BGer 6B_823/2014 |
BGer 6B_823/2014 vom 23.01.2015 |
{T 0/2}
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6B_823/2014
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Urteil vom 23. Januar 2015 |
Strafrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter Denys, Präsident,
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Bundesrichter Oberholzer,
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Bundesrichterin Jametti,
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Gerichtsschreiber Held.
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Verfahrensbeteiligte |
X.________,
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vertreten durch Advokatin Dr. Eva Weber,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
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Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Mehrfache Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz; Grundsatz ne bis in idem,
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Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer, vom 27. Mai 2014.
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Sachverhalt: |
A. |
Die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft stellte am 5. Mai 2011 ein gegen X.________ eingeleitetes Strafverfahren wegen Inverkehrbringens von Geräten und Vorrichtungen, welche die behördliche Kontrolle des Strassenverkehrs erschweren, stören oder unwirksam machen können (z.B. Radarwarngeräte) ein. Die Einstellungsverfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
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B. |
C. |
Erwägungen: |
1. |
Bundesrecht im Sinne von Art. 95 lit. a BGG umfasst die von den Bundesbehörden erlassenen Rechtsnormen aller Erlassstufen und aller Rechtsgebiete, weshalb mit den Einheitsbeschwerden insbesondere auch die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden kann (BGE 134 IV 36 E. 1.4.3 S. 41). Da in Strafsachen alle letztinstanzlichen kantonalen Entscheide mit der ordentlichen Beschwerde angefochten werden können, verbleibt für die subsidiäre Verfassungsbeschwerde kein Anwendungsbereich (Urteile 6B_945/2013 vom, 23. Mai 2014 E. 2; 6B_807/2013 vom 28. April 2014 E. 1; je mit Hinweisen). Die vom Beschwerdeführer im Rahmen der subsidiären Verfassungsbeschwerde erhobenen Rügen sind als Beschwerde in Strafsachen entgegenzunehmen.
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2. |
2.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Grundsatzes "ne bis in idem". Über seine Strafbarkeit wegen Verkaufs der POI-Pilot-Geräte "3000" und "50001+" sei im Sinne einer "res iudicata" mit Einstellungsbeschluss der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft vom 5. Mai 2011 ein für alle mal rechtskräftig entschieden worden. Das Verbot der Doppelbestrafung sei aufgrund der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Dauerdelikten nicht ausgeschlossen, denn nach einer rechtskräftigen Verfahrenseinstellung könne im Gegensatz zu einem richterlichen Schuldspruch der Wille, einen rechtswidrigen Zustand nicht beseitigen zu wollen, nicht neu gefasst werden. Wäre dies der Fall, könnte ein rechtskräftiger Freispruch bei einem Dauerdelikt keine Sperrwirkung entfalten, was offensichtlich falsch sei und keiner weiteren Ausführungen bedürfe.
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2.2. Die Vorinstanz erwägt, die am 5. Mai 2011 ergangene Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft könne sich (bereits denklogisch) nicht auf die zur Anklage gebrachten und als Dauerdelikt zu betrachtenden Vertriebshandlungen zwischen August 2011 und August 2012 beziehen, weshalb das Verbot der doppelten Strafverfolgung (Art. 11 Abs. 1 StPO) nicht zur Anwendung komme und sich die Frage einer allfälligen Wiederaufnahme nach Art. 11 Abs. 2 StPO nicht stelle.
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2.3. |
2.3.1. Der Grundsatz "ne bis in idem" besagt, dass niemand wegen einer Straftat, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut verfolgt oder bestraft werden darf (vgl. Art. 4 des Protokolles Nr. 7 zur EMRK [SR 0.101.07]; Art. 14 Abs. 7 IPBPR [SR 0.103.2]; Art. 11 Abs. 1 StPO; BGE 137 IV 363 E. 2.1 S. 364 f.; Urteil 6B_20/2014 vom 14. November 2014 E. 3.2; je mit Hinweisen). Die Anwendung des Prinzips "ne bis in idem" setzt unter anderem voraus, dass dem Richter im ersten Verfahren die Möglichkeit zugestanden haben muss, den Sachverhalt unter allen tatbestandsmässigen Punkten zu würdigen (BGE 135 IV 6 E. 3.3 S. 10 mit Hinweis). Eine rechtskräftige Einstellungsverfügung kommt einem freisprechenden Endentscheid gleich (Art. 320 Abs. 4 StPO).
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2.3.2. Die Vorbringen gehen an der Sache vorbei, soweit sie überhaupt den Begründungsanforderungen gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG genügen. Der Beschwerdeführer setzt sich nicht detailliert mit den vorinstanzlichen Erwägungen auseinander und zeigt nicht auf, inwieweit der angefochtene Entscheid Bundesrecht verletzten soll (vgl. BGE 140 III 86 E. S. 88 f. mit Hinweisen). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers und der Vorinstanz stellt das angeklagte Inverkehrbringen der GPS-Geräte nebst Zubehör in Form des Verkaufens kein Dauerdelikt dar, weshalb sich die Frage einer allfälligen Zäsurwirkung infolge der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft vom 5. Mai 2011 nicht stellt. Ein Verbot gegen das Doppelbestrafungsgebot scheidet demnach von vornherein aus, da Gegenstand des angefochtenen Urteils ausschliesslich Handlungen sind, die zeitlich nach dem Erlass der in Rechtskraft erwachsenen Einstellungsverfügung erfolgten.
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3. |
3.1. Der Beschwerdeführer rügt sinngemäss, der vorinstanzlich festgestellte Sachverhalt sei willkürlich und verletze Art. 323 Abs. 1 lit. b StPO. Die zu den GPS-Geräten mitgelieferte CD-ROM enthalte keine verbotenen POI-Datensätze, sondern sei lediglich eine Kommunikationshilfe zwischen GPS-Gerät und Internet. Sämtliche POI-Daten - ob erlaubt oder verboten - stünden jedermann im Internet zur Verfügung und müssten vom Kunden selbst auf das GPS-Gerät geladen werden. Dieser Sachverhalt habe bereits der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft zugrunde gelegen. Die Diskrepanz zwischen dem angefochtenen Entscheid und dem von der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft festgestellten Sachverhalt beruhe ausschliesslich auf mangelndem technischen Know-how der Vorinstanz. Eine Sachverhaltsfeststellung zuungunsten des Beschwerdeführers mangels technischen Know-hows sei willkürlich. Indem die Vorinstanz ihm vorwerfe, dass er sich nicht genügend über die Strafbarkeit seines Verhaltens informiert habe, verstosse sie gegen den Grundsatz "in dubio pro reo".
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3.2. Die Vorinstanz erwägt, neben dem eigentlichen GPS-Gerät werde eine CD-ROM mitgeliefert, die den Zugang zu zwei verschiedenen Datensätzen ermögliche, von denen einer auch verbotene POI-Daten enthalte. Die Aufforderung an den Nutzer in der Schweiz, nur den legalen POI-Datensatz zu installieren, ändere nichts daran, dass es sich um ein Gerät im Sinne von Art. 57b aSVG handle, das geeignet sei, Strassenverkehrskontrollen zu stören. Subjektiv sei der Beschwerdeführer einem Sachverhaltsirrtum unterlegen, denn er habe angenommen, es handle sich nicht um verbotene Radarwarngeräte. Dass der Irrtum einzig auf einer falschen Rechtsauslegung beruhe, sei unerheblich, da ein Rechtsirrtum nur dann vorläge, wenn der Beschwerdeführer in Verkennung der Rechtslage den Vertrieb von Radarwarngeräten für straflos gehalten hätte, was nicht der Fall gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe jedoch gestützt auf die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft und seiner offensichtlich ungenügenden Abklärungen nicht von der Rechtmässigkeit seines Tuns ausgehen dürfen. Vielmehr hätte das (eingestellte) Strafverfahren Anlass sein müssen, sein Vorgehen zu überdenken oder zumindest zuverlässige Abklärungen zu treffen, womit er seinen Irrtum hätte vermeiden können. Dass er dies nicht getan habe, grenze an bewusstes "Nichtwissenwollen" respektive eine eventualvorsätzliche Inkaufnahme der Tatverwirklichung, womit zumindest eine fahrlässige Tatbegehung erstellt sei.
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3.3. Die Rügen erweisen sich als unbegründet, soweit angesichts der gesteigerten Begründungsanforderungen einer Willkürrüge (vgl. Art. 42 Abs. 2, Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 140 III 264 E. 3 S. 266; 138 I 305 E. 4.3; 137 IV 1 E. 4.2.3; je mit Hinweisen) überhaupt auf sie eingetreten werden kann. Unzutreffend ist, die Vorinstanz gehe davon aus, der illegale Datensatz sei auf der CD-ROM enthalten. Die Vorinstanz stellt in Übereinstimmung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers fest, die CD ermögliche den Zugang zu dem von der A.________ GmbH zur Verfügung gestellten illegalen Datenersatz. Unklar ist, was der Beschwerdeführer mit seiner Rüge zum Ausdruck bringen will, die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen verstiessen gegen Art. 323 Abs. 1 lit. b StPO und seien damit willkürlich. Dies kann jedoch offenbleiben, denn er übersieht, dass die Vorinstanz die Voraussetzungen einer Wiederaufnahme aufgrund unterschiedlicher Lebenssachverhalte zutreffend verneint und Art. 323 StPO nicht zur Anwendung gelangt.
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4. |
Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2. Die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 23. Januar 2015
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Denys
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Der Gerichtsschreiber: Held
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