Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img] |
|
|
{T 0/2}
1B_149/2015
|
|
|
Urteil vom 13. Mai 2015
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Chaix,
Gerichtsschreiber Härri.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Konrad Jeker,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28,
Postfach 157, 4502 Solothurn.
Gegenstand
Untersuchungshaft,
Beschwerde gegen das Urteil vom 9. April 2015 des Obergerichts des Kantons Solothurn, Beschwerdekammer.
Sachverhalt:
A.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn führt ein Strafverfahren gegen den iranischen Staatsangehörigen A.________ (geb. 1959) wegen des Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung, des Betrugs, der Veruntreuung und der Urkundenfälschung. Sie wirft ihm im Wesentlichen vor, er habe Investoren durch falsche Angaben dazu verleitet, Kapital in zwei Aktiengesellschaften anzulegen und dieses in der Folge dem Zweck entfremdet. Überdies habe er eine Bilanz gefälscht.
Am 10. März 2015 nahm ihn die Polizei fest.
Mit Verfügung vom 12. März 2015 versetzte ihn das Haftgericht des Kantons Solothurn für 3 Monate, d.h. bis zum 11. Juni 2015, in Untersuchungshaft.
Die von A.________ hiergegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Solothurn (Beschwerdekammer) am 9. April 2015 ab. Es bejahte den dringenden Tatverdacht und Kollusionsgefahr.
B.
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben; er sei aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Zudem sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren.
C.
Das Obergericht hat Gegenbemerkungen eingereicht. Es beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Die Staatsanwaltschaft hat sich vernehmen lassen mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung sei abzuweisen.
A.________ hat eine Replik eingereicht.
Erwägungen:
1.
Gegen den angefochtenen Entscheid ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde in Strafsachen gegeben. Ein kantonales Rechtsmittel steht nicht zur Verfügung. Die Beschwerde ist somit nach Art. 80 BGG zulässig. Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 1 BGG zur Beschwerde befugt. Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen sind ebenfalls erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass.
2.
2.1. Gemäss Art. 221 Abs. 1 StPO ist Untersuchungshaft zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie: a. sich durch Flucht dem Strafverfahren oder der zu erwartenden Sanktion entzieht; b. Personen beeinflusst oder auf Beweismittel einwirkt, um so die Wahrheitsfindung zu beeinträchtigen (...).
Der Beschwerdeführer bestreitet den dringenden Tatverdacht nicht. Er macht einzig geltend, es fehle an der Kollusionsgefahr nach Art. 221 Abs. 1 lit. b StPO.
2.2. Die Untersuchungshaft wegen Kollusionsgefahr soll verhindern, dass der Beschuldigte die Freiheit dazu missbrauchen würde, die wahrheitsgetreue Abklärung des Sachverhalts zu vereiteln oder zu gefährden. Die theoretische Möglichkeit, dass er kolludieren könnte, genügt für die Rechtfertigung von Untersuchungshaft nicht. Vielmehr müssen konkrete Indizien für die Annahme von Verdunkelungsgefahr bestehen (BGE 132 I 21 E. 3.2. S. 23 mit Hinweisen). Solche Indizien können sich namentlich ergeben aus dem bisherigen Verhalten des Beschuldigten im Strafprozess, aus seinen persönlichen Merkmalen, aus seiner Stellung und seinen Tatbeiträgen im Rahmen des untersuchten Sachverhaltes sowie aus den persönlichen Beziehungen zwischen ihm und den ihn belastenden Personen. Bei der Frage, ob im konkreten Fall eine massgebliche Beeinträchtigung des Strafverfahrens wegen Verdunkelung droht, ist auch der Art und Bedeutung der von Beeinflussung bedrohten Aussagen bzw. Beweismittel, der Schwere der untersuchten Straftaten sowie dem Stand des Verfahrens Rechnung zu tragen (BGE 137 IV 122 E. 4.2 S. 127 f. mit Hinweis). Je weiter das Strafverfahren vorangeschritten ist und je präziser der Sachverhalt bereits abgeklärt werden konnte, desto höhere Anforderungen sind an den Nachweis von Verdunkelungsgefahr zu stellen (BGE 132 I 21 E. 3.2.2 S. 24). Der blosse Umstand, dass noch Beweiserhebungen, insbesondere Zeugenbefragungen, ausstehen, reicht für die Annahme von Kollusionsgefahr nicht (Urteile 1B_70/2008 vom 7. April 2008 E. 3; 1P.90/2005 vom 23. Februar 2005 E. 3.3).
2.3. Die Vorinstanz erwägt, im jetzigen Zeitpunkt könnten noch keine hohen Anforderungen an den Nachweis der Verdunkelungsgefahr gestellt werden. Diese sei aufgrund des Gegenstands des Verfahrens, des frühen Verfahrensstands und der Interessenlage des Beschwerdeführers derzeit zu bejahen (angefochtener Entscheid S. 7 f. E. 5 teilweise mit Hinweis auf die Erwägungen des Haftgerichts).
2.4. Der vorliegende Fall ist komplex und die Staatsanwaltschaft vermag dessen Dimension einstweilen noch nicht zu überblicken. Entscheidend ist nach der dargelegten Rechtsprechung, ob konkrete Indizien dafür bestehen, dass der Beschwerdeführer die Staatsanwaltschaft bei einer Freilassung an der ungestörten Ermittlung der materiellen Wahrheit hindern würde.
Am 10. März 2015, dem Tag der Festnahme, fand beim Beschwerdeführer eine Hausdurchsuchung statt. Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmte dabei eine grosse Menge von Unterlagen und Datenträgern. Diese kann der Beschwerdeführer nicht mehr verändern oder beiseite schaffen, weshalb insoweit jede Kollusionsgefahr entfällt.
Offenbar sind noch zahlreiche Personen zu befragen. Das allein genügt nach der angeführten Rechtsprechung für die Bejahung von Kollusionsgefahr jedoch nicht. Die Vorinstanz hätte darlegen müssen, weshalb konkret zu befürchten sei, dass der Beschwerdeführer auf die zu befragenden Personen Einfluss nehmen würde, um sie zu einer für ihn günstigen Aussage zu bewegen. Das tut sie nicht. Sie sagt insbesondere nicht, der Beschwerdeführer entstamme einem Milieu, bei dem notorisch mit Verdunkelungshandlungen zu rechnen sei, oder er sei bisher durch Gewalttätigkeiten oder Einschüchterungen aufgefallen. Dafür spricht nichts, da er - 55-jährig und seit Langem in der Schweiz wohnhaft - keine Vorstrafen aufweist. Die Vorinstanz legt auch nicht dar, dass er vor seiner Festnahme Verdunkelungshandlungen vorgenommen, insbesondere Personen unter Druck gesetzt habe oder Unterlagen habe verschwinden lassen, oder dies aus der Haft heraus versucht habe. Soweit er in seinen Räumlichkeiten hinter einem Vorhang Unterlagen in einer "Denner"-Tragtasche aufbewahrt hat, ist dies belanglos, da er nicht ernsthaft damit rechnen konnte, dass sie bei einer Hausdurchsuchung verborgen bleiben würden. Hätte er die Unterlagen dem Zugriff der Behörden entziehen wollen, wäre er anders vorgegangen. Die Vorinstanz sagt sodann nicht, dass die zu befragenden Personen leicht zu beeinflussen wären, wie das namentlich bei einem Unterordnungs- oder Abhängigkeitsverhältnis der Fall ist. Dafür bestehen auch keine Anhaltspunkte. Insoweit geht es offenbar vorwiegend um mutmasslich Geschädigte. Diese haben, soweit bekannt, erhebliche Summen investiert. Es spricht somit wenig dafür, dass es sich um schwache Personen handelt, die sich ohne Weiteres beeinflussen lassen. Im Übrigen ist nicht erkennbar, weshalb sie ein Interesse daran haben könnten, den Beschwerdeführer in ein günstiges Licht zu rücken. Soweit sie Strafanzeige erhoben haben, haben sie den Sachverhalt aus ihrer Sicht zudem bereits einlässlich dargelegt.
Wie die Vorinstanz ausführt, wurden vor der Anhaltung des Beschwerdeführers bereits umfangreiche Erhebungen getätigt. Die Akten belegen dies. Die Strafuntersuchung befindet sich somit nicht erst am Anfang. Die Anwendung der Rechtsprechung, wonach insoweit noch weniger hohe Anforderungen an die Annahme von Kollusionsgefahr zu stellen sind, rechtfertigt sich daher nicht.
Die Erwägungen der Vorinstanz führen lediglich zum Schluss, dass hier die theoretische Möglichkeit von Verdunkelungshandlungen besteht. Das genügt nach der dargelegten Rechtsprechung nicht für die Annahme von Kollusionsgefahr. Da die Vorinstanz insoweit - wie das Haftgericht (E. 4d S. 10) - keine hinreichend konkreten Indizien namhaft macht bzw. machen kann, verletzt es Bundesrecht, wenn sie diesen Haftgrund bejaht hat.
2.5. Die Vorinstanz äussert sich nicht zur Fluchtgefahr nach Art. 221 Abs. 1 lit. a StPO; dies im Gegensatz zum Haftgericht. Letzteres nennt sowohl Gesichtspunkte, die für, als auch solche, die gegen Fluchtgefahr sprechen. Ob dieser Haftgrund erfüllt ist, lässt es offen. Es behält sich eine vertiefte Prüfung der Frage vor, falls Kollusionsgefahr entfallen sollte (E. 5d S. 11).
Aufgrund der Darlegungen des Haftgerichts und der Akten kann das Bundesgericht nicht verlässlich beurteilen, ob Fluchtgefahr gegeben ist. Die Sache wird deshalb in Anwendung von Art. 107 Abs. 2 Satz 2 BGG an das Haftgericht zurückgewiesen, damit es diesen Haftgrund vertieft prüfe. Sollte es Fluchtgefahr bejahen, hätte es sich dazu zu äussern, ob sie mit Ersatzmassnahmen hinreichend gebannt werden könnte.
Die Haftentlassung durch das Bundesgericht kommt demnach nicht in Betracht.
2.6. Anzumerken bleibt Folgendes: Bejaht das kantonale Gericht einen Haftgrund, braucht es grundsätzlich nicht zu prüfen, ob ein weiterer hinzukommt, da ein Haftgrund für die Inhaftierung genügt. Erscheint ein angenommener Haftgrund diskutabel, kann es sich mit Blick auf die Prozessökonomie und den besonderen Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen (Art. 5 Abs. 2 StPO) allerdings aufdrängen, dass es sich zu zusätzlichen Haftgründen äussert. So kann gegebenenfalls verhindert werden, dass die Rechtsmittelinstanz, wenn diese einen Haftgrund verneint, die Sache zurückweisen muss zur Prüfung, ob ein anderer gegeben sei (Urteil 1B_728/2011 vom 13. Januar 2012 E. 2.7).
Im Lichte dieser Rechtsprechung hätten die kantonalen Instanzen zur Fluchtgefahr abschliessend Stellung nehmen sollen. Die nun erforderliche Rückweisung hätte so vermieden werden können.
3.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen. Der Entscheid der Vorinstanz ist aufzuheben, soweit diese die bei ihr erhobene Beschwerde abgewiesen und dem Beschwerdeführer Kosten auferlegt hat (Ziffer 1 und 2). Die Aufhebung ihres Entscheids rechtfertigt sich dagegen nicht, soweit sie Rechtsanwalt Konrad Jeker für das Beschwerdeverfahren als amtlichen Verteidiger eingesetzt und ihm eine Entschädigung zugesprochen hat (Ziffer 3 und 4). Diesem wäre die Entschädigung auch bei Gutheissung der Beschwerde durch die Vorinstanz zugestanden.
Es werden keine Kosten erhoben (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 BGG). Der Kanton hat dem Anwalt des Beschwerdeführers für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung zu bezahlen ( Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG ). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung nach Art. 64 BGG ist damit gegenstandslos.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Die Ziffern 1 und 2 des Urteils des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 9. April 2015 werden aufgehoben und die Sache wird an das Haftgericht des Kantons Solothurn zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Der Kanton Solothurn hat dem Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Konrad Jeker, eine Entschädigung von Fr. 2'000.-- zu bezahlen.
4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie der Staatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Solothurn (Beschwerdekammer) schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 13. Mai 2015
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Fonjallaz
Der Gerichtsschreiber: Härri