Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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{T 0/2}
4A_396/2014
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Urteil vom 20. November 2014
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichter Kolly,
Bundesrichterinnen Hohl, Kiss, Niquille,
Gerichtsschreiber Hurni.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Michael Kloter,
Beschwerdeführerin,
gegen
Handelsgericht des Kantons Zürich.
Gegenstand
Sachliche Zuständigkeit,
Beschwerde gegen die Verfügung des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 20. Mai 2014.
Sachverhalt:
A.
Die B.________ AG mit Sitz in U.________ wurde am 24. Februar 1998 durch Beschluss der Generalversammlung aufgelöst.
Als Liquidatorin wurde A.________ eingesetzt.
Nach Durchführung der Liquidation wurde die Gesellschaft am 11. April 2000 im Handelsregister gelöscht.
B.
Mit Gesuch vom 14. Mai 2014 beantragte A.________ dem Handelsgericht des Kantons Zürich, es sei die B.________ AG in Liquidation zwecks Einleitung eines Betreibungsverfahrens aufgrund eines Verlustscheins vom 14. April 1994 in der Höhe von Fr. 100'000.-- wieder im Handelsregister einzutragen.
Mit Verfügung vom 20. Mai 2014 trat das Handelsgericht auf das Gesuch wegen sachlicher Unzuständigkeit nicht ein.
C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt A.________ dem Bundesgericht, es sei die Verfügung des Handelsgerichts aufzuheben und es sei das Gesuch zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Vorinstanz hat eine Stellungnahme eingereicht, ohne Antrag zu stellen.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerde richtet sich gegen einen Endentscheid (Art. 90 BGG), der von einem oberen kantonalen Gericht erging, das als Fachgericht für handelsrechtliche Streitigkeiten und einzige kantonale Instanz eingesetzt ist (Art. 75 Abs. 2 lit. b BGG), sie ist innert der Beschwerdefrist (Art. 100 BGG) von der mit ihren Rechtsbegehren unterlegenen Partei (Art. 76 Abs. 1 BGG) eingereicht worden und bei der Streitsache handelt es sich um eine Zivilsache (Art. 72 BGG). Eine Streitwertgrenze besteht für Beschwerden gegen Urteile kantonaler Handelsgerichte nicht (Art. 74 Abs. 2 lit. b BGG; BGE 139 III 67 E. 1.2). Unter Vorbehalt einer rechtsgenüglichen Begründung (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG ) ist auf die Beschwerde einzutreten.
2.
Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe sich zu Unrecht für sachlich unzuständig erklärt. Im Kanton Zürich sei das Handelsgericht für die Behandlung eines Gesuchs um Wiedereintragung nach Art. 164 HRegV sachlich zuständig.
2.1. Gemäss Art. 164 HRegV kann das Gericht auf Antrag die Wiedereintragung einer gelöschten Rechtseinheit anordnen, sofern u.a. glaubhaft gemacht wird, dass nach Abschluss der Liquidation der gelöschten Rechtseinheit Aktiven vorliegen, die noch nicht verwertet oder verteilt worden sind (lit. a). Zum Antrag ist berechtigt, wer ein schutzwürdiges Interesse an der Wiedereintragung der gelöschten Rechtseinheit hat (Abs. 2); hierzu gehören nach der Rechtsprechung namentlich die Verwaltungsräte, Liquidatoren, Aktionäre und Gläubiger (Urteil 4A_16/2010 vom 6. April 2010 E. 2.1).
Bei der Wiedereintragung nach Art. 164 HRegV handelt es sich um eine gerichtliche Anordnung der freiwilligen Gerichtsbarkeit i.S. von Art. 1 lit. b ZPO. Nur der Gesuchsteller ist am Wiedereintragungsverfahren als Partei beteiligt; eine Gegenpartei gibt es nicht, auch das Handelsregisteramt stellt keine solche dar (Urteil 4A_412/2013 vom 19. Dezember 2013 E. 1 unter Hinweis auf DAVID RÜETSCHI, in: Siffert/Turin [Hrsg.], Handelsregisterverordnung [HRegV], 2013, N. 3 und 32 zu Art. 164 HRegV).
2.2. Die Vorinstanz führt im angefochtenen Entscheid aus, dass das Handelsgericht gemäss § 45 lit. c des zürcherischen Gesetzes über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess (GOG/ZH; LS 211.1) nur für "Streitigkeiten" zuständig sei. Anordnungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit seien keine kontradiktorischen Verfahren und somit vom Verweis nach § 45 lit. c GOG/ZH ausgeschlossen. Das Handelsgericht sei daher für ein Wiedereintragungsverfahren nach Art. 164 HRegV sachlich nicht zuständig. In ihrer Vernehmlassung an das Bundesgericht schiebt die Vorinstanz nach, dass die sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts auch gemäss dem Wortlaut von Art. 6 ZPO auf "Streitigkeiten" beschränkt sei.
2.3. Gemäss Art. 6 Abs. 1 ZPO können die Kantone ein Fachgericht bezeichnen, das als einzige kantonale Instanz für handelsrechtliche Streitigkeiten zuständig ist (Handelsgericht). Der Begriff der handelsrechtlichen Streitigkeiten wird in Art. 6 Abs. 2 ZPO definiert. Nach Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO können die Kantone das Handelsgericht ausserdem für Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften zuständig erklären. Der Kanton Zürich hat von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht und sowohl für Streitigkeiten gemäss Art. 6 Abs. 2 ZPO als auch für Streitigkeiten gemäss Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO ein Handelsgericht eingesetzt (§ 44 lit. b GOG/ZH; BGE 138 III 471 E. 1.1 S. 476).
Mit Art. 6 ZPO hat der Bundesgesetzgeber für den Fall, dass ein Kanton ein Handelsgericht schafft, die sachliche Zuständigkeit für jene Streitigkeiten, welche die Voraussetzungen von Art. 6 Abs. 2 und Abs. 4 ZPO erfüllen, geregelt (BGE 140 III 155 E. 4.3). Bei den Begriffen der handelsrechtlichen Streitigkeiten bzw. der Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften handelt es sich um bundesrechtliche Begriffe: Richten die Kantone ein Handelsgericht ein, sind die Fälle gemäss Art. 6 Abs. 2 ZPO zwingend dem Handelsgericht zugewiesen, soweit dem nicht andere bundesrechtliche Vorschriften entgegenstehen (BGE 140 III 155 E. 4 S. 156 ff.). Dies gilt auch für die Fälle gemäss Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO, sofern der Kanton - wie hier Zürich - diese Streitigkeiten dem Handelsgericht zuweist. Das kantonale Recht kann die handelsgerichtliche Zuständigkeit für die bundesrechtlich definierten Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften in sachlicher Hinsicht nicht einschränken, wenn es von der Möglichkeit gemäss Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO Gebrauch gemacht hat. Einzig die Einführung von Streitwertgrenzen ist zulässig (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], BBl 2006 7261 unten).
Daraus folgt, dass sich das Zürcher Handelsgericht nur dann für sachlich unzuständig erklären darf, wenn das Wiedereintragungsverfahren als Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit i.S. von Art. 1 lit. b ZPO nicht unter den bundesrechtlichen Begriff der Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften gemäss Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO fällt.
2.4. Die einschlägigen Kommentare zu Art. 6 ZPO schweigen sich zur Frage, ob Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in die sachliche Zuständigkeit der Handelsgerichte fallen, aus. SENEL hält in seiner Dissertation zwar dafür, dass dem "Oberbegriff" der Streitigkeiten auch die nichtstreitige Gerichtsbarkeit zuzuordnen sei, will aber die Zuständigkeit der Handelsgerichte dennoch auf "streitige Zivilsachen" beschränken ( TOYLAN SENEL, Das handelsgerichtliche Verfahren nach der neuen Schweizerischen Zivilprozessordnung, Diss. Basel 2011, S. 73). Zum Wiedereintragungsverfahren nach Art. 164 HRegV vertritt dahingegen RÜETSCHI (a.a.O., N. 35 zu Art. 164 HRegV) die Auffassung, dass dieses von Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO erfasst sei, wobei dieser Autor unter die Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften ganz allgemein die "gesellschaftsrechtlichen Zivilsachen" zu subsumieren scheint.
2.5. Der Wortlaut des Begriffs "Streitigkeiten" scheint demgegenüber freiwillige, also nichtstreitige Verfahren gerade auszuschliessen, setzt doch eine Streitigkeit grammatikalisch eine Meinungsverschiedenheit zwischen mindestens zwei Parteien voraus; eine solche fehlt aber bei einem Verfahren nach Art. 164 HRegV, welches keine Gegenpartei kennt (oben E. 2.1, m.H. auf das Urteil 4A_412/2013 vom 19. Dezember 2013 E. 1).
In systematischer Hinsicht nimmt der Begriff der Streitigkeit nach Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO sodann auf jenen der streitigen Zivilsache gemäss Art. 1 lit. a ZPO Bezug. Als solche gilt gemäss der Rechtsprechung ein kontradiktorisches Verfahren zwischen mindestens zwei Parteien, das auf die endgültige, dauernde Regelung zivilrechtlicher Verhältnisse im Sinne einer
res iudicata abzielt (BGE 136 III 178 E. 5.2 S. 183; 124 III 44 E. 1a S. 46; 123 III 346 E. 1a S. 349). Um ein solches Verfahren handelt es sich beim Wiedereintragungsverfahren gemäss Art. 164 HRegV aber gerade nicht.
Der Wortlaut und der systematische Zusammenhang von Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO sprechen mithin dagegen, das Wiedereintragungsverfahren in die handelsgerichtliche Zuständigkeit zu verweisen.
2.6. Der Wortlaut ist Ausgangspunkt der Auslegung. Vom daraus abgeleiteten Sinn ist jedoch abzuweichen, wenn triftige Gründe bestehen, dass der Gesetzgeber diesen nicht gewollt haben kann. Solche Gründe können sich insbesondere aus der Entstehungsgeschichte der Norm oder aus ihrem Zweck ergeben. Neben dem Wortlaut und der Gesetzessystematik sind demnach bei der Auslegung auch das historische und das teleologische Element zu berücksichtigen (BGE 138 III 166 E. 3.2 S. 168; 134 III 273 E. 4 S. 277).
2.7. In den Materialien findet sich keine ausdrückliche Aussage dazu, ob auch nichtstreitige Verfahren in die handelsgerichtliche Zuständigkeit fallen sollen. Laut der Botschaft des Bundesrats orientiert sich die sachliche Zuständigkeit der Handelsgerichte indessen an den damals geltenden kantonalen Regeln (Botschaft ZPO, a.a.O., 7261; Urteil 5A_29/2014 vom 17. Juni 2014 E. 2.3.2, zur Publikation vorgesehen). Es ist damit zu prüfen, ob das frühere Recht der vier Handelsgerichtskantone die freiwillige Gerichtsbarkeit in die Zuständigkeit der Handelsgerichte verwies.
Art. 14 und 15 aZPO/SG knüpften die Zuständigkeit des St. Galler Handelsgerichts ebenso wie Art. 6 ZPO an das Vorliegen einer "Streitigkeit". Die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit fielen nicht unter diesen Begriff ( LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, Kommentar zur Zivilprozessordnung des Kantons St. Gallen, Bern 1999, N. 2 zu Art. 14 aZPO/SG).
§ 404 aZPO/AG setzte für die Zuständigkeit des Aargauer Handelsgerichts eine "Streitsache" voraus. Die freiwillige Gerichtsbarkeit, namentlich auch jene aus dem Bereich der Handelsgesellschaften und der Genossenschaft, fiel nicht in die Zuständigkeit des Handelsgerichts, sondern des ordentlichen erstinstanzlichen Gerichtspräsidenten ( ALBERT KILLER, in: Bühler et al. [Hrsg.], Kommentar zur aargauischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl., 1998, N. 1e zu § 297 sowie N. 5 zu § 300 aZPO/AG).
Auch Art. 5 aZPO/BE verwies nur "Streitigkeiten" bzw. "Klagen" in die Kompetenz des Berner Handelsgerichts. Gemäss Art. 2 aEGZGB/BE fielen die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf dem Gebiet der Handelsgesellschaften und der Genossenschaft wie im Kanton Aargau in die Zuständigkeit des ordentlichen erstinstanzlichen Gerichtspräsidenten.
Schliesslich sahen auch die §§ 61 und 62 des aGVG/ZH die Zuständigkeit des Zürcher Handelsgerichts nur bei Vorliegen einer "Klage" oder eines "Streits" vor. Die freiwillige Gerichtsbarkeit auf dem Gebiet der Handelsgesellschaften und der Genossenschaft fiel gemäss § 219 lit. c aZPO/ZH in die Kompetenz des Einzelrichters, jedoch nicht des Handelsgerichts, sondern des Bezirksgerichts (§ 61 Abs. 2 aGVG/ZH
e contrario; zur sachlichen Zuständigkeit des Einzelrichters am Handelsgericht ausführlich JOHANN JAKOB ZÜRCHER, Der Einzelrichter am Handelsgericht des Kantons Zürich, Diss. Zürich 1998, S. 3 ff.).
Das historische Auslegungselement spricht damit ebenso wie das grammatikalische und systematische gegen die Subsumtion des Wiedereintragungsverfahrens unter den Begriff der Streitigkeit nach Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO.
2.8. Die Handelsgerichtsbarkeit zeichnet sich durch das Zusammenwirken von höheren Berufsrichtern und fachkundigen Laienhandelsrichtern aus den jeweils vom Streit betroffenen Branchen aus (Botschaft ZPO, a.a.O., S. 7261). Handelsgerichte weisen als Fachgerichte mithin namentlich Fachwissen auf.
Ein solches ist freilich bei der Beurteilung, ob eine gelöschte Handelsgesellschaft oder eine Genossenschaft gestützt auf Art. 164 HRegV wieder in das Handelsregister eingetragen werden soll, gerade nicht erforderlich: Im Wiedereintragungsverfahren ist lediglich zu beurteilen, ob nach Abschluss der Liquidation der gelöschten Gesellschaft noch unverwertete bzw. unverteilte Aktiven vorliegen (lit. a), die gelöschte Gesellschaft in einem Gerichtsverfahren als Partei teilnimmt (lit. b), die Wiedereintragung für die Bereinigung eines öffentlichen Registers notwendig (lit. c) oder für die Beendigung des Konkursverfahrens der gelöschten Gesellschaft erforderlich ist (lit. d).
Zur Beurteilung dieser Fragen ist in aller Regel weder ein Branchenwissen noch ein spezifisch gesellschaftsrechtliches Wissen erforderlich, weshalb auch in teleologischer Hinsicht nicht angezeigt ist, vom Wortsinn des Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO abzuweichen und unter den Begriff der Streitigkeiten auch das Wiedereintragungsverfahren nach Art. 164 HRegV zu subsumieren.
3.
Die Vorinstanz hat sich damit zu Recht für sachlich unzuständig erklärt. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin und dem Handelsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 20. November 2014
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Klett
Der Gerichtsschreiber: Hurni