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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
8C_114/2015
{T 0/2}
Urteil vom 6. Mai 2015
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Eduard Schoch,
Beschwerdeführer,
gegen
IV-Stelle Basel-Landschaft,
Hauptstrasse 109, 4102 Binningen,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente, Wiedererwägung),
Beschwerde gegen den Entscheid
des Kantonsgerichts Basel-Landschaft
vom 16. Oktober 2014.
Sachverhalt:
A.
Der 1960 geborene A.________ betreibt seit dem Jahre 1982 als Carrosserie-Spengler eine eigene Werkstatt und beschäftigt bis zu fünf Angestellte. Am 31. Juli 1997 musste er sich einer Diskushernien-Operation unterziehen. Er leidet seither an einem chronischen radikulären Reiz- und sensomotorischen Ausfallsyndrom. Die IV-Stelle Basel-Landschaft klärte auf Anmeldung vom 1. September 1998 hin die medizinischen und erwerblichen Verhältnisse ab. Sie ermittelte mit Hilfe eines Betätigungsvergleiches in der angestammten Tätigkeit eine Einschränkung von 92,5 % und sprach dem Versicherten mit Verfügung vom 3. Mai 2000 ab dem 1. Juli 1998 eine ganze Invalidenrente nebst Zusatzrenten zu. Diesen Anspruch bestätigte sie revisionsweise mit Mitteilungen vom 9. Juni 2006 und vom 24. Februar 2011, da keine rentenbeeinflussenden Änderungen festgestellt wurden.
Anlässlich einer weiteren revisionsweisen Überprüfung des Leistungsanspruchs liess die Invalidenversicherung A.________ durch Dr. med. B.________, Facharzt FMH für Rheumatologie, gutachterlich untersuchen. Gemäss Expertise vom 6. August 2012 bestehe als Carrosserie-Spengler oder einer vergleichbaren körperlich schweren Tätigkeit nach wie vor eine volle Arbeitsunfähigkeit. Hingegen sei der Explorand in einer körperlich leichten, wechselbelastenden Tätigkeit, bei der er nicht über 7,5 kg heben, stossen oder ziehen und nicht in Zwangsstellungen arbeiten müsse, nur zu 20 % in seiner Arbeitsfähigkeit eingeschränkt. Diese Beurteilung gelte seit Januar 1999. In der Folge zog die IV-Stelle mit Verfügung vom 2. April 2014 ihre ursprüngliche Leistungsverfügung in Wiedererwägung und hob den Rentenanspruch auf Ende des darauffolgenden Monats auf.
B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Entscheid vom 16. Oktober 2014 ab.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, unter Aufhebung des kantonalen Entscheides sei von einer Wiedererwägung und damit von einer Aufhebung der Verfügung vom 3. Mai 2000 abzusehen und ihm weiterhin eine volle (recte: ganze) Rente auszurichten.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen oder mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).
2.
2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die von der beschwerdegegnerischen IV-Stelle verfügte Rentenaufhebung schützte, und dabei insbesondere, ob im angefochtenen Entscheid von einem bundesrechtskonformen Verständnis der zweifellosen Unrichtigkeit bezüglich der ursprünglichen Rentenverfügung vom 3. Mai 2000 ausgegangen wurde. Die Feststellungen, welche der Beurteilung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs zugrunde liegen, sind tatsächlicher Natur und folglich nur auf offensichtliche Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit überprüfbar. Dagegen ist die Auslegung (Konkretisierung) des bundesrechtlichen Begriffs der zweifellosen Unrichtigkeit als Wiedererwägungsvoraussetzung nach Art. 53 Abs. 2 ATSG eine frei zu beurteilende Rechtsfrage.
2.2. Das kantonale Gericht erwog, die wiedererwägungsrechtlich massgebliche Verfügung vom 3. Mai 2000 sei deshalb zweifellos unrichtig, weil die IV-Stelle die Arbeitsunfähigkeit in der angestammten Tätigkeit als selbstständiger Carrosserie-Spengler in der genannten Verfügung der Erwerbsunfähigkeit gleichgestellt und damit nicht berücksichtigt hatte, was der Beschwerdeführer in einer ihm zumutbaren Verweistätigkeit verdienen könnte. Das stelle ohne Zweifel eine qualifiziert fehlerhafte Rechtsanwendung dar. Aufgrund des schlüssigen Gutachtens des Dr. med. B.________ vom 6. August 2012, auf welches abgestellt werden könne, vermöge der Beschwerdeführer in einer seinem Gesundheitsschaden angepassten Tätigkeit eine Leistung von 80 % zu erbringen. Das kantonale Gericht ermittelte bei einem in der Beschwerde unbestritten gebliebenen hypothetischen Valideneinkommen von Fr. 71'439.- und einem zumutbaren Invalideneinkommen von Fr. 44'586.-, bei welchem ein Abzug in der Höhe von 10 % berücksichtigt wurde, einen Invaliditätsgrad von 37,5 %. Der Beschwerdeführer habe keinen Anspruch auf eine Invalidenrente.
2.3. Dagegen bringt der Beschwerdeführer vor, die Wiedererwägung sei zu Unrecht erfolgt. Zum einen sei die Rentenaufhebung schon an sich stossend, weil sich die IV-Stelle mehr als 14 Jahre nach Verfügungserlass auf deren Unrichtigkeit berufe. Die Rechtssicherheit gebiete, dass eine Verfügung nach dieser Zeitspanne nicht mehr widerrufen werden könne. Zudem sei der damalige Entscheid unter Berücksichtigung und nach Prüfung von allfälligen Verweistätigkeiten gefällt worden, was einer zweifellose Unrichtigkeit entgegenstehe. Die IV-Stelle sei dannzumal davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer mit den Büroarbeiten im eigenen Betrieb optimal eingegliedert sei. Schliesslich hätte eine damalige Feststellung des Invaliditätsgrades mittels Einkommensvergleich zu keinem anderen Resultat geführt, weshalb eine Wiedererwägung ausgeschlossen sei.
3.
Wie das Bundesgericht in Beantwortung der bisher offen gelassenen Frage kürzlich entschieden hat, ist die Verwaltung auch mehr als zehn Jahre nach Erlass einer zweifellos unrichtigen Verfügung befugt, auf diese wiedererwägungsweise zurückzukommen (BGE 140 V 514 E. 3 S. 516 ff). Dieser Entscheid beruht auf der Überlegung, dass es kaum zu rechtfertigen wäre, wenn einer versicherten Person für die Zukunft eine zweifellos geschuldete Leistung verweigert oder eine zweifellos nicht geschuldete Leistung weiterhin ausbezahlt würde, nur weil der Fehler der Verwaltung schon Jahre zurückliegt. Dem Gebot der Rechtssicherheit wird dabei hinreichend Genüge getan, indem der Rückforderungsanspruch eines Versicherungsträgers auf Rückerstattung zu Unrecht bezogener Leistungen in Anwendung von Art. 25 Abs. 2 ATSG, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Jahren nach der Entrichtung der einzelnen Leistung erlischt (a.a.O. E. 3.5 S. 518).
4.
4.1. Zu prüfen ist, ob die Vorinstanz von einem bundesrechtskonformen Verständnis der zweifellosen Unrichtigkeit ausging. Das Erfordernis der zweifellosen Unrichtigkeit ist in der Regel erfüllt, wenn eine Leistungszusprache aufgrund falsch oder unzutreffend verstandener Rechtsregeln erfolgt ist oder wenn massgebende Bestimmungen nicht oder unrichtig angewandt wurden. Anders verhält es sich, wenn der Wiedererwägungsgrund im Bereich materieller Anspruchsvoraussetzungen liegt, deren Beurteilung notwendigerweise Ermessenszüge aufweist. Erscheint die Beurteilung einzelner Schritte bei der Feststellung solcher Anspruchsvoraussetzungen (Invaliditätsbemessung, Arbeitsunfähigkeitsschätzung, Beweiswürdigung, Zumutbarkeitsfragen) vor dem Hintergrund der Sach- und Rechtslage, wie sie sich im Zeitpunkt der rechtskräftigen Leistungszusprechung darboten, als vertretbar, scheidet die Annahme zweifelloser Unrichtigkeit aus. Zweifellos ist die Unrichtigkeit, wenn kein vernünftiger Zweifel daran möglich ist, dass die Verfügung unrichtig war. Es ist nur ein einziger Schluss - derjenige auf die Unrichtigkeit der Verfügung - denkbar (z.B. Urteil 8C_274/2014 vom 3. September 2014).
4.2.
4.2.1. Nach Feststellung des kantonalen Gerichts beruhte die ursprüngliche Rentenverfügung vom 3. Mai 2000 in medizinischer Hinsicht auf Zeugnissen des behandelnden Rheumatologen, Dr. med. C.________, und der Ärzte des Spitals D.________ aus dem Jahre 1999. Diese waren sich einig, dass die schwere körperliche Tätigkeit als Carrosserie-Spengler nicht mehr zumutbar sei. Hingegen geht aus dem Bericht vom 7. Januar 1999 der Dres. med. E.________, F.________ und G.________ vom Spital D.________ eindeutig hervor, dass dem Beschwerdeführer damals aus medizinischer Sicht eine leichte Tätigkeit ganztags zumutbar war, soweit diese wechselnd stehend, gehend und sitzend ausgeführt werden konnte. Indem die IV-Stelle damals den Invaliditätsgrad einzig mittels eines Betätigungsvergleichs für die im eigenen Betrieb anfallenden Arbeiten festgesetzt hatte, ohne zu prüfen, ob es dem Versicherten zumutbar wäre eine angepasste Tätigkeit in einem Anstellungsverhältnis aufzunehmen, hat es Bundesrecht verletzt. Bereits nach der im Verfügungszeitpunkt (Mai 2000) geltenden Praxis verletzte das ausschliessliche Abstellen auf das Ergebnis eines Betätigungsvergleichs bei Erwerbstätigen den Grundsatz, wonach bei dieser Kategorie von Versicherten die Invalidität nach Massgabe der Erwerbsunfähigkeit zu bestimmen ist (BGE 128 V 29 E. 1 S. 31 mit Hinweisen).
Wie bereits in der in BGE 135 I 1 nicht publizierten Erwägung 5.3 des Urteils 9C_342/2008 vom 20. November 2008 entschieden wurde, liegt eine offensichtliche Unrichtigkeit der ursprünglichen Rentenverfügung vor, wenn bis zum damaligen Verfügungszeitpunkt keine Einschätzung der Leistungsfähigkeit in einer zumutbaren Verweistätigkeit vorlag und der Invaliditätsgrad alleine nach Massgabe der Arbeitsfähigkeit festgelegt, bei der erstmaligen Anspruchsprüfung also die Invalidität der Arbeitsunfähigkeit gleichgestellt und damit von einem rechtlich falschen Invaliditätsbegriff ausgegangen wurde, und wenn gestützt auf eine rechtlich korrekte Invaliditätsbemessung ohne Zweifel eine tiefere Rente zugesprochen worden wäre.
4.2.2. Der Beschwerdeführer argumentiert, auch in einer seinem Gesundheitszustand angepassten Arbeit hätte er einen Invaliditätsgrad von mindestens 662 /3 % erreicht und gemäss dem damals geltenden Art. 28 Abs. 1 aIVG Anspruch auf eine ganze Rente gehabt Diese Behauptung bleibt ohne Beleg. Geht man davon aus, dass der Gesundheitszustand seit der Rentenzusprache bis zur Expertise vom 6. August 2012 unverändert geblieben ist, was vom behandelnden Arzt regelmässig bestätigt worden war, kann von einer zumutbaren Arbeitsfähigkeit von 80 % ausgegangen werden. Das durchschnittliche monatliche Erwerbseinkommen für Männer betrug gemäss den Schweizerischen Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik 2000, Tabelle TA1, privater Sektor, Anforderungsniveau 4, Fr. 4'437.- monatlich bei 40 Wochenstunden oder Fr. 55'507.- im Jahr bei 41,7 Wochenstunden. Das ergibt unter Berücksichtigung einer um 20 % eingeschränkten Arbeitsfähigkeit und eines Abzuges von 10 % noch ein damals zumutbares Invalideneinkommen von Fr. 39'965.-. Um den Anspruch auf eine ganze Rente zu rechtfertigen, müsste diesem Einkommen ein solches im Gesundheitsfalle von mindestens Fr. 119'895.- gegenüberstehen. Dass der Beschwerdeführer ohne gesundheitliche Probleme ein solches hätte erzielen können, behauptet selbst er nicht. Dies würde auch den Zahlen gemäss IK-Auszug und den Geschäftsabschlüssen der Jahre 1994 bis 1997 widersprechen. Schliesslich bringt der Beschwerdeführer auch nicht vor, die Aufnahme einer unselbstständigen Tätigkeit sei ihm damals nicht zumutbar (vgl. dazu etwa Urteil 9C_356/2014 vom 14. November 2014 E. 3 mit Hinweisen) gewesen, weshalb auch diese Frage nicht weiter geprüft wird.
5.
5.1. Sind die Voraussetzungen für eine Wiedererwägung erfüllt, müssen die Anspruchsberechtigung und allenfalls der Umfang des Anspruchs pro futuro geprüft werden. Wie bei einer materiellen Revision nach Art. 17 Abs. 1 ATSG ist auf der Grundlage eines richtig und vollständig festgestellten Sachverhalts der Invaliditätsgrad zu ermitteln (Urteil 9C_837/2010 vom 30. August 2011 E. 3.1 mit Hinweisen).
5.2. Die Vorinstanz stellte bezüglich des Gesundheitszustandes auf das Gutachten des Dr. med. B.________ vom 6. August 2012 ab, welches als inhaltlich vollständig und im Ergebnis schlüssig beurteilt wurde. Der Beschwerdeführer widerspricht dieser Erkenntnis nicht. Er beanstandet weder die Feststellung einer 80%igen Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Verweistätigkeit noch die darauf beruhende Invaliditätsbemessung, weshalb diese nicht weiter zu prüfen ist (E. 1 hievor). Er macht auch nicht geltend, es sei ihm heute unzumutbar, seine selbstständige Tätigkeit zu Gunsten einer angepassten in einem Anstellungsverhältnis aufzugeben, weshalb auch hier diese Frage nicht weiter zu prüfen ist. Der Rentenanspruch des Versicherten wurde zu Recht aufgehoben, weshalb die Beschwerde abgewiesen wird.
6.
Dem Verfahrensausgang entsprechend werden die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 6. Mai 2015
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Leuzinger
Die Gerichtsschreiberin: Schüpfer