Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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{T 0/2}
5A_106/2015
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Urteil vom 20. März 2015
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Herrmann, Bovey,
Gerichtsschreiber von Roten.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roger Brändli,
Beschwerdeführer,
gegen
1. Verein B.________,
2. C.________,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Künzli,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
vorsorgliche Massnahmen (Grundeigentum),
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Einzelrichter im Personen-, Erb- und Sachenrecht, vom 5. Januar 2015.
Sachverhalt:
A.
A.a. Auf dem Gebiet der Gemeinde U.________ befindet sich das Skigebiet D.________. Es ist im Zonenplan als Skiabfahrts- und Skiübungsgelände ausgeschieden. Entsprechende Zonen dienen der Freihaltung von Gelände für die Ausübung des Skisportes.
A.b. Das Skigebiet umfasst drei Skilifte. Die behördlichen Betriebsbewilligungen lauten für die beiden kürzeren Skilifte auf den Verein "B.________" und für den längeren Skilift auf die Skilift AG D.________, die auch Halterin von zwei Pistenfahrzeugen ist. Tatsächlich betrieben werden alle drei Skilifte durch den Verein. Dessen Vizepräsident C.________ amtet als Betriebsleiter und führt auch die Pistenfahrzeuge.
A.c. A.________ ist Landwirt und seit Juli 2007 Eigentümer der in der Skisportzone gelegenen und als Skipisten beanspruchten Grundstücke Nrn. 329 und 335 (Grundbuch V.________). Er hatte zudem während Jahren zwei benachbarte Parzellen gepachtet. Deren Eigentümerin, die Skilift AG D.________, kündigte ihm den Pachtvertrag am 11. April 2012 per 31. Mai 2014.
B.
A.________ (Beschwerdeführer) stellte am 7. Januar 2014 gegen den Verein "B.________" und gegen C.________ (Beschwerdegegner) ein Gesuch um (superprovisorischen) Erlass vorsorglicher Massnahmen mit den Begehren, den Beschwerdegegnern gerichtlich zu verbieten, seine Grundstücke Nrn. 329 und 335 zu befahren, insbesondere mit Pistenfahrzeugen. Die beantragte superprovisorische Anordnung vorsorglicher Massnahmen wurde abgewiesen (Verfügung vom 8. Januar 2014). Nach Einholung der Gesuchsantwort, Durchführung einer Verhandlung und Einreichung schriftlicher Parteivorträge wies das Kreisgericht W.________ das Gesuch ab (Entscheid vom 14. Juli 2014). Der Beschwerdeführer legte dagegen Berufung ein, die das Kantonsgericht St. Gallen abwies (Entscheid vom 5. Januar 2015).
C.
Mit Eingabe vom 6. Februar 2015 erneuert der Beschwerdeführer vor Bundesgericht sein Massnahmenbegehren. Es sind die kantonalen Akten, hingegen keine Vernehmlassungen eingeholt worden.
D.
Während des Berufungsverfahrens erhob der Beschwerdeführer am 4. November 2014 eine Eigentumsfreiheits- und Besitzesschutzklage. Die beklagten Beschwerdegegner ersuchten am 21. Januar 2015 das kantonale Baudepartement um Erlass einer Feststellungsverfügung insbesondere betreffend die Pflicht der Eigentümer von Grundstücken in Skisportzonen, die Pistenpräparierung durch Pistenfahrzeuge zu dulden. Sie beantragten dem Kreisgericht am 9. Februar 2015, den Zivilprozess bis zur rechtskräftigen Erledigung des öffentlich-rechtlichen Verfahrens zu sistieren. Mit Eingabe vom 20. Februar 2015 hat der Beschwerdeführer dem Bundesgericht davon Kenntnis gegeben und die Folgen einer Sistierung erläutert.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist die Verweigerung eines vorsorglichen Verbots (Art. 262 lit. a ZPO) im Hinblick auf eine inzwischen rechtshängige Eigentumsfreiheits- und Besitzesschutzklage (Art. 641 Abs. 2 und Art. 926 ff. ZGB ). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers (S. 3 Ziff. 4) handelt es sich dabei nicht um einen Endentscheid (Art. 90 BGG). Der von ihm zitierte Autor sagt in der zutreffenden Randziffer nichts Abweichendes ( NICOLAS VON WERDT, Die Beschwerde in Zivilsachen. Ein Handbuch für Beschwerdeführer und Beschwerdegegner, 2010, Rz. 94 S. 18). Auch danach sind selbstständig eröffnete Massnahmenentscheide, die - wie vorliegend - vor oder während eines Hauptverfahrens erlassen werden und nur für die Dauer des Hauptverfahrens bzw. unter der Bedingung, dass ein Hauptverfahren eingeleitet wird, Bestand haben, Zwischenentscheide im Sinne von Art. 93 BGG, gegen die die Beschwerde nur zulässig ist, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 134 I 83 E. 3.1 S. 86 f.; 138 III 76 E. 1.2 S. 79). Dabei muss es sich um einen Nachteil rechtlicher Natur handeln, der auch durch einen für den Beschwerdeführer günstigen Entscheid in der Zukunft nicht mehr behoben werden kann (BGE 138 III 333 E. 1.3.1 S. 335; 139 V 42 E. 3.1 S. 47). Eine rein tatsächliche oder wirtschaftliche Erschwernis reicht in der Regel nicht, doch genügt die blosse Möglichkeit eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils rechtlicher Natur (BGE 137 V 314 E. 2.2.1 S. 317; 137 III 380 E. 1.2.1 S. 382). Ob ein nicht wieder gutzumachender Nachteil vorliegt, bemisst sich an den Auswirkungen des Zwischenentscheids auf die Hauptsache bzw. das Hauptverfahren (BGE 137 III 380 E. 1.2.2 S. 383). Soweit nicht offenkundig ist, dass der Zwischenentscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken könnte, hat der Beschwerdeführer in seiner Eingabe darzutun, inwiefern er einem nicht wieder gutzumachenden Nachteil ausgesetzt ist und die Voraussetzungen der Zulässigkeit seiner Beschwerde erfüllt sind (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 137 III 522 E. 1.3 S. 525; 138 III 46 E. 1.2).
2.
Der Beschwerdeführer erblickt den nicht wieder gutzumachenden Nachteil im formellen Rechtsnachteil, der darin besteht, dass eine spätere Anfechtung des Massnahmenentscheids nicht mehr möglich sei. Er bezieht sich (mit Hinweis auf VON WERDT, a.a.O., Rz. 144 S. 28 f.) auf eine bereits unter Herrschaft der Bundesrechtspflege von 1943 ergangene Praxis (S. 3 f. Rz. 4 der Beschwerdeschrift).
2.1. Es trifft zu, dass die frühere Rechtsprechung bei Zwischenentscheiden, mit denen vorsorgliche Massnahmen erlassen oder verweigert wurden, einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil regelmässig bejahte mit der Begründung dass eine spätere Anfechtung des Massnahmenentscheids zufolge dessen Wegfalls mit dem Hauptentscheid nicht mehr möglich sei und folglich der Beschwerdeführer wegen der Verweigerung der Verfassungskontrolle in seiner formellen Rechtsstellung beeinträchtigt wäre, wenn auf die Beschwerde nicht eingetreten würde (BGE 134 I 83 E. 3.1 S. 87 mit Hinweisen, vorab auf BGE 116 Ia 446 E. 2 S. 447).
2.2. Das Bundesgericht hat es indessen als fraglich bezeichnet, ob an diesem Verständnis des nicht wieder gutzumachenden Nachteils im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG festgehalten werden kann. Mit BGE 137 III 324 E. 1.1 S. 328 hat es seine Rechtsprechung insofern aufgegeben, als es verlangt, dass der Beschwerdeführer, der einen Massnahmenentscheid beim Bundesgericht anficht, in der Beschwerdebegründung aufzeigt, inwiefern ihm im konkreten Fall ein nicht wieder gutzumachender Nachteil rechtlicher Natur droht (seither z.B. Urteile 4A_585/2014 vom 27. November 2014 E. 1.1 Abs. 4, 5A_853/2013 vom 23. Mai 2014 E. 1, 5A_122/2014 vom 2. Mai 2014 E. 1.1 und 5A_212/2012 vom 15. August 2012 E. 1.1, in: FamPra.ch 2012 S. 1087 f.; vgl. NICOLAS VON WERDT, Die Beschwerde in Zivilsachen, in: Haftpflichtprozess 2012: Rechtsmittel nach neuer ZPO und BGG, 2012, S. 61 ff., S. 69).
2.3. Der blosse Hinweis des Beschwerdeführers auf eine gleichsam abstrakte Beeinträchtigung in der formellen Rechtsstellung genügt für sich allein somit nicht mehr, um einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil darzutun. Es ist aufzuzeigen, inwiefern im konkreten Fall ein nicht wieder gutzumachender Nachteil rechtlicher Natur droht.
3.
Den Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG konkretisiert der Beschwerdeführer dahin gehend, dass er während der gesamten Dauer des Hauptverfahrens seinen Realvollstreckungsanspruch verliere, da er die Störungen nicht unterbinden könne (S. 4 Ziff. 4 der Beschwerdeschrift und Eingabe vom 20. Februar 2015).
3.1. Wie bereits erwähnt (E. 1), gelten alle Nachteile als wieder gutzumachend, die vorübergehend bestehen und im Falle des Obsiegens durch den Endentscheid aufgehoben und rückgängig gemacht werden. Der Beschwerdeführer verlangt mit seinen Begehren vorab den Schutz des Eigentums. Dabei ist zu unterscheiden. Droht der Verlust oder Untergang des Eigentums, wenn keine vorsorgliche Massnahme angeordnet würde, kann ein nicht wieder gutzumachender Nachteil bestehen (z.B. Urteil 5A_955/2013 vom 1. April 2014 E. 1.3). Geht es hingegen - wie hier - um eine zeitweilige oder teilweise Beschränkung in den aus dem Eigentum fliessenden Befugnissen, ist das Vorliegen eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils in der Regel zu verneinen oder nicht ersichtlich (z.B. für Verfügungsbeschränkungen: Urteile 5A_853/2013 vom 23. Mai 2014 E. 2.1 und 5A_636/2009 vom 13. November 2009 E. 1.1.1). Das Gegenteil, dass nämlich die Beeinträchtigung in seinen Befugnissen als Eigentümer auch mit einem günstigen Entscheid in Zukunft nicht behoben werden könnte, hat der Beschwerdeführer darzutun (E. 2.2).
3.2. Der Beschwerdeführer verweist auf eine vorübergehende Beeinträchtigung seines aus dem Eigentum fliessenden Anspruchs auf Realvollstreckung. Es ist richtig, dass mit der Eigentumsfreiheitsklage die Wiederherstellung des früheren Zustandes verlangt werden kann (BGE 100 II 307 S. 309), und zwar unter Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs ungeachtet der Kosten, die der Störer dazu aufwenden muss (Urteil 5A_655/2010 vom 5. Mai 2011 E. 2.2.1 mit Hinweisen, in: ZBGR 94/2013 S. 14). Weder dargetan noch ersichtlich ist hingegen, inwiefern eine vorübergehende Beeinträchtigung der Realvollstreckung nicht durch den klagegutheissenden Endentscheid aufgehoben und rückgängig gemacht wird. Denn jeder Anspruch, der eingeklagt wird, ist während der Dauer des Verfahrens und bis zu dessen rechtskräftiger Erledigung durch Urteil in seiner Vollstreckung beeinträchtigt, was für sich allein keinen Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bedeutet. Vielmehr müssen Umstände hinzutreten, die den gesetzlich vorausgesetzten Nachteil als möglich erscheinen lassen. Fallbezogen hätte der Beschwerdeführer beispielsweise dartun können, dass die angeblich drohenden Störungen seines Eigentums ihn als Landwirt während der Dauer des Verfahrens in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährden oder dass die Beschwerdegegner im Falle eines Zuwartens bis zum Abschluss des Hauptverfahrens ausserstande sein werden, seine Grundstücke in den ursprünglichen Stand zurückzuversetzen. Mit der Pflicht zum Dulden einer Eigentumsstörung während des Hauptverfahrens verhält sich ähnlich wie mit der Pflicht zu einer Geldzahlung, die keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil hat, soweit der Schuldner das Geld zu zahlen in der Lage ist und die geleisteten Beträge im Falle seines Obsiegens in der Hauptsache zurückfordern kann (BGE 138 III 333 E. 1.3 S. 335 f.; Urteile 5D_52/2010 vom 10. Mai 2010 E. 1.1.1, in: SJ 133/2011 I S. 134 f., und 5A_708/2013 vom 14. Mai 2014 E. 1.1, in: SJ 136/2014 I S. 366).
3.3. Aus den dargelegten Gründen genügt der Hinweis auf eine vorübergehende Beeinträchtigung des Realvollstreckungsanspruchs nicht zur Annahme eines Nachteils gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG.
4.
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. Der Beschwerdeführer wird damit kostenpflichtig, nicht hingegen entschädigungspflichtig, da keine Vernehmlassungen eingeholt wurden (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Einzelrichter im Personen-, Erb- und Sachenrecht, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 20. März 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: von Werdt
Der Gerichtsschreiber: von Roten