BGer 2C_1188/2013
 
BGer 2C_1188/2013 vom 24.02.2015
{T 0/2}
2C_1188/2013
 
Urteil vom 24. Februar 2015
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Stadelmann,
Gerichtsschreiberin Dubs.
 
Verfahrensbeteiligte
1. A.D.________,
2. B.D.________,
vertreten durch den Vater, A.D.________,
3. C.D.________,
vertreten durch den Vater, A.D.________,
Beschwerdeführer,
alle drei vertreten durch MLaw Laura Aeberli,
gegen
Migrationsamt des Kantons Zürich,
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich.
Gegenstand
Einreise- und Aufenthaltsbewilligung (Familiennachzug),
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungs-
gerichts des Kantons Zürich, 4. Abteilung,
vom 6. November 2013.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
B.
 
C.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen Entscheide ausgeschlossen, welche Bewilligungen betreffen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumen (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Für das Eintreten genügt, wenn die betroffene Person in vertretbarer Weise dartut, dass potenziell ein solcher besteht (BGE 136 II 177 E. 1.1 S. 179 f., 497 E. 3.3. S. 500 f.); in diesem Fall bildet die Frage, ob der Familiennachzug zu bewilligen ist, Gegenstand der materiellen Beurteilung (BGE 137 I 284 E. 1.3 S. 287).
 
1.2.
1.2.1. Der Beschwerdeführer 1 verfügt gestützt auf seine Ehe mit einer Schweizer Bürgerin über eine Aufenthaltsbewilligung (Art. 42 Abs. 1 AuG). Er kann sich nach dem internen Ausländerrecht für den Nachzug seiner Kinder aus erster Ehe somit nur auf Art. 44 AuG stützen, der den Nachzug durch Ausländer mit Aufenthaltsbewilligung regelt. Diese Bestimmung räumt ihm aber, anders als Art. 42 und 43 AuG, keinen Nachzugsanspruch im Sinne von Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ein (vgl. BGE 137 I 284 E. 1.2 S. 287 mit Hinweisen).
1.2.2. Indessen beruft sich der Beschwerdeführer 1 für den Nachzug seiner Kinder zudem auf den Schutz des Familienlebens nach Art. 8 EMRK und Art. 13 Abs. 1 BV. Durch das Zusammenleben mit der Schweizer Ehefrau hat er selber einen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung gemäss Art. 42 Abs. 1 AuG und damit ein gefestigtes Aufenthaltsrecht (BGE 137 I 284 E. 1.3 S. 287), welches ihm grundsätzlich erlaubt, sich auf den konventions- bzw. verfassungsrechtlich garantierten Schutz seines Familienlebens zu berufen (vgl. BGE 135 I 143 E. 1.3.1 S. 145; 130 II 281 E. 3.1 S. 286). Zum nach Art. 8 EMRK geschützten Familienkreis gehört in erster Linie die Kernfamilie, d.h. die Gemeinschaft der Ehegatten mit ihren minderjährigen Kindern (BGE 135 I 143 E. 1.3.2 S. 146 mit Hinweisen). Das Verhältnis zu volljährigen Kindern fällt nur dann unter das geschützte Familienleben, wenn eine besondere Abhängigkeit besteht, welche über die normalen affektiven Bindungen hinausgeht (BGE 139 II 393 E. 5.1 S. 402; 137 I 154 E. 3.4.2 S. 159; Urteil 2A.316/2006 vom 19. Dezember 2006 E. 1.1.2, nicht publ. in: BGE 133 II 6; 120 Ib 257 E. 1d/e S. 261; 115 Ib 1 E. 2c S. 5).
1.2.3. Der Beschwerdeführer 2 ist inzwischen über 18 Jahre alt und somit erwachsen. Dass zwischen ihm und seinem Vater ein spezielles Abhängigkeitsverhältnis bestünde, ist weder dargetan noch ersichtlich. Im Hinblick auf die Beziehung zum volljährigen Sohn fällt eine Berufung auf Art. 8 EMRK daher ausser Betracht. Soweit sich die Beschwerde gegen die Verweigerung des Nachzugs des Beschwerdeführers 2 richtet, kann darauf mangels Anspruchs auf eine Anwesenheitsbewilligung nicht eingetreten werden.
1.2.4. Der Beschwerdeführer 3 ist noch minderjährig (16 Jahre und zwei Monate). Im Unterschied zur Sicherheitsdirektion bestreitet jedoch die Vorinstanz, dass zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Kindern eine intakte und gelebte Beziehung besteht. Der Beschwerdeführer macht geltend, er pflege mit den Kindern regelmässig telefonischen Kontakt. Dass er sie in all den Jahren bloss zweimal in Pakistan besucht hat, kann dem Beschwerdeführer nicht ohne Weiteres zum Vorwurf gemacht werden, da während des Asylverfahrens regelmässige Besuche in Afghanistan oder Pakistan von vornherein ausser Betracht fielen. Kaum nachvollziehbar ist dagegen, dass er nach Abschluss des erfolglosen Asylverfahrens nicht zu seinen Kindern zurückgekehrt ist, obschon ihm deren gemäss seinen eigenen Angaben katastrophalen Lebensumstände bekannt waren. Die Vorinstanz beanstandet zudem, dass der Beschwerdeführer nicht finanziell für die Kinder gesorgt und dies mehrheitlich seinen Freunden und Verwandten überlassen hat. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer bis zur Heirat mit seiner heutigen Ehefrau - wohl auch aufgrund seiner Anwesenheit ohne Bewilligung - schon Mühe hatte, für seine eigenen Lebenshaltungskosten aufzukommen. Ob eine intakte den erschwerten Umständen entsprechend tatsächlich gelebte familiäre Beziehung vorliegt, kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben, da - wie die Vorinstanz zutreffend ausführt - die Voraussetzungen für eine Nachzugsgewährung ohnehin nicht erfüllt sind.
1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie die Vorinstanz ihn festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann diesen - soweit entscheidrelevant - berichtigen oder ergänzen, wenn er offensichtlich unrichtig oder in Verletzung wesentlicher Verfahrensrechte ermittelt worden ist (Art. 105 Abs. 2 BGG). Die betroffene Person muss dartun, dass und inwiefern der Sachverhalt bzw. die beanstandete Beweiswürdigung klar und eindeutig mangelhaft - mit anderen Worten willkürlich - erscheint (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3).
 
2.
2.1. Die Europäische Menschenrechtskonvention verschafft praxisgemäss keinen Anspruch auf Einreise und Aufenthalt. Sie hindert die Konventionsstaaten nicht daran, die Anwesenheit auf ihrem Staatsgebiet zu regeln und den Aufenthalt ausländischer Personen unter Beachtung überwiegender Interessen des Familien- und Privatlebens gegebenenfalls auch wieder zu beenden (vgl. BGE 138 I 246 E. 3.2.1 S. 250 mit Hinweisen). Dennoch kann es das in Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzten, wenn einer ausländischen Person, deren Familienangehörige sich hier aufhalten, die Anwesenheit untersagt und damit das Zusammenleben vereitelt wird. Der Anspruch gilt auch dann nicht absolut: Liegt eine aufenthaltsbeendende oder - verweigernde Massnahme im Schutz- und Anwendungsbereich von Art. 8 EMRK, erweist sich diese als zulässig, falls sie gesetzlich vorgesehen ist, einem legitimen Zweck im Sinne von Art. 8 Ziff. 2 EMRK entspricht und zu dessen Realisierung in einer demokratischen Gesellschaft notwendig erscheint (vgl. dazu: BGE 139 I 330 E. 2 S. 335 ff.).
2.2. Bei einem Ausländer, der selber einen Anspruch auf Erneuerung seiner Aufenthaltsbewilligung hat und sich deshalb nach der bundesgerichtlichen Praxis für den Familiennachzug zusätzlich auf Art. 8 EMRK und Art. 13 BV berufen kann, haben die Behörden nicht nur pflichtgemäss nach Art. 44 AuG über das Nachzugsbegehren zu entscheiden. Es müssen mit Blick auf die aus Art. 8 EMRK und Art. 13 BV abgeleiteten Rechte vielmehr auch gute Gründe gegeben sein, um den begehrten Nachzug zu verweigern. Solche Gründe liegen vor, wenn die Bewilligungsvoraussetzungen nach Art. 44 AuG i.V.m. Art. 73 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE; SR 142.201) nicht erfüllt sind oder Erlöschensgründe im Sinne von Art. 51 Abs. 2 AuG bestehen (vgl. BGE 137 I 284 E. 2.6 S. 293).
Ein Anspruch auf Nachzug des Kindes gestützt auf Art. 8 EMRK und Art. 13 BV ist demnach für den Ausländer mit einem gefestigten Aufenthaltsrecht gegeben, wenn (1) dieser mit seinem Kind zusammenleben will (vgl. Art. 44 lit. a AuG), (2) eine bedarfsgerechte Wohnung vorhanden ist (Art. 44 lit. b AuG), (3) die Familie nicht auf Sozialhilfe angewiesen ist (Art. 44 lit. c AuG), (4) der Nachzug innerhalb der vorgesehenen Fristen beantragt wurde (Art. 47 Abs. 1 und 3 AuG bzw. Art. 73 VZAE) und (5) der Nachzug nicht in klarer Missachtung des Wohls sowie der familiären Bindungen des Kindes erfolgen soll, wobei auch die bisherige Beziehung zwischen den nachziehenden Eltern und den Kindern sowie die Betreuungsmöglichkeiten in der Schweiz zu berücksichtigen sind. Der Anspruch entfällt, wenn er rechtsmissbräuchlich geltend gemacht wird oder einer der Widerrufsgründe von Art. 62 AuG vorliegt, d.h. insbesondere, wenn der Familienangehörige, für den die anwesende Person zu sorgen hat, der Sozialhilfe bedarf (Art. 51 Abs.2 i.V.m. Art. 62 lit. e AuG). Im Übrigen gewähren die meisten europäischen Staaten das Recht auf Nachzug der engeren Familie erst, wenn deren Unterhalt gesichert erscheint bzw. die Familie über eine geeignete Wohnung verfügt (BGE 139 I 330 E. 241 S. 338 mit Hinweis).
 
3.
3.1. Die finanziellen Bedenken der Vorinstanz sind berechtigt. Sie durfte dabei berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer 1 bis im Jahr 2011 von der Sozialhilfe unterstützt werden musste, noch nie über längere Zeit ein geregeltes Einkommen erzielte, wiederholt arbeitslos war und dass sein Betreibungsregisterauszug vom 17. August 2011 zudem offene Verlustscheine in Höhe von Fr. 16'269.15 ausweist, wobei diese allerdings aus der Zeit stammen, als er noch nicht über einen geregelten Aufenthaltsstatus verfügte.
Am 10. Juli 2013, d.h. rund vier Monate vor dem vorinstanzlichen Urteil, hat der Beschwerdeführer 1 zwar eine vollzeitliche Erwerbstätigkeit bei der Firma X.________ aufgenommen. Gemäss dem eingereichten Arbeitsvertrag vom 10. Juli 2013 beträgt der monatliche Lohn Fr. 2'800.--. Zusätzlich wird ein Verkaufsbonus von Fr. 3.-- pro SIM Karte ausbezahlt, wobei der Verkauf von mindestens 300 SIM-Karten erwartet wird. Im vorinstanzlichen Verfahren machte der Beschwerdeführer einen Nettolohn von ca. Fr. 3'500.-- geltend. Entsprechende Lohnabrechnungen hat er jedoch keine eingereicht. Aufgrund seiner Mitwirkungspflicht (Art. 90 AuG) oblag es am anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer, seine Lohn- und Bonuseinnahmen zu belegen. Dies umso mehr als es sich um eine für die Beurteilung des Nachzugsgesuchs entscheidende Tatsache handelt und der Betroffene im Besitze der entsprechenden Belege ist, wenn ihm die geltend gemachten Löhne ausbezahlt wurden. Die konkret erzielten Lohneinnahmen sind somit nicht nachgewiesen und selbst in seiner Eingabe an das Bundesgericht stützt der Beschwerdeführer seine Einkommensberechnungen bloss auf die erwähnten Vertragsvereinbarungen und nicht auf tatsächlich erfolgte Lohn- bzw. Bonusauszahlungen. Um Berücksichtigung zu finden, müssen die Erwerbsmöglichkeiten und das damit verbundene Einkommen konkret belegt sowie, soweit möglich, auf mehr als nur kurze Zeit erhärtet sein. Dies trifft für die geltend gemachten Einkünfte des Beschwerdeführers 1 nicht zu. Seine Ehegattin ist IV-Rentnerin. Sie erhält eine monatliche IV-Rente von Fr. 1'249.-- sowie Ergänzungsleistungen in Höhe von Fr. 1'688.--. Ihr Einkommen vermöchte somit ein allfälliges Scheitern des Beschwerdeführers 1 auf dem Arbeitsmarkt nicht in genügendem Ausmass auszugleichen.
3.2. Der 16-jährige Beschwerdeführer 3 ist zusammen mit seinem Bruder in Afghanistan und Pakistan aufgewachsen und ist mit den dortigen Verhältnissen vertraut. Seit mindestens zehn Jahren lebt er getrennt vom Beschwerdeführer 1 und wird von verschiedenen Verwandten und Bekannten betreut, die grösstenteils auch finanziell für ihn aufkamen. Seinen Vater hat er während dieser Zeit bloss zweimal gesehen, seine Stiefmutter kennt er nicht.
 
4.
4.1. Aufgrund des Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
4.2. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend werden die Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 65, 66 Abs. 1 und 5 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftung auferlegt.
3. Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Migrationsamt des Kantons Zürich, der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration SEM schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 24. Februar 2015
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Zünd
Die Gerichtsschreiberin: Dubs