BGer 2C_644/2014
 
BGer 2C_644/2014 vom 09.02.2015
{T 0/2}
2C_644/2014
 
Urteil vom 9. Februar 2015
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Donzallaz,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.
 
Verfahrensbeteiligte
1. A.A.________,
2. B.A.________, handelnd durch A.A.________, ebenda,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Schütz,
gegen
Migrationsamt des Kantons Zürich,
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich.
Gegenstand
Aufenthaltsbewilligung, unentgeltliche Rechtspflege
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2. Kammer, vom 4. Juni 2014.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
B.
 
C.
 
D.
 
E.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde insoweit gutzuheissen, als sie sich gegen die Ansetzung einer Ausreisefrist für B.A.________ richtet; im Übrigen sei die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Migration (ab 1.1.2015: Staatssekretariat für Migration) beantragt Abweisung der Beschwerde. Das Migrationsamt und die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich haben sich nicht vernehmen lassen.
Mit Verfügung des Präsidenten der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 11. Juli 2014 wurde der Beschwerde antragsgemäss die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Mit Verfügung der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung vom 9. Oktober 2014 wurde das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abgewiesen, worauf A.A.________ den Kostenvorschuss bezahlte.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, der Entscheid des Migrationsamts vom 17. Oktober 2013 sei ein Nichteintretensentscheid; Streitgegenstand sei demnach nur, ob dieser Nichteintretensentscheid zu Recht ergangen sei. Die Beschwerdeführer stimmen dem zu.
1.2. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist unzulässig gegen Entscheide auf dem Gebiet des Ausländerrechts betreffend Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Ist die Beschwerde in der Hauptsache unzulässig, ist sie es auch gegen in diesem Zusammenhang ergangene Nichteintretensentscheide (BGE 137 I 371 E. 1.1 S. 373) oder Entscheide betreffend Kosten oder unentgeltliche Rechtspflege (BGE 134 I 159 E. 1.1 S. 160; Urteil 2C_18/2007 vom 2. Juli 2007 E. 2). Auf das genannte Rechtsmittel kann somit nur eingetreten werden, soweit die Beschwerdeführer einen Anspruch auf die angestrebte Bewilligung zumindest in vertretbarer Weise geltend machen (BGE 139 I 330 E. 1.1 S. 332).
1.3. Die Beschwerdeführerin 1 hatte ursprünglich einen Bewilligungsanspruch nach Art. 50 AuG. Mit dem Urteil des Bundesgerichts vom 20. Juni 2013 ist dieser Anspruch jedoch infolge eines Widerrufsgrunds erloschen (Art. 51 Abs. 2 lit. b AuG). Die Beschwerdeführerin 1 stellt ausdrücklich dieses Urteil nicht in Frage und verlangt namentlich nicht dessen Revision. Damit steht fest, dass sie mangels Bewilligung und Bewilligungsanspruch die Schweiz verlassen muss. Mit ihrem Gesuch vom 25. September 2013 hat sie ein Wiedererwägungsgesuch gestellt, das in Wirklichkeit - wie das Verwaltungsgericht mit Recht erwogen hat - ein Gesuch um eine neue Bewilligung ist (Urteil 2C_876/2013 vom 18. November 2013 E. 2 und 3.1), deren Erteilung voraussetzt, dass die dafür geltenden Voraussetzungen im Zeitpunkt des neuen Gesuchs erfüllt sind (Urteil 2C_1224/2013 vom 12. Dezember 2014 E. 4.2). Wie die Beschwerdeführerin 1 selber einräumt, hat sie in eigener Person keinen Anspruch auf diese Bewilligung. Soweit sie einen Anspruch aus der Beziehung zu ihrem Sohn - dem Beschwerdeführer 2 - herleitet, hat das Bundesgericht bereits in seinem Urteil vom 20. Juni 2013 (E. 6.2) dargelegt, dass das nicht zutrifft. Die Beschwerdeführer legen nicht dar, inwiefern sich diesbezüglich etwas geändert haben soll. In Bezug auf die Beschwerdeführerin 1 ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten daher mangels eines Anspruchs auf die streitige Bewilligung unzulässig.
1.4. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist daher auch in Bezug auf die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege vor der Vorinstanz unzulässig (vorne E. 1.2, vgl. aber E. 2 hinten).
1.5. Der Beschwerdeführer 2 ist im Besitz einer Niederlassungsbewilligung. Die Vorinstanz hat in Ziff. 2 ihres Urteils auch dem Beschwerdeführer 2 eine Frist zur Ausreise gesetzt, was impliziert, dass seine Niederlassungsbewilligung widerrufen wird. Indessen war ein Widerruf dieser Niederlassungsbewilligung nicht Streitgegenstand vor der Vorinstanz und es werden auch keine Widerrufsgründe vorgebracht. Vielmehr wurde der Beschwerdeführer 2 in Ziff. 2 des angefochtenen Urteils rein irrtümlich erwähnt, wie die Vorinstanz vernehmlassungsweise ausführt. In Bezug auf die Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers 2 ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig und offensichtlich begründet.
 
2.
2.1. Es ist noch zu prüfen, ob die Eingabe vom 8. Juli 2014 als subsidiäre Verfassungsbeschwerde nach Art. 113 ff. BGG entgegenzunehmen ist (vgl. Urteile 2C_64/2007 vom 29. März 2007 E. 2.2, 2C_5/2015 vom 7. Januar 2015 E. 2.3). Gemäss Art. 119 BGG kann dieses Rechtsmittel in der gleichen Rechtsschrift eingereicht werden wie die ordentliche Beschwerde, und es ist vom Bundesgericht im gleichen Verfahren zu behandeln. Die falsche Bezeichnung des Rechtsmittels schadet dem Beschwerdeführer nicht, sofern bezüglich des jeweils statthaften Rechtsmittels sämtliche Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind (vgl. BGE 131 I 291 E. 1.3 S. 296).
2.2. Mit der Verfassungsbeschwerde kann die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 116 BGG); entsprechende Rügen bedürfen spezifischer Geltendmachung und Begründung (Art. 106 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 117 BGG). Zur Verfassungsbeschwerde ist gemäss Art. 115 lit. b BGG berechtigt, wer ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat.
2.3. Die Beschwerdeführerin ruft keine kantonale Bestimmung an, welche verletzt sein soll, weshalb die Beschwerde ausschliesslich unter dem Gesichtspunkt von Art. 29 Abs. 3 BV zu beurteilen ist (vgl. Urteil 5A_596/2009 vom 5. August 2009 E. 2.1, nicht publ. in: BGE 135 I 288). Danach hat jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
2.4. Die Vorinstanz hat in E. 7.2 des angefochtenen Entscheides ohne weitere Begründung erwogen, die "vor der Sicherheitsdirektion und dem Verwaltungsgericht erhobenen Rügen (seien) offensichtlich unbegründet". Gleichzeitig ist dem angefochtenen Urteil die begründete "abweichende Meinung einer Minderheit der Kammer" beigeheftet, wonach das Migrationsamt "zu Unrecht nicht auf das Gesuch (...) eingetreten" sei und die Gerichtsminderheit daher "die Gutheissung der Beschwerde und des Gesuchs um UP/URP beantragt" habe.
2.5. Die Sache ist zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen, namentlich also zur Prüfung der weiteren Voraussetzungen des prozessualen Armenrechts (vgl. Art. 29 Abs. 3 BV 1. Satz, erster Teil sowie 2. Satz) an die Vorinstanz zurückzuweisen.
 
3.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Eingabe vom 8. Juli 2014 wird als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten teilweise gutgeheissen und das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 4. Juni 2014 aufgehoben, soweit darin dem Beschwerdeführer 2 eine Frist zum Verlassen der Schweiz angesetzt wird. Im Übrigen wird auf die genannte Eingabe - soweit sie als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben wird - nicht eingetreten.
2. Die Eingabe vom 8. Juli 2014 wird, soweit sie sich gegen die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung vor der Vorinstanz richtet, als Verfassungsbeschwerde gutgeheissen. Ziff. 3 des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom 4. Juni 2014 wird aufgehoben.
3. Die Sache wird zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
4. Den Beschwerdeführern werden Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- auferlegt.
5. Der Kanton Zürich hat den Beschwerdeführern für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 500.- zu bezahlen.
6. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Kammer, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 9. Februar 2015
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Zünd
Der Gerichtsschreiber: Klopfenstein