BGer 9C_578/2014 |
BGer 9C_578/2014 vom 17.06.2015 |
{T 0/2}
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9C_578/2014
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Urteil vom 17. Juni 2015 |
II. sozialrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
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Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner, Bundesrichter Parrino, Bundesrichterin Moser-Szeless,
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Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.
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Verfahrensbeteiligte |
vertreten durch Rechtsanwalt Kaspar Gehring,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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Gemeinde C.________,
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vertreten durch den Gemeinderat C.________,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Krankenversicherung,
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Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern, 3. Abteilung, vom
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10. Juli 2014.
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Sachverhalt: |
A. A.________ erbrachte als freiberufliche Pflegefachfrau zwischen dem 8. und dem 13. März 2013 auf ärztliche Verordnung hin (Bedarfsmeldung vom 8./12. März 2013) bei B.________ Wochenbett- und Beratungsleistungen (5,75 Stunden Abklärung und Beratung, 35 Minuten Untersuchung und Behandlung). Am 12. März 2013 unterzeichnete B.________ eine Abtretungserklärung zu Gunsten von A.________ betreffend die "mir zustehenden Restfinanzierungsbeiträge der Gemeinde C.________". Am 14. März 2013 ersuchte A.________ (in einem nicht aktenkundigen Schreiben) um Kostengutsprache für die Pflege-Restfinanzierung. Die Gemeinde C.________ als Wohnsitzgemeinde von B.________ erteilte A.________ daraufhin telefonisch die Auskunft, bei Mutterschaft werde der Restfinanzierungsbeitrag nicht übernommen und bekräftigte dies am 18. März 2013 schriftlich. Am 26. März 2013 stellte A.________ der Krankenversicherung von B.________ eine Rechnung "Pflege nach KLV 7" über Fr. 497.- (5,75 Stunden Abklärung und Beratung à Fr. 79.80/h; 35 Minuten Untersuchung und Beratung à Fr. 65.40/h). Vom gleichen Tag datiert auch eine Leistungsabrechnung, auf welcher unter der Rubrik "Gemeindebeitrag" Restkosten von Fr. 171.60 aufgeführt sind. Am 7. Mai 2013 teilte die Gemeinde C.________ A.________ mit, die geltend gemachten 5,75 Stunden Abklärung und Beratung entsprächen der Zeit für die Stillberatung bei einer gesunden Wöchnerin. Die Restfinanzierung einer solchen Leistung sei von den Gemeinden nicht zu übernehmen, weshalb das Gesuch abgewiesen werde. Hiegegen liess A.________ Einsprache erheben. Am 20. August 2013 wies der Gemeinderat C.________ die Einsprache ab.
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B. Die dagegen von A.________ erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Luzern mit Entscheid vom 10. Juli 2014 ab.
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C. A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides beantragen, die Gemeinde C.________ sei zu verpflichten, ihr Restfinanzierungsbeiträge auszurichten.
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Die Gemeinde C.________ verzichtet auf Vernehmlassung.
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Erwägungen: |
1.
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1.1. Die II. sozialrechtliche Abteilung des Bundesgerichtes ist zuständig für die Behandlung von Beschwerden im Bereich der Restfinanzierung von Pflegekosten, sofern diese nach Eintritt eines Leistungsfalles erhoben werden (BGE 138 V 377 E. 2.2 S. 379). Das ist hier der Fall, weshalb auf die Beschwerde einzutreten ist.
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1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Soweit sich der angefochtene Entscheid auf Quellen des kantonalen Rechts stützt, welche nicht in Art. 95 lit. c-e BGG genannt werden, beschränkt sich die Überprüfung durch das Bundesgericht inhaltlich auf die Frage, ob die Anwendung des kantonalen Rechts zu einer Bundesrechtswidrigkeit führt. Im Vordergrund steht dabei eine Verletzung verfassungsmässiger Rechte (BGE 133 I 201 E. 1 S. 203 mit Hinweisen).
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2. Umstritten ist die Restfinanzierungspflicht der Beschwerdegegnerin für die von der Beschwerdeführerin im Rahmen einer (komplikationslosen) Mutterschaft im März 2013 erbrachten Leistungen. Der Auseinandersetzung liegt die Frage zu Grunde, ob die Pflegefinanzierung auch Wochenbettpflege umfasst. Massgebend ist die im März 2013 gültig gewesene Rechtslage (BGE 140 V 41 E. 6.3.1 S. 44 f.).
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2.1. Die Vorinstanz stellte fest, die Wochenbettpflegeleistungen der Beschwerdeführerin seien im Rahmen einer gesunden Mutterschaft erbracht worden. Sie erwog unter Berufung auf BGE 126 V 111 E. 3 und 4 S. 113 ff., die entsprechenden Kosten seien nicht als Leistungen bei Krankheit zu qualifizieren und unterlägen folglich keiner Kostenbeteiligung der Versicherten. Daran ändere nichts, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine Pflegefachperson und nicht um eine Hebamme handle. Gestützt auf Art. 29 KVG in Verbindung mit Art. 64 Abs. 7 KVG in der hier einschlägigen, bis Ende Februar 2014 gültig gewesenen Fassung, seien sämtliche Kosten vollumfänglich von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu tragen. Damit fehle es an ungedeckten Pflegekosten, weshalb sich eine Prüfung der Voraussetzungen für einen Restfinanzierungsanspruch erübrige.
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2.2. Die Beschwerdeführerin rügt einen Verstoss gegen Art. 25a KVG. Sie habe als Pflegefachfrau auf ärztliche Anordnung hin Leistungen erbracht, welche zum einen viel mehr umfasst hätten als blosse Stillberatung und zum andern die Voraussetzungen von Art. 7 KLV vollumfänglich erfüllten. Leistungen bei Mutterschaft seien denjenigen bei Krankheit gleichgestellt und gingen sogar darüber hinaus; für eine von den Krankheitskosten abweichende Finanzierungsordnung fänden sich keine Hinweise. aArt. 64 Abs. 7 KVG regle die von den Krankenkassen zu vergütende Taxe nicht, sondern verbiete den Kassen nur, eine Kostenbeteiligung zu erheben. Dies bedeute aber nicht, dass die Kasse sämtliche Kosten bei Mutterschaft vollumfänglich zu übernehmen habe; eine solche Lösung wäre mit Art. 25a Abs. 5 KVG unvereinbar. Auch gesetzessystematische Überlegungen sprächen für eine Beteiligung der Kantone bei der Finanzierung der Wochenbettpflege. So habe sich der Kanton gemäss Art. 49a KVG an den Kosten von komplikationslosen stationären oder in Geburtshäusern erfolgenden Geburten zu beteiligen, weshalb es systemfremd wäre, wenn dies bei ambulanter Wochenbettpflege nicht gälte. Ziel des Gesetzgebers sei es, die Versicherten bei Mutterschaft möglichst von Belastungen zu befreien. Eine fehlende Restfinanzierung der öffentlichen Hand würde zur Einführung einer Kostenbeteiligung oder dazu führen, dass Wochenbettpflegeleistungen nicht mehr kostendeckend respektive gewinnbringend angeboten werden könnten, was eine deutliche Schlechterstellung von Müttern bewirkte, die einen Teil des Wochenbettes zu Hause absolvierten. Schliesslich würden für Hebammenleistungen offenbar Restfinanzierungsbeiträge ausgerichtet, was Pflegefachpersonen diskriminiere.
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3.
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3.1. Das Gesetz unterscheidet zwischen Krankheit (Art. 3 ATSG) und Mutterschaft (Art. 5 ATSG; Art. 1a Abs. 2 lit. a und c KVG). Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt bei einer Mutterschaft die Kosten für die gleichen Leistungen wie bei Krankheit und zusätzlich die Kosten der besonderen Mutterschaftsleistungen (Art. 29 KVG) sowie - unter dem Titel "Allgemeine Leistungen bei Krankheit" - die Kosten für den Aufenthalt bei Entbindung in einem Geburtshaus (Art. 25 Abs. 2 lit. f
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3.2. Das Bundesgericht differenzierte in Anwendung des bis Ende Februar 2014 gültig gewesenen Art. 64 Abs. 7 KVG zwischen Behandlungskosten für Schwangerschaftskomplikationen und Kosten einer normal verlaufenden Schwangerschaft. Nur die erstgenannten qualifizierte es als Krankheitskosten, die einer Kostenbeteiligungspflicht der Versicherten unterlagen (BGE 127 V 268). Seit dem 1. März 2014 sind sämtliche Leistungen nach den Art. 25 und 25a KVG, die ab der 13. Schwangerschaftswoche, während der Niederkunft und bis acht Wochen nach der Niederkunft erbracht werden, gegenüber dem Versicherer von der Kostenbeteiligung befreit (Art. 64 Abs. 7 KVG in der aktuellen Fassung; Art. 104 Abs. 2 lit. c und Art. 105 KVV). Diese Gesetzesänderung spielt hier insofern keine Rolle, als die streitigen Leistungen im Rahmen einer komplikationslosen Mutterschaft erbracht wurden, und somit bereits bisher nicht als der Kostenbeteiligung unterliegende Krankheitsbehandlung galten (auch dann nicht, wenn sie von einer Hebamme erbracht worden waren; BGE 126 V 111 E. 3 und 4 S. 113 ff. [betreffend ambulante, durch eine Hebamme erbrachte Wochenbettpflegeleistungen bis zehn Tage nach der Geburt]; vgl. Art. 16 Abs. 3 KLV).
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4. |
4.1. Zugelassene freiberufliche Pflegefachleute (Art. 49 KVV) können im Rahmen der Wochenbettpflege grundsätzlich (vgl. für die Stillberatung Art. 15 Abs. 1 KLV) sowohl besondere Leistungen bei Mutterschaft wie auch allgemeine Pflegeleistungen erbringen. Fraglich ist, ob diese Leistungen, die bei Krankheit ohne weiteres der Restkostenfinanzierungspflicht gemäss Art. 25a Abs. 5 KVG unterliegen, auch dann von der öffentlichen Hand (Kanton oder Gemeinden) mitzufinanzieren sind, wenn sie am Wochenbett erbracht werden.
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4.2. Die Beschwerdegegnerin führte in ihrem Schreiben vom 7. Mai 2013 aus, das die Restfinanzierung regelnde Gesetz des Kantons Luzern über die Finanzierung der Pflegeleistungen der Krankenversicherung vom 13. September 2010 (Pflegefinanzierungsgesetz; SRL Nr. 867) beziehe sich nur auf Pflegeleistungen gemäss Art. 7 KLV, nicht auf Leistungen bei Mutterschaft im Sinne von Art. 29 KVG, zu welchen auch die zu Hause erbrachten Wochenbettpflegeleistungen gehörten. Für diese hätten die Gemeinden keine Restfinanzierungskosten zu übernehmen. Das kantonale Gericht ging ebenfalls davon aus, die von der Beschwerdeführerin erbrachten fünf Wochenbettpflegeeinsätze (über deren Einzelheiten sich den Akten nichts entnehmen lässt, die aber nach den letztinstanzlich verbindlichen Feststellungen des kantonalen Gerichts mehr umfassten als blosse Stillberatung) seien keine Leistungen für Krankheitsbehandlung, sondern besondere Leistungen bei Mutterschaft. Demgegenüber macht die Beschwerdeführerin geltend, ihre Leistungen seien deutlich über die Stillberatung hinausgegangen und somit als von einer Pflegefachfrau erbrachte Leistungen nach Art. 7 KLV zu qualifizieren.
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5. |
5.1. Die Neuordnung der Pflegefinanzierung löste per 1. Januar 2011 das im Jahr 1998 als zeitlich befristete Massnahme eingeführte System mit Rahmentarifen auf Verordnungsebene ab (vgl. Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über die Neuordnung der Pflegefinanzierung vom 16. Februar 2005, BBl 2005 2033 ff., 2034). In Anwendung der Rahmentarife erreichten die Leistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung keinen ausreichenden Kostendeckungsgrad; schätzungsweise betrug er 55 - 60 % (Votum Ständerätin Forster-Vanini AB 2006 S 642). Mit der Neuordnung, welche nach dem Willen des Gesetzgebers unter Wahrung der Kostenneutralität für die Krankenversicherer eingeführt werden sollte, bezweckte der Gesetzgeber eine Umverteilung der Kostentragung, um die namentlich aus demographischen Gründen zunehmende Belastung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung im Bereich altersbedingter Pflegeleistungen zu begrenzen. Die neue Finanzierungsordnung gilt indes altersunabhängig für alle pflegebedürftigen grundversicherten Personen ( GEBHARD Eugster, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum KVG, 2010, N. 1 zu Art. 25a KVG; vgl. auch Votum Ständerätin Fetz, AB 2006 S 644). Im Einzelnen leistet die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) einen Beitrag an die Pflegeleistungen, welche aufgrund einer ärztlichen Anordnung und eines ausgewiesenen Pflegebedarfs u.a. ambulant erbracht werden (Art. 25a Abs. 1 KVG). Darüber hinaus haben sich sowohl die Versicherten als auch die öffentliche Hand an den Pflegekosten zu beteiligen. Die Modalitäten der Restfinanzierung der Pflegekosten regeln die Kantone (Art. 25a Abs. 5 Satz 2 KVG), wobei diese kantonale Zuständigkeit nichts daran ändert, dass der grundsätzliche Anspruch auf Übernahme der ungedeckten Pflegekosten durch die öffentliche Hand (Kanton oder Gemeinden) bundesrechtlicher Natur ist (BGE 140 V 58 E. 4.1 S. 62). Ebenfalls allein Sache der Bundesgesetzgebung ist die abschliessende Normierung der Leistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Art. 24 KVG).
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5.2. Die Neuordnung der Pflegefinanzierung stellt den bis Ende 2010 gültig gewesenen Leistungsumfang nicht in Frage, sondern regelt im dargelegten Sinn (vorangehende E. 5.1) die Aufteilung der Pflegekosten auf verschiedene Kostenträger. Unverändert blieb insbesondere der Begriff der Pflegeleistungen (Art. 25a Abs. 3 KVG; Eugster, a.a.O., N. 7 zu Art. 25a). Der Bundesrat übertrug (unter anderem) die Bezeichnung des in Art. 25a Abs. 1 und 4 KVG vorgesehenen Beitrags der Kassen an die von anerkannten Pflegefachpersonen erbrachten Pflegeleistungen in Art. 33 lit. i KVV dem Eidgenössischen Departement des Innern. Dieses legte die von der sozialen Krankenpflegeversicherung zu übernehmenden Leistungen in Art. 7 KLV und deren Kostenbeiträge für die von Pflegefachleuten erbrachten Leistungen in Art. 7a Abs. 1 KLV fest. Die Ansätze der von den Kassen zu übernehmenden Beiträge belaufen sich auf Fr. 79.80/h für Massnahmen der Abklärung, Beratung und Koordination und auf Fr. 65.40/h für Massnahmen der Untersuchung und Behandlung (Abs. 1 lit. a und b). Für Leistungen bei Mutterschaft enthält die Verordnung keinen speziellen Tarif, weshalb in der Praxis die freiberuflichen Pflegefachleute, soweit ersichtlich und auch im konkreten Fall, die in der Wochenbettpflege erbrachten Leistungen ebenfalls nach Art. 7a KLV abrechnen.
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6. Entgegen der Annahme des kantonalen Gerichts kann aus der fehlenden Kostenbeteiligungspflicht der Versicherten bei Mutterschaft gemäss Art. 64 Abs. 7 KVG in der bis Ende Februar 2014 gültig gewesenen sowie in der aktuellen Fassung jedenfalls nicht ohne weiteres geschlossen werden, es resultierten keine ungedeckten Kosten. Diese Kostenbefreiung privilegiert ausschliesslich die versicherten Mütter. Demgegenüber richten sich die von den Versicherungen zu vergütenden Beiträge nach den in Art. 7a Abs. 1 KLV festgelegten Ansätzen, die - wie dargelegt - auch für die Abrechnung von Wochenbettpflegeleistungen der Pflegefachleute angewendet werden (vorangehende E. 5.2). Es trifft somit nicht zu, wie die Vorinstanz annimmt, dass die fehlende Kostenbeteiligung der Mütter automatisch zu einer "vollumfänglichen" Leistungspflicht der Kassen führt, umso weniger als die neue Pflegefinanzierung für die Kassen keine Mehrkosten nach sich ziehen sollte (E. 5.1 hievor). Wie die Berechnung der Beschwerdeführerin zeigt, vermögen die Beiträge gemäss Art. 7a Abs. 1 lit. a und b KLV - unabhängig davon, ob eine Kostenbeteiligung nach Art. 25a Abs. 5 Satz 1 berücksichtigt wird oder nicht - ihre Vollkosten nicht zu decken. Bei einem unangefochten gebliebenen Stundenansatz von Fr. 120.-/h für Abklärung und Beratung und von Fr. 100.-/h für Untersuchung und Behandlung bezifferte sie ihren Anspruch auf gesamthaft Fr. 748.35 (für 5,75 Stunden Abklärung und Beratung sowie 35 Minuten Untersuchung und Behandlung). Abzüglich des Kassenbeitrages gemäss den Ansätzen von Art. 7a Abs. 1 lit. a und b KLV in Höhe von Fr. 497.- (bestehend aus Fr. 458.85 für 5,75 Stunden Abklärung und Beratung sowie Fr. 38.15 für 35 Minuten Untersuchung und Behandlung) resultierte eine Restsumme von Fr. 251.35. Hievon brachte die Beschwerdeführerin den "Beitrag der vers. Person" von (maximal) Fr. 15.95 pro Tag, total Fr. 79.75, in Abzug. Es verblieben ungedeckte Kosten von Fr. 171.60.
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7. Die damit zu klärende Frage, ob die Leistungen der ambulanten Wochenbettpflege einer anerkannten Pflegefachperson von der Restfinanzierungspflicht der Kantone und Gemeinden umfasst sind, beantwortet das Gesetz nicht eindeutig. Sie bereitet auch deshalb Schwierigkeiten, weil nach der gesetzlichen Konzeption Krankheit und Mutterschaft zu unterscheiden sind (vorangehende E. 3.1).
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7.1. Der Gesetzgeber setzte sich zuletzt im Rahmen der Neufassung des seit 1. März 2014 gültigen Art. 64 Abs. 7 KVG mit der Abgrenzung von Krankheits- und eigentlichen Mutterschaftsleistungen auseinander. Dabei erachtete er eine Differenzierung zwischen Schwangerschaftskomplikationen im eigentlichen Sinn und anderen Leistungen im Rahmen der Mutterschaft mit Blick auf den engen Zusammenhang als "nicht praktikabel und problematisch" (z.B. Votum Nationalrätin Gilli, AB 2013 N 740; Bericht vom 11. Februar 2013 der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates [SGKS] zur Parlamentarischen Initiative Kostenbeteiligung bei Mutterschaft. Gleichbehandlung [BBl 2013 2459 ff., 2460]). Auch um diesbezügliche Abgrenzungsfragen zu vermeiden, wurden nebst den "Leistungen nach Art. 29 Abs. 2" (lit. a) nunmehr auch "Leistungen nach den Artikeln 25 und 25a" (lit. b) von der Kostenbeteiligungspflicht gegenüber den Versicherern ausgenommen.
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7.2. Die gleichen - unpraktikablen - Abgrenzungen wären indes auch mit Bezug auf den Umfang der kantonalen Restfinanzierungspflicht vorzunehmen, wollte man (wie dies im Kanton Luzern offenbar der Praxis entspricht) Leistungen bei Mutterschaft, anders als allgemeine Pflegeleistungen, von der Restfinanzierungspflicht der öffentlichen Hand ausklammern. Es wäre aber nicht nur gleichermassen unpraktikabel, sondern darüber hinaus auch widersprüchlich, im Rahmen der Finanzierungsordnung eine Abgrenzung zu verlangen und vorzunehmen, welche sich bei der Befreiung von der Kostenbeteiligung als nicht durchführbar erwies. Dass die Neufassung von Art. 64 Abs. 7 KVG erst am 1. März 2014 in Kraft getreten ist, während die streitigen Leistungen bereits im März 2013 erbracht worden waren, bleibt für die grundsätzliche Abgrenzungsproblematik ohne Belang.
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7.3. Darüber hinaus zählen nach dem klaren Gesetzeswortlaut Leistungen während des Aufenthaltes bei Entbindung in einem Geburtshaus ohne weiteres zu den allgemeinen Leistungen bei Krankheit (Art. 25 Abs. 2 lit. f
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7.4. Zu beachten gilt es darüber hinaus Folgendes: Wären die Pflegeleistungen, welche nicht bei Krankheit, sondern im Wochenbett durch als Leistungserbringer anerkannte Pflegefachleute erbracht werden, von der Restfinanzierungspflicht der öffentlichen Hand ausgenommen, hätte dies zur Folge, dass jedenfalls in Kantonen, welche die Kostenbeteiligung der Versicherten nicht zu den ungedeckten Pflegekosten rechnen (wobei auf die diesbezügliche, kantonal unterschiedlich geregelte Praxis hier nicht näher einzugehen ist), lediglich der Beitrag der Sozialversicherung entschädigt würde, der in aller Regel nicht kostendeckend sein dürfte (vgl. vorangehende E. 5). Eine solche Praxis widerspräche klar den Intentionen des Gesetzgebers. Eine nicht kostendeckende Entschädigung der freiberuflichen Pflegefachleute würde einem Versorgungsengpass in der ambulanten Wochenbettbetreuung Vorschub leisten und damit die gesetzgeberisch verfolgte (allgemeine) Strategie "ambulant vor stationär" gefährden. Sodann entspricht es einem - unlängst mit der Neufassung von Art. 64 Abs. 7 KVG erneut bekräftigten - gesetzgeberischen Ziel, Leistungen bei Mutterschaft aus gesellschafts- und sozialpolitischen Gründen auszubauen (vgl. z.B. den in E. 7.1 hievor zitierten Bericht der SGKS [BBl 2013 2459 ff., 2464]). Die zu befürchtende Abwanderung qualifizierter freiberuflicher Pflegefachleute aus der ambulanten Wochenbettpflege bei einer Unterbezahlung führte aber zu einer entsprechend schlechteren Versorgungslage der Mütter, was umso problematischer ist, als sich in den letzten Jahren generell eine Leistungsverlagerung in den ambulanten Bereich der medizinischen Versorgung abzeichnet.
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7.5. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Wochenbettpflegeleistungen der Beschwerdeführerin der Restfinanzierungspflicht gemäss Art. 25a Abs. 5 KVG unterliegen. Die Beschwerdegegnerin hat somit für die entsprechenden ungedeckten Kosten aufzukommen (Art. 25a Abs. 5 KVG). Die Beschwerde ist gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben. Die Sache ist an das kantonale Gericht zurückzuweisen, damit es über die Höhe des offenen Restbetrages befinde.
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8. Die Gerichtskosten sind dem Ausgang des Verfahrens entsprechend der Beschwerdegegnerin zu überbinden (Art. 65 Abs. 4 lit. a in Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Da es um ihr Vermögensinteresse geht, kann sie sich nicht auf Art. 66 Abs. 4 BGG berufen (z.B. Urteil 8C_701/2013 vom 14. März 2014 E. 6 mit Hinweis). Sie hat der anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin zudem eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Kantonsgerichts Luzern, 3. Abteilung, vom 10. Juli 2014, wird aufgehoben. Die Beschwerdegegnerin wird verpflichtet, die Restfinanzierung der von der Beschwerdeführerin erbrachten Leistungen zu übernehmen. Die Sache wird an das Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, zurückgewiesen, damit es über die Höhe der Restfinanzierung befinde.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
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3. Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 17. Juni 2015
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Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Die Präsidentin: Glanzmann
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Die Gerichtsschreiberin: Bollinger Hammerle
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