). Nicht mehr Streitgegenstand bilden somit die ursprüngliche Version des Leitfadens vom 6. Dezember 2010 und die dazugehörige Handreichung sowie die zunächst als "Sex-Box" bezeichnete Materialiensammlung, da die - aufgrund von Reaktionen in der Öffentlichkeit - vorgenommenen Anpassungen der Unterrichtsmaterialien unbestrittenermassen noch vor Einleitung des vorinstanzlichen Verfahrens erfolgten (vgl. angefochtener Entscheid E. 2.4, dazu Beschwerdeschrift Ziff. 28 bzw. 27).
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2.2.1. Der erwähnte Leitfaden zielt auf eine erfolgreiche Sexualerziehung ab und verlangt eine enge Zusammenarbeit zwischen Eltern und Schule. Die Schule soll die Eltern bei der Sexualerziehung unterstützen, sie ergänzen und über den entsprechenden Unterricht informieren. Die Teilnahme am schulischen Sexualkundeunterricht wird obligatorisch erklärt, da alle Kinder und Jugendliche ein "Recht auf Sexualerziehung" hätten. Gemäss Leitfaden Ziff. 3.1 werden im Kindergarten die Grobziele "Förderung eines positiven Körperbewusstsein" sowie "Stärkung des Selbstbewusstsein" verfolgt. Für die Primarschule nennt der Leitfaden die Grobziele "Kompetenzerweiterung im Umgang mit Gefühlen und der eigenen und fremder Geschlechtlichkeit" sowie "Sensibilisierung für Gefahren im Zusammenhang mit Sexualität".
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2.2.2. Die Handreichung präzisiert sodann, dass im Kindergarten und in der Primarschule kein systematischer Sexualunterricht erteilt wird. Die Thematik "Sexualität" werde im Unterricht reaktiv aufgegriffen, d.h. die Lehrpersonen reagierten auf Fragen und Handlungen von Kindern, im Bewusstsein, dass Sexualerziehung auf dieser Altersstufe primär Aufgabe der Eltern sei.
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2.2.3. Die Materialsammlung enthält schliesslich diverse Bücher, ein Körperpuzzle aus Holz, zwei Puppen mit erkennbaren Geschlechtsteilen eines Knaben bzw. eines Mädchens sowie Unterrichtsmaterial für die Lehrpersonen.
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2.3. Die Beschwerdeführer beanstanden auch vor Bundesgericht nicht das Vermitteln eines rein reaktiven Sexualkundeunterrichtes, der auf die Fragen der jeweiligen Kinder antwortet (vgl. Beschwerdeschrift Ziff. 11-13, 44 f., 58 bzw. 11-13, 43 f., 57). Allerdings verstehen die Beschwerdeführer unter "reaktivem" Unterricht offensichtlich nicht das gleiche wie die Vorinstanz: Die Beschwerdeführer gehen von einem engen Verständnis des Begriffes "reaktiv" aus und meinen damit, dass die von einem Kind gestellten Fragen nur gegenüber diesem Kind beantwortet werden, ohne dass dabei die anderen Kinder damit konfrontiert würden. Die Vorinstanzen und der Leitfaden verwenden "reaktiv" im dem Sinne, dass ein Thema, das von einem Kind im Unterricht aufgegriffen wird, vor der ganzen Klasse behandelt wird, nötigenfalls auch gegen den Willen der Eltern. Wie jedoch bereits erwähnt, ist hier nicht eine konkrete Unterrichtshandlung zu beurteilen, sondern der zugrunde liegende Lehrplan. Dazu hat die Vorinstanz zu Recht ausgeführt, wie bei einer abstrakten Normenkontrolle (vgl. BGE 129 I 12 E. 3.2 S. 15) sei mangels entgegenstehender Indizien davon auszugehen, dass der Unterricht im Rahmen der aufgestellten Ziele in pädagogisch angemessener Form erteilt werde (vgl. angefochtener Entscheid E. 5.1.1).
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3. |
3.1. Der in Art. 29 Abs. 2 BV garantierte Anspruch auf rechtliches Gehör räumt den Betroffenen das persönlichkeitsbezogene Mitwirkungsrecht ein, erhebliche Beweise beizubringen, mit solchen Beweisanträgen gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher Beweise mitzuwirken. Dem Mitwirkungsrecht entspricht die Pflicht der Behörden, die Argumente und Verfahrensanträge der Parteien entgegenzunehmen und zu prüfen, sowie die ihr rechtzeitig und formrichtig angebotenen Beweismittel abzunehmen (vgl. BGE 138 V 125 E. 2.1 S. 27 mit Hinweisen).
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3.2. Die Vorinstanz hat dazu richtigerweise ausgeführt, der Anspruch auf rechtliches Gehör beziehe sich nur auf das vorliegende Verfahren betreffend Dispensation vom Sexualkundeunterricht, nicht hingegen auf das (kantonale) Rechtssetzungsverfahren (vgl. angefochtener Entscheid E. 3). Sodann liegt praxisgemäss keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, wenn ein Gericht auf die Abnahme beantragter Beweismittel verzichtet, weil es auf Grund der bereits abgenommenen Beweise seine Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür in vorweggenommener Beweiswürdigung annehmen kann, dass seine Überzeugung durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert würde (vgl. BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236; 134 I 140 E. 5.3 S. 148). Dies trifft hier zu, ist doch nicht ersichtlich, inwiefern die Einholung eines Gutachtens den rechtserheblichen Sachverhalt aus Sicht der Vorinstanz hätte verändern können bzw. welche neuen Erkenntnisse ein Gutachten hätte bringen sollen. Risiken und Nutzen des umstrittenen Sexualkundeunterrichts werden ohnehin im Rahmen der Prüfung eines allfälligen Grundrechtseingriffs noch zu untersuchen sein (vgl. E. 5 hiernach). Die Beschwerdeführer hatten zudem genügend Gelegenheit, sich im vorinstanzlichen Verfahren zu äussern und allenfalls weitere geeignete Belege einzureichen, um ihre Standpunkte darzulegen.
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4. |
4.1. In Bezug auf den Schutzbereich der angerufenen Grundrechte hat die Vorinstanz ausgeführt, dass die Glaubens- und Gewissensfreiheit durch den umstrittenen Sexualkundeunterricht nicht berührt sei, da sich die Beschwerdeführer nicht auf religiöse Grundüberzeugungen oder Gefühle berufen würden (vgl. angefochtener Entscheid E. 4.4). Diesen Ausführungen kann jedoch nicht gefolgt werden: Die Beschwerdeführer machen hier geltend, dass der beanstandete Unterricht ihre "zentralen Grundvorstellungen von Moral und Ethik" (vgl. Beschwerdeschrift Ziff. 49 ff. bzw. 48 ff.) betreffe. Praxisgemäss stellt die Verpflichtung, im Rahmen der obligatorischen staatlichen Schule an einem Unterricht teilzunehmen, der mit den eigenen (religiösen oder atheistischen) Weltanschauungen in Widerspruch steht, einen Eingriff in die Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 15 BV, Art. 9 EMRK, Art. 18 UNO-Pakt II [SR 0.103.2]) dar (BGE 135 I 79 E. 4.6 S. 84; 119 Ia 178 E. 4e S. 187, vgl. auch Urteil 2C_897/2012 vom 14. Februar 2013 betr. Dispensation vom Yoga-Unterricht). Art. 15 BV bzw. Art. 9 EMRK schützen damit grundsätzlich auch nicht-religiöse Gewissensüberzeugungen und Weltanschauungen (vgl. MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl. 2008, S. 257 f.; HÄFELIN/HALLER/KELLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 8. Aufl. 2012, Rz. 406; KIENER/KÄLIN, Grundrechte, 2. Aufl. 2013, S. 315 ff.). Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sind religiöse oder analog nicht-religiöse weltanschauliche Handlungsformen nicht nur dann geschützt, wenn sie sich auf eine "Gesamtsicht der Welt" erstrecken. Indem die Beschwerdeführer bzw. ihre Kinder verpflichtet werden können, gegen ihren Willen am beanstandeten Schulunterricht teilzunehmen, besteht somit die Möglichkeit, dass sie in ihren Grundrechten beeinträchtigt werden (vgl. auch Entscheid des EGMR
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4.2. Die Vorinstanz ist sodann zu Recht davon ausgegangen, dass das Erziehungsrecht der Eltern unter den Schutz des Familienlebens gemäss Art. 13 Abs. 1 BV und Art. 8 Ziff. 1 EMRK zu subsumieren sei (vgl. angefochtener Entscheid E. 4.3 und 5.7). Damit ist hier von einem Eingriff in das Erziehungsrecht der Eltern auszugehen, da der beanstandete Unterricht die moralischen und ethischen Überzeugungen der Eltern der betroffenen Kinder verletzen kann (vgl. auch Art. 13 Abs. 3 UNO-Pakt I [SR 0.103.1]).
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4.3. Ob der Besuch des beanstandeten Unterrichts sodann - entgegen der Ansicht der Vorinstanz (vgl. angefochtener Entscheid 5.1-5.5) - auch in den Schutzbereich der persönlichen Freiheit (Art. 7 und 10 Abs. 2 BV, Art. 8 Ziff. 1 EMRK, Art. 17 Abs. 1 UNO-Pakt II) bzw. des Schutzes des Privat- und Familienlebens (Art. 13 Abs. 1 BV, Art. 8 Ziff. 1 EMRK, Art. 17 Abs. 1 und 23 Abs. 1 UNO-Pakt II) der betroffenen schulpflichtigen Kinder fällt, wie die Beschwerdeführer geltend machen, kann unter diesen Umständen offen gelassen werden, da eine Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen im Sinne von Art. 36 BV in Bezug auf die betroffenen Grundrechte im Folgenden (vgl. E. 5 hiernach) ohnehin vorzunehmen ist.
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5. |
5.1. In der bisherigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Dispensation vom obligatorischen Schulunterricht vor allem für einzelne Tage gewährt worden, um die Einhaltung religiöser Ruhetage (BGE 134 I 114; 117 Ia 311) oder die Teilnahme an religiösen Festen (BGE 114 Ia 129) zu ermöglichen. Der Anspruch reicht so weit, als durch die Dispensation ein geordneter und effizienter Schulbetrieb nicht beeinträchtigt wird (BGE 117 Ia 311 E. 4a S. 317; 114 Ia 129 E. 3a S. 133). Dagegen zeigt sich die Rechtsprechung viel zurückhaltender bei der Gewährung von Dispensationen von einzelnen Unterrichtsfächern. Sie unterstreicht die grosse Bedeutung des Bildungsauftrags der Schule und erklärt, dass dem obligatorischen Schulunterricht grundsätzlich der Vorrang vor der Einhaltung religiöser Vorschriften zukommt und Ausnahmen vom Besuch einzelner Fächer nur mit Zurückhaltung zu gewähren sind (BGE 135 I 79 E. 7.2 S. 89; Urteile 2C_1079/2012 vom 11. April 2013 E. 3.3; 2C_724/2011 vom 11. April 2012 E. 3.4.1).
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5.2. Vorab ist festzustellen, dass hier weder der Kerngehalt der Glaubens- und Gewissensfreiheit noch des Schutzes des Familienlebens tangiert ist (vgl. BGE 135 I 79 E. 5 S. 84 f.), was offenbar auch von den Beschwerdeführern nicht (mehr) in Frage gestellt wird (vgl. Beschwerdeschrift Ziff. 52 bzw. 51); ihre Ausführungen hatten sich auf die ursprüngliche Version der Materialsammlung (sog. "Sex-Box") bezogen, die indes nicht mehr Gegenstand des Verfahren bildet (vgl. E. 2.2 hiervor).
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5.3. Die Beschwerdeführer machen geltend, es liege hier ein schwerer Grundrechtseingriff vor und es fehle dafür eine ausreichende gesetzliche Grundlage.
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5.3.1. Personengruppen, die wie Kindergärtner oder Primarschüler zum Staat in einer besonders engen Rechtsbeziehung stehen (sogenanntes Sonderstatus- oder besonderes Rechtsverhältnis), können sich grundsätzlich ebenfalls auf die Grundrechte wie etwa die Religionsfreiheit berufen. In solchen Fällen hat die formellgesetzliche Regelung - abgesehen von der Begründung des Sonderstatusverhältnisses selber - allerdings nicht ins Detail zu gehen, sondern darf der Natur des Rechtsverhältnisses entsprechend weit gefasst sein; namentlich darf die Regelung der Einzelheiten an Exekutivorgane delegiert werden. Indes müssen auch im Rahmen des besonderen Rechtsverhältnisses die schweren Grundrechtseingriffe mit hinreichender Bestimmtheit in einem formellen Gesetz vorgesehen sein, sofern sie sich nicht bereits in voraussehbarer Weise aus dem Zweck des Sonderstatusverhältnisses ergeben (BGE 139 I 280 E. 5.3.1 S. 286 f.; 135 I 79 E. 6.2 S. 85; BGE 123 I 296 E. 3; je mit Hinweisen).
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5.3.2. Die Vorinstanz hat sich zu Recht auf die soeben erwähnte Praxis bezogen und weiter ausgeführt, es sei hier bloss von einem leichten Grundrechtseingriff auszugehen (vgl. angefochtener Entscheid E. 6.2.1 und 6.2.2). Dieser Schluss ist nicht zu beanstanden: Ob ein Grundrechtseingriff schwer ist, beurteilt sich grundsätzlich nach objektiven Kriterien (BGE 139 I 280 E. 5.2 S. 285 mit zahlreichen Hinweisen). So wäre ein schwerer Eingriff etwa im Falle einer klaren Verletzung der konfessionellen oder weltanschaulichen Neutralität der Schule (vgl. BGE 125 I 347) anzunehmen. Der Besuch des bloss reaktiv angelegten Sexualkundeunterrichts (vgl. E. 2.2.2 hiervor) vermag diese Kriterien indes nicht zu erfüllen, da sich dieser nicht massgeblich auf den Lebensalltag der Beschwerdeführer auswirkt. Anders als in BGE 139 I 280, wo das Bundesgericht das Verbot des Tragens eines Kopftuches als schweren Eingriff in die Glaubens- und Gewissensfreiheit betrachtet hat, wird im vorliegenden Fall den Schülerinnen und Schülern keine bestimmte Verhaltensweise aufgezwungen, sondern es geht nur um das passive Erleben des umstrittenen Unterrichts.
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5.3.3. Unter diesen Umständen durfte die Vorinstanz weiter den Schluss ziehen, es sei von einer genügenden gesetzlichen Grundlage für den beanstandeten Unterricht auszugehen. Gemäss § 68 Abs. 1 des Schulgesetzes [des Kantons Basel-Stadt] vom 4. April 1929 (SchulG/BS; SG 410.100; in der Fassung vom 19. Mai 2010, in Kraft seit 4. Dezember 2011) erlässt der Erziehungsrat für die Volksschule den Lehrplan mit der Beschreibung der Lernziele, den obligatorischen und fakultativen Fächern und der Stundentafel. a§ 68 Abs. 2 SchulG/BS (in der Fassung vom 20. Februar 2008) sah dagegen noch die Genehmigung des Lehrplans durch den Regierungsrat vor. Die neue Bestimmung trat zwar erst auf den 4. Dezember 2011 in Kraft und damit nach Verabschiedung des hier umstrittenen Lehrplans. Die Vorinstanz hat indes für das Bundesgericht verbindlich festgestellt, dass der formell bis zum 4. Dezember 2011 in Kraft gestandenen Regelung von a§ 68 Abs. 2 SchulG/BS in der Praxis nicht mehr nachgelebt worden war und ein entsprechender Beschluss des Regierungsrats aus zeitlichen Gründen erst nach Wegfall der entsprechenden Rechtsgrundlage hätte erfolgen können (vgl. angefochtener Entscheid E. 6.2.3).
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5.4. Soweit die Beschwerdeführer das Vorliegen eines öffentlichen Interesses bestreiten, ist ihnen Folgendes entgegenzuhalten: Zunächst sind die Prävention vor sexuellen Übergriffen sowie der Schutz der Gesundheit unbestrittenermassen relevante öffentliche Interessen (vgl. Beschwerdeschrift Ziff. 63 bzw. 62). Weiter dient das Obligatorium des Schulbesuches der Wahrung der Chancengleichheit aller Kinder und darüber hinaus auch derjenigen zwischen den Geschlechtern bzw. der Gleichstellung von Mann und Frau in der (Aus-) Bildung; es fördert zudem die Integration von Angehörigen anderer Länder, Kulturen und Religionen und ist somit von gewichtigem öffentlichen Interesse (BGE 135 I 79 E. 7.1 S. 86 f; 119 Ia 178 E. 7c S. 191 f.). Diese Überlegungen gelten sinngemäss auch für den beanstandeten Sexualkundeunterricht; sie sind angesichts des Alters der betroffenen Kinder jedoch etwas zu relativieren.
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5.5. Die Vorinstanz ist sodann zu Recht davon ausgegangen, dass - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer - der umstrittene Sexualkundeunterricht in Form der konkret zur Diskussion stehenden Unterrichtsmaterialien nicht gegen das Gebot der Verhältnismässigkeit verstösst (vgl. angefochtener Entscheid E. 6.4). Dieses Prinzip verlangt, dass eine behördliche Massnahme für das Erreichen des im öffentlichen oder privaten Interesse liegenden Ziels geeignet und erforderlich ist und sich für die Betroffenen in Anbetracht der Schwere der Grundrechtseinschränkung als zumutbar und verhältnismässig erweist. Es muss eine vernünftige Zweck-Mittel-Relation vorliegen. Eine Massnahme ist unverhältnismässig, wenn das Ziel mit einem weniger schweren Grundrechtseingriff erreicht werden kann (BGE 138 I 331 E. 7.4.3.1 S. 346 mit Hinweisen).
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5.5.1. Die Beschwerdeführer räumen vorab ein, dass eine rein reaktive Vermittlung der in Leitfaden und Handreichung vorgesehenen Themen an Kindergärtner und Primarschüler der 1. und 2. Klasse verhältnismässig und zumutbar erscheinen (vgl. Beschwerdeschrift Ziff. 67 bzw. 66). Wie bereits in E. 2.3 hiervor dargelegt, verstehen die Beschwerdeführer und die Vorinstanzen den Begriff "reaktiv" aber unterschiedlich. Auch im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung ist vom Grundsatz auszugehen, dass der Unterricht im Rahmen der aufgestellten Ziele im zugrunde liegenden Lehrplan in pädagogisch angemessener Form erteilt wird.
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5.5.2. Unter diesen Umständen liegt es auf der Hand, dass die Aufklärung über die grundlegenden Begriffe und Zusammenhänge des menschlichen Körpers und der Sexualität grundsätzlich geeignet ist, das öffentlich anerkannte Ziel der Prävention vor sexuellen Übergriffen und des Gesundheitsschutzes zu verfolgen.
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5.5.3. Der umstrittene Unterricht erweist sich auch als erforderlich, da - wie selbst die Beschwerdeführer einräumen (vgl. Beschwerdeschrift Ziff. 69 bzw. 68) - ein berechtigtes Interesse an der Wissensvermittlung von sexuellen Themen auch gegenüber Kindergärtnern und Primarschulkindern in der 1. und 2. Klasse besteht und damit auf die Entwicklung der kindlichen Sexualität reagiert wird; einzuräumen ist indes, dass sich hier die öffentlichen Interessen wohl auch erreichen liessen, wenn der beanstandete Unterricht erst in höheren Klassen erteilt würde. Entscheidend ist indes auch hier, dass der im vorliegenden Verfahren zu beurteilende Unterricht gemäss Handreichung reaktiv erteilt wird und damit kein systematischer Sexualkundeunterricht erfolgt (vgl. E. 2.2.2). Daran vermag auch der Hinweis der Beschwerdeführer auf den "Lehrplan 21" nichts zu ändern, da dieser im Kanton Basel-Stadt unbestrittenermassen noch nicht in Kraft getreten ist.
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5.5.4. Schliesslich hat die Vorinstanz auf Grund der Bedeutung der Sexualpädagogik im Vor- und Primarschulalter zu Recht die Zumutbarkeit bejaht (vgl. angefochtener Entscheid E. 6.4.3). Dieser Schluss ist auch vor dem Hintergrund der pädagogischen Freiheit der Lehrperson (vgl. Urteil 2C_897/2012 vom 14. Februar 2013 E. 4.3.2) nicht zu beanstanden. Dies gilt umso mehr, als gemäss Handreichung die Sexualerziehung im Kindergarten und in der Primarschule in erster Linie Aufgabe der Eltern ist. Zu Recht hat die Vorinstanz auch darauf hingewiesen, dass Dispense einzelner Kinder von bestimmten Unterrichtsinhalten aus Gründen der Praktikabilität nur mit Zurückhaltung zu gewähren sind (vgl. auch E. 5.1 hiervor).
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5.6. Daraus ergibt sich, dass die verweigerte Dispensation vom beanstandeten Sexualkundeunterricht - auf Grund der heute zu beurteilenden Grundlagen - keinen unzulässigen Grundrechtseingriff für die Beschwerdeführer darstellt. Da nach dem Gesagten auch kein Verstoss gegen das Willkürverbot ersichtlich ist, ist der angefochtene Entscheid verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
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6. |
Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1.
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2.
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3.
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4.
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Lausanne, 15. November 2014
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Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Zünd
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Der Gerichtsschreiber: Winiger
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