BGer 1C_400/2014
 
BGer 1C_400/2014 vom 04.12.2014
{T 0/2}
1C_400/2014
 
Urteil vom 4. Dezember 2014
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Aemisegger, Eusebio,
Gerichtsschreiber Stohner.
 
Verfahrensbeteiligte
B.A.________ und C.A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Fürsprecher Dr. Urs Oswald,
gegen
Erbengemeinschaft D.________, bestehend aus:
E.D.________,
F.D.________,
G.D.________,
Beschwerdegegner,
Gemeinderat Jonen,
Departement Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau.
Gegenstand
Baubewilligung,
Beschwerde gegen das Urteil vom 16. Juni 2014 des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 3. Kammer.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
B.
 
Erwägungen:
 
1.
 
2.
2.1. Das vom Gemeinderat Jonen am 26. März 2012 bewilligte Bauvorhaben der Beschwerdegegner beinhaltet eine Terrainveränderung durch Aufschüttung und - zur Sicherung dieser Terrainveränderung - die Errichtung einer zweistufigen Stützmauer an der Grenze zum Grundstück der Beschwerdeführer.
2.2. Es wird weder von den Beschwerdegegnern noch vom Gemeinderat Jonen behauptet und ist auch nicht ersichtlich, dass die kantonalen Instanzen § 36 Abs. 2 Satz 1 BNO/Jonen willkürlich angewendet haben. Streitgegenstand bildet einzig die Frage, ob die Vorinstanzen die Voraussetzungen für eine Gleichbehandlung im Unrecht zu Recht bejaht haben. Die Beschwerdeführer bestreiten dies und rügen eine Verletzung von Art. 8 Abs. 1 BV.
2.3. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung geht der Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Verwaltung in der Regel der Rücksicht auf die gleichmässige Rechtsanwendung vor. Der Umstand, dass das Gesetz in anderen Fällen nicht oder nicht richtig angewendet worden ist, gibt den Bürgern grundsätzlich keinen Anspruch darauf, ebenfalls abweichend vom Gesetz behandelt zu werden. Ausnahmsweise und unter strengen Bedingungen wird jedoch im Rahmen des verfassungsmässig verbürgten Gleichheitssatzes ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht anerkannt (Art. 8 Abs. 1 BV; eingehend hierzu Pierre Tschannen, Gleichheit im Unrecht: Gerichtsstrafe im Grundrechtskleid, ZBI 112/2011 S. 57 ff.). Die Gleichbehandlung im Unrecht setzt voraus, dass die zu beurteilenden Fälle in den tatbestandserheblichen Sachverhaltselementen übereinstimmen, dass dieselbe Behörde in ständiger Praxis vom Gesetz abweicht und zudem zu erkennen gibt, auch inskünftig nicht gesetzeskonform entscheiden zu wollen. Schliesslich dürfen keine überwiegenden Gesetzmässigkeitsinteressen oder Interessen Dritter bestehen (vgl. BGE 139 II 49 E. 7.1 S. 61; 136 I 65 E. 5.6 S. 78 f.; 123 II 248 E. 3c S. 253 f.). Als Grundlage für einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht kommt unter Umständen auch eine rechtswidrige Baubewilligungspraxis in Betracht (vgl. Urteile 1C_398/2011 vom 7. März 2012 E. 3.6 und 1C_330/2013 vom 15. Oktober 2013 E. 4.1).
2.4. Die Vorinstanz hat im angefochtenen Urteil ausdrücklich auf diese bundesgerichtliche Rechtsprechung Bezug genommen und ist unter anderem zum Schluss gekommen, der Gemeinderat Jonen lehne die Aufgabe seiner in anderen vergleichbaren Fällen geübten gesetzeswidrigen Praxis ab. Der Vertreter der externen Bauverwaltung der Gemeinde Jonen habe anlässlich der Augenscheinsverhandlung vom 20. September 2012 im Verfahren vor dem Departement Bau, Verkehr und Umwelt angegeben, man werde auch in Zukunft an der Praxis festhalten, die Notwendigkeit von Stützmauern in Wohnzonen nicht zu prüfen. Die Aussagen liessen erkennen, dass sich der Gemeinderat im Recht wähne und von der Richtigkeit und Angemessenheit seiner Praxis überzeugt sei. Es sei zu erwarten, dass er zumindest in jenen Fällen, in denen einem Bauvorhaben keine Opposition der Nachbarschaft erwachse, weiterhin auch Stützmauern bewilligen werde, wenn ein Gefälle mit einer Böschung aufgefangen werden könnte. Vor diesem Hintergrund hätten die Beschwerdegegner einen Anspruch darauf, dass die von ihnen nachgesuchte Stützmauer in Fortführung der bisherigen rechtswidrigen kommunalen Praxis bewilligt werde, obschon aufgrund der Geländeverhältnisse keine Notwendigkeit für eine Stützmauer bestehe.
2.5. Voraussetzung für eine Gleichbehandlung im Unrecht ist, wie dargelegt (vgl. E. 2.3 hiervor), dass die Behörde zu erkennen gibt, dass sie auch in Zukunft nicht gesetzeskonform entscheiden will. Wenn die Behörde rechtmässig zu handeln glaubte und die Rechtswidrigkeit der Vergleichsentscheidung erstmals im Anlassfall gerichtlich festgestellt wird, wird vermutet, die Behörde werde künftig gesetzmässig handeln (Tschannen, a.a.O., S. 74 mit Hinweis auf BGE 112 Ib 381 E. 6 S. 387). Nur wenn eine Behörde nicht gewillt ist, eine bewusst geübte rechtswidrige Praxis aufzugeben, kann das Interesse an der Gleichbehandlung der Betroffenen dasjenige an der Gesetzmässigkeit überwiegen. Äussert sich die Behörde nicht über ihre Absicht, so ist anzunehmen, sie werde aufgrund der Erwägungen des bundesgerichtlichen Urteils zu einer gesetzmässigen Praxis übergehen (BGE 122 II 446 E. 4a S. 451 f.; 115 Ia 81 E. 2 S. 82 f.).
2.6. Der Gemeinderat Jonen ging in seinem Baubewilligungsentscheid vom 26. März 2012 (zu Unrecht) davon aus, die Anforderungen von § 36 Abs. 2 BNO/Jonen seien eingehalten. An diesem Standpunkt hielt er in seiner Vernehmlassung vom 21. Mai 2012 an das Departement Bau, Verkehr und Umwelt ausdrücklich fest. In seiner Stellungnahme vom 9. September 2013 an die Vorinstanz verwies er auf seine Ausführungen vom 21. Mai 2012 und im bundesgerichtlichen Verfahren reichte er keine Vernehmlassung ein.
 
3.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. 
2. 
3. 
4. 
Lausanne, 4. Dezember 2014
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Merkli
Der Gerichtsschreiber: Stohner