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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
{T 0/2}
6B_117/2014
Urteil vom 5. Februar 2015
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Oberholzer,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiber Faga.
Verfahrensbeteiligte
Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft, Hauptabteilung OK/WK,
Beschwerdeführerin,
gegen
X.________,
vertreten durch Advokatin Annalisa Landi,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Verfahrenseinstellung (Steuerbetrug, Bestechung etc.), Verfahrenskosten und Entschädigung,
Beschwerde gegen den Beschluss des
Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung
Strafrecht, vom 5. November 2013.
Sachverhalt:
A.
Das Besondere Untersuchungsrichteramt Basel-Landschaft eröffnete am 14. Dezember 2010 gegen X.________ ein Untersuchungsverfahren wegen ordnungswidriger Führung der Geschäftsbücher, Steuerbetrug und Gehilfenschaft zur ungetreuen Geschäftsbesorgung zum Nachteil der A.________ AG. Am 16. Dezember 2010 wurde gegen deren Angestellten, Y.________, ein Untersuchungsverfahren wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung eröffnet. Die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft dehnte am 14. September 2011 das Verfahren gegen X.________ auf die Straftatbestände des gewerbsmässigen Betrugs und der Urkundenfälschung aus. Gleichentags eröffnete sie ein Verfahren gegen Z.________ wegen gewerbsmässigen Betrugs, Urkundenfälschung und ungetreuer Geschäftsbesorgung.
Am 6. August 2013 stellte die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft die gegen X.________, Y.________ und Z.________ geführte Strafuntersuchung ein. Sie auferlegte die Kosten des Verfahrens X.________ und Y.________ zu je 40% und nahm den auf Z.________ entfallenden Anteil auf die Staatskasse. Die Staatsanwaltschaft verzichtete darauf, X.________ und Y.________ eine Entschädigung respektive Genugtuung zuzusprechen, während sie die Entschädigung und Genugtuung für Z.________ auf insgesamt Fr. 1'548.40 bemass.
Die gegen die Einstellungsverfügung im Kosten- und Entschädigungspunkt erhobene Beschwerde von X.________ hiess das Kantonsgericht Basel-Landschaft am 5. November 2013 teilweise gut. Es auferlegte die Verfahrenskosten und die Urteilsgebühr von insgesamt Fr. 9'575.-- zu drei Vierteln (Fr. 7'181.25) X.________ und zu einem Viertel (Fr. 2'393.75) dem Staat. Dem früheren Rechtsvertreter von X.________ sprach es eine Entschädigung von Fr. 11'989.10 zu.
B.
Die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft führt Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt im Wesentlichen, X.________ seien die gesamten Verfahrenskosten sowie die Urteilsgebühr aufzuerlegen und keine Entschädigung zuzusprechen. Zudem habe X.________ die Kosten des vorinstanzlichen Beschwerdeverfahrens zu tragen, ohne diesbezüglich eine Entschädigung zu erhalten. Eventualiter sei der Beschluss des Kantonsgerichts aufzuheben und zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
C.
X.________ beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, eventualiter sei der Beschluss des Kantonsgerichts aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Kantonsgericht beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen:
1.
1.1. Die Legitimation zur Beschwerde in Strafsachen richtet sich nach Art. 81 BGG. Der Staatsanwaltschaft steht das Beschwerderecht in Strafsachen nach Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 BGG grundsätzlich ohne Einschränkung zu (BGE 134 IV 36 E. 1.4 S. 39 ff. mit Hinweisen).
Bund und Kantone bestimmen ihre Strafbehörden und deren Bezeichnungen (Art. 14 Abs. 1 StPO). Sie regeln Wahl, Zusammensetzung, Organisation und Befugnisse der Strafbehörden, soweit dieses Gesetz oder andere Bundesgesetze dies nicht abschliessend regeln (Art. 14 Abs. 2 StPO). Die kantonale Einführungsgesetzgebung zur Strafprozessordnung bestimmt zwar, wer allgemein und in den konkreten Fällen die Funktionen der Staatsanwaltschaft ausübt. Ob jedoch nur einem und gegebenenfalls welchem oder mehreren Staatsanwälten nebeneinander die Befugnis zukommt, Beschwerde in Strafsachen zu führen, entscheidet sich nach dem Bundesgerichtsgesetz (vgl. BGE 131 IV 142 E. 1 S. 143; 128 IV 237 E. 1 S. 238; je mit Hinweisen).
Besteht eine für den ganzen Kanton zuständige Oberstaatsanwaltschaft oder eine vergleichbare Behörde, die innerhalb des Kantons für eine einheitliche Rechtsanwendung zu sorgen hat und Rechtsmittel vor den letzten kantonalen Instanzen ergreifen kann, ist diese allein zur Beschwerde in Strafsachen legitimiert (Urteil 6B_949/2013 vom 3. Februar 2014 E. 2.2).
1.2. Der Kanton Basel-Landschaft kennt keine Oberstaatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft wird vom Ersten Staatsanwalt geleitet (§ 7 des Einführungsgesetzes des Kantons Basel-Landschaft vom 12. März 2009 zur Schweizerischen Strafprozessordnung [EG StPO; SGS 250]) und gliedert sich in (sechs) Hauptabteilungen, die von Leitenden Staatsanwälten geführt werden. Diese bilden zusammen mit dem Ersten Staatsanwalt die Geschäftsleitung (§ 8 EG StPO), welche die Information und Koordination innerhalb der Staatsanwaltschaft sicherstellt (§ 9 EG StPO). Mit der Geschäftsleitung verfügt der Kanton Basel-Landschaft über ein Leitungsorgan, das für die einheitliche Rechtsanwendung zu sorgen hat. Demzufolge sind nur die der Geschäftsleitung angehörenden Leitenden, nicht aber auch die übrigen Staatsanwälte zur Beschwerde in Strafsachen legitimiert (Urteil 6B_1141/2013 vom 8. Mai 2014 E. 1.2).
Der beschwerdeführende Staatsanwalt ist zur Beschwerde in Strafsachen nicht legitimiert. Das Bundesgericht erwog in einem gleich gelagerten Fall, es müsse dessen ungeachtet nach Treu und Glauben auf die Beschwerde eingetreten werden (Urteil 6B_1141/2013 vom 8. Mai 2014 E. 1.2). Auch hier wurde die Beschwerde noch vor dem bundesgerichtlichen Urteil vom 3. Februar 2014 verfasst. Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft ist einzutreten.
2.
2.1. Die Beschwerdeführerin warf X.________ (Beschwerdegegner) ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten im Sinne von Art. 426 Abs. 2 und Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO vor, weshalb sie ihm in ihrer Einstellungsverfügung vom 6. August 2013 die Verfahrenskosten (inkl. Spruchgebühr) in der Höhe von Fr. 9'575.-- auferlegte und eine Entschädigung respektive Genugtuung gestützt auf die letztgenannte Bestimmung verweigerte. Zum einen habe der Beschwerdegegner mit den Provisionszahlungen an den Mitarbeiter der A.________ AG, Y.________, gegen die Bestimmung von Art. 4a UWG (Bestechung) verstossen. Zum andern habe er die Geldzahlungen in der Buchhaltung seiner Gesellschaft X.________-Immobilien in den Jahren 2003-2010 nicht ordnungsgemäss mittels Quittungen belegt, die Rechnungen an die A.________ AG nur mangelhaft (fehlende Lieferscheine und Fahrtenbücher) dokumentiert und damit gegen die Buchführungsbestimmungen gemäss Art. 957 ff. OR (in der bis 31. Dezember 2012 gültigen Fassung) verstossen.
Die Vorinstanz stellt in tatsächlicher Hinsicht fest, dass der Beschwerdegegner Y.________ Provisionen zukommen liess, um möglichst viele Transportaufträge von der A.________ AG zu erhalten. Mit diesen Provisionsleistungen habe der Beschwerdegegner unlauter im Sinne von Art. 4a Abs. 1 lit. a UWG gehandelt (Entscheid S. 7 ff.). Während die Vorinstanz mithin diesbezüglich dem Einstellungsentscheid der Beschwerdeführerin folgt, sieht sie im Vorwurf, gegen die Buchführungsbestimmungen nach Art. 957 ff. OR (in der bis 31. Dezember 2012 gültigen Fassung) verstossen zu haben, die Unschuldsvermutung verletzt. Der Straftatbestand von Art. 325 StGB stelle die Missachtung der genannten zivilrechtlichen Bestimmungen unter Strafe. Die Kostenauflage mit der Begründung, Art. 957 ff. OR (in der bis 31. Dezember 2012 gültigen Fassung) rechtswidrig und schuldhaft missachtet zu haben, sei gleichzusetzen mit dem Vorwurf der ordnungswidrigen Führung der Geschäftsbücher im Sinne von Art. 325 StGB (Entscheid S. 13 f.).
2.2. Die Beschwerdeführerin bringt vor, in der Einstellungsverfügung vom 6. August 2013 werde die Kostenauflage mit der Verletzung zivilrechtlicher Bestimmungen gemäss Art. 957 ff. OR (in der bis 31. Dezember 2012 gültigen Fassung) begründet. Ein direkter oder indirekter Vorwurf strafrechtlichen Verschuldens liege nicht vor. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sei es zulässig, dass sich der zivilrechtliche Vorwurf sachlich mit dem strafrechtlichen decke (Beschwerde S. 3 ff.).
2.3. Gemäss Art. 426 Abs. 2 StPO können der beschuldigten Person bei Einstellung des Verfahrens die Verfahrenskosten ganz oder teilweise auferlegt werden, wenn sie rechtswidrig und schuldhaft die Einleitung des Verfahrens bewirkt oder dessen Durchführung erschwert hat. Unter den gleichen Voraussetzungen kann gemäss Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO eine Entschädigung herabgesetzt oder verweigert werden.
Diese Bestimmungen kodifizieren die Praxis des Bundesgerichts und der EMRK-Organe, wonach eine Kostenauflage möglich ist, wenn der Beschuldigte in zivilrechtlich vorwerfbarer Weise gegen eine geschriebene oder ungeschriebene Verhaltensnorm klar verstossen und dadurch die Einleitung des Strafverfahrens veranlasst hat. Das Verhalten muss unter rechtlichen Gesichtspunkten vorwerfbar sein. Gegen Verfassung und Konvention verstösst es, in der Begründung des Entscheids, mit dem ein Freispruch oder eine Verfahrenseinstellung erfolgt und dem Beschuldigten Kosten auferlegt werden oder eine Entschädigung verweigert wird, diesem direkt oder indirekt vorzuwerfen, er habe sich strafbar gemacht bzw. es treffe ihn ein strafrechtliches Verschulden (BGE 120 Ia 147 E. 3b S. 155; 119 Ia 332 E. 1b S. 334; je mit Hinweisen; Botschaft des Bundesrats zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts vom 21. Dezember 2005, BBl 2006 1326 Ziff. 2.10.2 und 1329 f. Ziff. 2.10.3.1; Urteil 6B_820/2014 vom 27. November 2014 E. 3.1 mit Hinweisen). In tatsächlicher Hinsicht darf sich die Kostenauflage nur auf unbestrittene oder bereits klar nachgewiesene Umstände stützen (BGE 112 Ia 371 E. 2a S. 374).
Das Bundesgericht prüft frei, ob der Kostenentscheid direkt oder indirekt den Vorwurf strafrechtlicher Schuld enthält, und unter Willkürgesichtspunkten, ob die beschuldigte Person in zivilrechtlich vorwerfbarer Weise gegen geschriebene oder ungeschriebene Verhaltensnormen klar verstossen und dadurch das Strafverfahren veranlasst hat (BGE 116 Ia 162 E. 2f S. 175 f.).
2.4. Mit den Erwägungen in der Einstellungsverfügung wird entgegen der Meinung der Vorinstanz nicht der Eindruck erweckt, der Beschwerdegegner könnte allenfalls im Sinne des Strafrechts schuldig sein. Die Beschwerdeführerin wirft dem Beschwerdegegner nicht vor, den objektiven und subjektiven Tatbestand der ordnungswidrigen Führung der Geschäftsbücher gemäss Art. 325 StGB erfüllt zu haben. Ebenso wenig hält sie fest, dass der Beschwerdegegner ohne die Verjährung zu bestrafen gewesen wäre. Dem Beschwerdegegner wurden die fraglichen Verfahrenskosten einzig deshalb auferlegt, weil er nach Ansicht der kantonalen Untersuchungsbehörde die Einleitung des Strafverfahrens durch ein zivilrechtlich vorwerfbares Verhalten (Verletzung der in Art. 957 OR [in der bis 31. Dezember 2012 gültigen Fassung] festgesetzten Buchführungspflicht) veranlasst und die Durchführung erschwert hat. Das Bundesgericht hat wiederholt festgehalten, dass die Kostenpflicht einer der ordnungswidrigen Führung der Geschäftsbücher beschuldigten Person wegen Verletzung von Art. 957 OR (in der bis 31. Dezember 2012 gültigen Fassung) die Unschuldsvermutung nicht verletzt (Urteile 6B_78/2009 vom 22. September 2009 E. 7.3; 6B_271/2009 vom 6. August 2009 E. 3.3 ff.; 1P.176/2005 vom 28. Juni 2005 E. 4; 1P.124/1988 vom 29. Juni 1988 E. 2). Die Beschwerdeführerin wirft dem Beschwerdegegner allein unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten ein Verschulden vor und bringt in ihren Erwägungen zur Kostentragungspflicht keine strafrechtliche Missbilligung zum Ausdruck. Gegenteiliges und damit eine mit der Einstellungsverfügung einhergehende Verletzung der Unschuldsvermutung wird auch vom Beschwerdegegner in der Vernehmlassung nicht behauptet. Die Begründung der Einstellungsverfügung verletzt entgegen dem Dafürhalten der Vorinstanz nicht die Unschuldsvermutung. Die Beschwerde ist begründet.
2.5. Die Vorinstanz wird die Kostentragungspflicht des Beschwerdegegners neu beurteilen müssen. Gleiches gilt für die Parteientschädigung von insgesamt Fr. 11'989.10, da der Kostenentscheid die Entschädigungsfrage präjudiziert und bei Auferlegung der Kosten grundsätzlich keine Entschädigung auszurichten ist (BGE 137 IV 352 E. 2.4.2 S. 357 mit Hinweisen). Die Vorinstanz wird prüfen müssen, ob der Beschwerdegegner durch das ihm in der Einstellungsverfügung vorgeworfene Verhalten zivilrechtliche Vorschriften (Art. 957 OR [in der bis 31. Dezember 2012 gültigen Fassung]) verletzte (was der Beschwerdegegner in seiner Vernehmlassung in Abrede stellt) und dadurch rechtswidrig und schuldhaft die Einleitung des Strafverfahrens bewirkte respektive dessen Durchführung erschwerte. Nicht Gegenstand der Neubeurteilung sind die Entschädigungs- und Genugtuungssummen von je Fr. 250.--, welche die Vorinstanz gestützt auf Art. 431 Abs. 1 StPO ausrichtet (Dispositiv-Ziffer I.5.) und die unangefochten blieben. In Abhängigkeit des Verfahrensausgangs werden die Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Beschwerdeverfahrens neu zu regeln sein.
3.
Die Beschwerde ist gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der unterliegende Beschwerdegegner wird kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist dem Kanton Basel-Landschaft nicht zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Beschluss des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 5. November 2013 wird aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 5. Februar 2015
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Denys
Der Gerichtsschreiber: Faga