BGer 9C_766/2014
 
BGer 9C_766/2014 vom 06.03.2015
{T 0/2}
9C_766/2014
 
Urteil vom 6. März 2015
 
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Moser-Szeless,
Gerichtsschreiber Fessler.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Leimbacher,
Beschwerdeführerin,
gegen
BVK Personalvorsorge des Kantons Zürich,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Berufliche Vorsorge
(Invalidenleistungen, Berufsunfähigkeitsrente),
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 28. August 2014.
 
Sachverhalt:
 
A.
A.a. A.________ arbeitete ab ........ im hauswirtschaftlichen Dienst (Service, Office) des Alters- und Pflegeheims B.________. Das Arbeitspensum betrug anfänglich 50 %, ab ........ 70 % und ab ........ 80 %. Im Juni 2010 meldete sich A.________ wegen Knie- und Rückenbeschwerden bei der Invalidenversicherung an. Nachdem Massnahmen der Frühintervention mit dem Ziel, den Arbeitsplatz zu erhalten bzw. andere Einsatzmöglichkeiten an der bisherigen Arbeitsstelle zu finden, erfolglos geblieben waren, verneinte die IV-Stelle des Kantons Zürich mit Verfügung vom 3. Mai 2011 aufgrund eines nach der gemischten Methode berechneten Invaliditätsgrades von 14 % (0,8 x 17 % + 0,2 x 0 %) einen Rentenanspruch.
A.b. A.________ war im Rahmen ihrer Anstellung im Alters- und Pflegeheim B.________ bei der Beamtenversicherungskasse des Kantons Zürich (heute: BVK Personalvorsorge des Kantons Zürich; nachfolgend: BVK) berufsvorsorgeversichert. Auf Ersuchen der Stadt E.________ als Arbeitgeberin wurde sie am 31. August 2011 durch pract. med. C.________, Facharzt für Rheumatologie und Innere Medizin, untersucht und begutachtet. Gestützt auf die Expertise vom 20. September 2011 lehnte die BVK die Ausrichtung von Berufsinvalidenleistungen ab (Schreiben vom 23. September 2011 und 26. November 2012).
A.c. Am 18. April 2012 schlossen A.________ und die Stadt E.________ eine Vereinbarung über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses aus organisatorischen Gründen.
B. Am 30. Januar 2013 erhob A.________ Klage gegen die BVK, welche das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich nach zweifachem Schriftenwechsel mit Entscheid vom 28. August 2014 abwies.
C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, der Entscheid vom 28. August 2014 sei aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr mit Wirkung ab 1. Juli 2012 eine monatliche Berufsinvalidenrente entsprechend einem Invaliditätsgrad von 100 % zuzüglich 5 % Verzugszins auf den verfallenen Leistungen seit Klageeinleitung zu bezahlen; weiter sei die Beklagte zu verpflichten, ihr für das vorinstanzliche Verfahren eine angemessene Prozessentschädigung zu bezahlen, unter Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Die BVK ersucht in der Hauptsache um Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
A.________ hat sich im Rahmen des Replikrechts zur Eingabe der BVK geäussert.
 
Erwägungen:
1. Die von Amtes wegen zu prüfenden Sachurteilsvoraussetzungen (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 139 III 133 E. 1 S. 133; 139 V 42 E. 1 S. 44) sind erfüllt und geben im Übrigen zu keinen Bemerkungen Anlass.
2. Streitgegenstand bildet die Frage, ob die Beschwerdeführerin gestützt auf die Statuten der Versicherungskasse für das Staatspersonal vom 22. Mai 1996 ([LS 177.21], in der vom 1. Juli 2010 bis 31. Dezember 2012 geltenden Fassung; nachfolgend: BVK-Statuten) Anspruch auf Leistungen für Berufsinvalidität ab 1. Juli 2012 hat.
3. Nach § 19 BVK-Statuten haben versicherte Personen, welche vor Vollendung des 63. Altersjahres wegen Krankheit oder Unfall für die bisherige Berufstätigkeit invalid geworden sind, Anspruch auf eine Invalidenrente (Abs. 1 erster Satz). Über das Vorhandensein und den Grad der Berufsinvalidität wird aufgrund einer Untersuchung durch eine Vertrauensärztin oder einen Vertrauensarzt der Versicherungskasse entschieden (Abs. 2).
Gemäss § 20 BVK-Statuten beträgt die Berufsinvalidenrente bei voller Invalidität 60 % des letzten versicherten Lohnes (Abs. 1). Bei teilweiser Berufsinvalidität wird die Rente entsprechend dem Invaliditätsgrad bzw. der Berufsunfähigkeit in % eines Vollamtes wie folgt festgesetzt: bis 24 % keine Rente, 25 % bis 59 % Rente gemäss IV-Grad, 60 % bis 69 % Dreiviertelsrente, 70 % und mehr Vollrente (Abs. 2).
Die BVK ist eine Vorsorgeeinrichtung des öffentlichen Rechts. Die Interpretation von Bestimmungen ihrer Statuten hat daher nach den Regeln der Gesetzesauslegung zu erfolgen (BGE 139 V 66 E. 2.1 S. 67; 116 V 218 E. 2 S. 221).
4. 
4.1. Die Vorinstanz hat erwogen, aufgrund des schubweisen Auftretens der (beidseitigen Knie-) Beschwerden mit jeweils unterschiedlichen Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit sei eine exakte Aussage nicht möglich. Die Einschätzung von pract. med. C.________, wonach in der angestammten Tätigkeit eine Einschränkung von im Mittel 30 % (gemessen an einem 100 %-Pensum) bestehe, liege im Rahmen der Beurteilungen des behandelnden Rheumatologen und weiche auch nicht gravierend von der Selbsteinschätzung der Klägerin ab. Daraus ergebe sich aufgrund eines Prozentvergleichs bezogen auf das zuletzt geleistete Arbeitspensum von 80 % ein Invaliditätsgrad von 12,5 % ([80 % - 70 %]/80 % x 100 %). Ein Einkommensvergleich erübrige sich, da für die Berufsinvalidität lediglich die Einbusse in der bisherigen Tätigkeit massgebend sei und nicht, in welchem Umfang in einer anderen Tätigkeit ein Einkommen erzielt werden könnte. Ein Invaliditätsgrad von weniger als 25 % gebe keinen Anspruch auf eine Berufsinvalidenrente nach § 19 Abs. 1 BVK-Statuten.
4.2. Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz gehe von einem unzutreffenden Verständnis vom Begriff der Berufsinvalidität aus, welcher nicht ohne weiteres mit der medizinisch-theoretischen Arbeitsunfähigkeit im angestammten Beruf gleichgesetzt werden könne. Es stelle sich die vom kantonalen Sozialversicherungsgericht zu Unrecht nicht geprüfte Frage, inwiefern die funktionellen Einschränkungen die Tätigkeit als hauswirtschaftliche Mitarbeiterin in einem Alterspflegeheim noch zuliessen, ob sie aufgrund der organisatorischen und personellen Probleme im Betrieb als Folge der nicht planbaren Ausfälle überhaupt noch einsetzbar sei. Zur Stützung ihres Standpunktes verweist die Beschwerdeführerin auf einen Entscheid des kantonalen Verwaltungsgerichts vom 31. Juli 2014 betreffend eine Streitigkeit aus öffentlich-rechtlichem Dienstverhältnis. Daraus ergebe sich, dass die BVK im Falle einer Pflegefachfrau, die mit einem Pensum von 90 % am Universitätsspital D.________ gearbeitet habe, aufgrund der eingetretenen Arbeitsunfähigkeit von 50 % eine volle Berufsinvalidenrente in Aussicht gestellt habe, nachdem das Spital geltend gemacht hätte, es sei nicht möglich, eine Pflegefachfrau nur halbe Schichten arbeiten zu lassen.
4.3. Gemäss Beschwerdegegnerin lässt sich aus dem Entscheid des kantonalen Verwaltungsgerichts vom 31. Juli 2014 keine Anspruchsgrundlage zu Gunsten der Beschwerdeführerin ableiten. Abgesehen davon sei nicht ausgewiesen, dass sie im Rahmen eines 70 %-Pensums organisatorisch nicht mehr nutzbringend einsetzbar gewesen sein soll. Würden im Übrigen betrieblich-organisatorische Gründe leichthin mitberücksichtigt, hätte es der angeschlossene Arbeitgeber gleichsam in der Hand, Versicherte mit gesundheitlichen Handicaps zulasten der BVK zu "invalidisieren".
 
5.
5.1. § 19 Abs. 1 BVK-Statuten umschreibt Berufsinvalidität mit "wegen Krankheit oder Unfall für die bisherige Berufstätigkeit invalid geworden". Damit ist Berufsunfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt losgelöst von einem konkreten Betrieb gemeint (vgl. Urteil 9C_237/ 2008 vom 3. September 2008 E. 3.2.2), wobei als Beruf die bei bzw. zuletzt vor Eintritt des Gesundheitsschadens ausgeübte Tätigkeit zu verstehen ist (Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Rz. 11 zu Art. 6 ATSG; vgl. auch Gabriela Riemer-Kafka, Arbeitsunfähigkeit - hat man den Begriff im Griff?, SZS 2004 S. 112). Organisatorische Erschwernisse eines allfälligen Einsatzes einer nicht voll arbeitsfähigen Person sind nur von Bedeutung, wenn und soweit sie wegen der Art des Gesundheitsschadens oder den Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit grundsätzlich jedem in Betracht fallenden Arbeitgeber aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar sind. Weiter ist - aus gesetzessystematischer Sicht - zu beachten, dass nach § 20 Abs. 2 BVK-Statuten der Invaliditätsgrad bzw. der Grad der Berufsunfähigkeit 
5.2. Pract. med. C.________, der als Vertrauensarzt im Sinne von § 19 Abs. 2 BVK-Statuten die Beschwerdeführerin untersucht und begutachtet hatte, schätzte - nach Rücksprache mit dem behandelnden Rheumatologen - die gesundheitlich bedingten funktionellen Einschränkungen in der als mittelschwer belastend beurteilten, vorwiegend gehend/stehend auszuübenden Tätigkeit als hauswirtschaftliche Mitarbeiterin im Alters- und Pflegeheim B.________ im Mittel auf 30 % bezogen auf eine Vollzeitpensum. Damit werde der Gesamtsituation hinreichend Rechnung getragen (Expertise vom 20. September 2011). Dabei handelt es sich um die Berufsinvalidität nach § 19 Abs. 1 bzw. die Berufsunfähigkeit nach § 20 Abs. 2 BVK-Statuten aus medizinisch-theoretischer Sicht, was bedeutet, dass die Beschwerdeführerin grundsätzlich Anspruch auf eine Berufsinvalidenrente der BVK hat, deren Umfang mindestens (vgl. nachstehende E. 5.3) dem von der IV-Stelle in Anwendung der gemischten Methode der Invaliditätsbemessung (Art. 28a Abs. 3 IVG; BGE 137 V 334 E. 3.1.3 und 3.2 S. 338; 125 V 146) ermittelten
5.3. Es entspricht dem Wesen der Berufsunfähigkeit bzw. -invalidität, dass die verbliebene Arbeitsfähigkeit in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit erwerblich verwertet werden können muss, sei es beim damaligen oder einem anderen, insbesondere im selben Bereich tätigen Arbeitgeber. Ein höherer Rentenanspruch setzte vorliegend aufgrund der Unterteilung in § 20 Abs. 2 BVK-Statuten somit voraus, dass die Beschwerdeführerin aus betrieblichen Gründen wegen des schubweisen Auftretens der (beidseitigen Knie-) Beschwerden mit jeweils unterschiedlichen Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit höchstens im Rahmen eines 40 %-Pensums in der Tätigkeit im Alters- und Pflegeheim B.________ oder in einer vergleichbaren Einrichtung eingesetzt werden könnte. Die Vorinstanz hat diesbezüglich keine Feststellungen getroffen. Die Akten sind insofern nicht spruchreif. Die Sache ist daher an das kantonale Berufsvorsorgegericht zurückzuweisen, damit es die notwendigen Abklärungen vornehme (Art. 73 Abs. 2 BVG) und danach neu entscheide. Die Parteien sind an ihre Mitwirkungspflichten zu erinnern (BGE 139 V 176 E. 5.2 S. 185; 138 V 86 E. 5.2.3 S. 97). In diesem Sinne ist die Beschwerde begründet.
6. Ausgangsgemäss hat die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG). Ihr Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist demzufolge gegenstandslos.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 28. August 2014 wir aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an dieses zurückgewiesen.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
3. Die Beschwerdegegnerin hat den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.
4. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 6. März 2015
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Glanzmann
Der Gerichtsschreiber: Fessler