BGer 4A_264/2015 |
BGer 4A_264/2015 vom 10.08.2015 |
{T 0/2}
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4A_264/2015
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Urteil vom 10. August 2015 |
I. zivilrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
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Bundesrichterinnen Klett, Niquille,
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Gerichtsschreiber Brugger.
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Verfahrensbeteiligte |
1. A.A.________,
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2. B.A.________,
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handelnd durch A.A.________,
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3. C.A.________,
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handelnd durch A.A.________,
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4. D.A.________,
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handelnd durch A.A.________,
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alle vier vertreten durch Fürsprecher Peter Bezzola,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Versicherung E.________ AG,
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vertreten durch Fürsprecher Franz Müller,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Vorprozessuale Anwaltskosten,
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Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Zivilabteilung, 1. Zivilkammer, vom 26. März 2015.
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Sachverhalt: |
A. |
Der Ehemann von A.A.________ (Klägerin 1, Beschwerdeführerin 1) und Vater von B.A.________, C.A.________ und D.A.________ (Kläger 2 - 4, Beschwerdeführer 2 - 4) trug am 15. August 2009 mit einem landwirtschaftlichen Motorkarren (Transporter mit einem Druckfassaufbau) Jauche aus. Dabei erlitt er einen Unfall, an dessen Folgen er am 16. August 2009 verstarb.
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B. |
Mit Klage vom 21. März 2013 beantragten die Kläger dem Regionalgericht Oberland, die Beklagte sei zur Zahlung folgender Beträge zu verpflichten:
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- der Klägerin 1 Fr. 365'742.--
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- der Klägerin 2 Fr. 60'596.--
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- dem Kläger 3 Fr. 65'892.--
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- der Klägerin 4 Fr. 93'718.--.
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An der Hauptverhandlung änderten sie diese Beträge wie folgt:
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- der Klägerin 1 Fr. 362'937.--
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- der Klägerin 2 Fr. 61'464.--
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- dem Kläger 3 Fr. 67'046.--
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- der Klägerin 4 Fr. 95'970.--.
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Die Beklagte verlangte die Klageabweisung soweit einen gerichtlich zu bestimmenden, Fr. 50'000.-- nicht erreichenden Betrag übersteigend (gesamthaft für alle Kläger).
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1. Die Berufungsklägerin wird zur Zahlung folgender Beträge verurteilt (inklusive des anerkannten Betrages von CHF 37'521.00 und nach Abzug der Teilzahlung von CHF 10'000.00) :
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- an die Berufungsbeklagten 1 - 4: CHF 18'563.00 zzgl. Zins zu 5% seit 16.8.2009 (Todesfallkosten);
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- an die Berufungsbeklagte 1: CHF 30'000.00 zzgl. Zins zu 5% seit 1.2.2010 (Genugtuung) sowie CHF 926.25 (Zins zu 5% von 16.8.2009 bis 1.2.2010 auf CHF 40'000.00);
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- an die Berufungsbeklagte 2: CHF 28'000.00 zzgl. Zins zu 5% seit 16.8.2009;
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- an den Berufungsbeklagten 3: CHF 28'000.00 zzgl. Zins zu 5% seit 16.8.2009;
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- an die Berufungsbeklagte 4: CHF 28'000.00 zzgl. Zins zu 5% seit 16.8.2009.
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2. Soweit weitergehend, wird die Klage auf Schadenersatz für Bestattungs- und weitere Kosten, für Genugtuung sowie für vorprozessuale Anwaltskosten abgewiesen.
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3. - 6.
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1. Auf die Berufung wird nicht eingetreten.
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2. - 4."
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C. |
Die Beschwerdeführer beantragen mit Beschwerde in Zivilsachen, die Dispositivziffer I.2 des Urteils des Obergerichts sei aufzuheben und die Beschwerdegegnerin zu verurteilen, den Beschwerdeführern für vorprozessuale Anwaltskosten Fr. 36'648.60 nebst Zins zu 5 % seit 27. Dezember 2010 zu bezahlen. Zudem seien in Aufhebung der Dispositivziffern I.3, I.4 und I.5 des Urteils des Obergerichts die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtskosten dem Ausgang des bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahrens entsprechend neu der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen und diese sei zur Leistung einer Parteientschädigung für das kantonale Verfahren zu verpflichten. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung und Neufestsetzung der Gerichts- und Parteikostentragung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Erwägungen: |
1. |
Die Beschwerdeführer fechten (abgesehen von den ausgangsgemässen Kosten- und Entschädigungsfolgen) lediglich die Dispositivziffer I.2 des Entscheids des Obergerichts an, wobei sie sich einzig gegen die darin ausgesprochene Abweisung des geltend gemachten Ersatzanspruchs für vorprozessuale Anwaltskosten richten. Beim insoweit angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen Teilentscheid, der als Variante des Endentscheids der selbständigen Beschwerde unterliegt (Art. 91 lit. a BGG). Der Streitwert übersteigt die Grenze von Fr. 30'000.--, so dass sich die Beschwerde in Zivilsachen als zulässig erweist (vgl. Art. 51 Abs. 1 lit. b BGG und Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist unter Vorbehalt einer hinreichenden Begründung (Erwägung 2) grundsätzlich auf die Beschwerde einzutreten.
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2. |
2.1. Mit Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und 96 BGG gerügt werden. Die Beschwerde ist hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht eingetreten. In der Beschwerdeschrift ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Unerlässlich ist, dass die Beschwerde auf die Begründung des angefochtenen Entscheids eingeht und im Einzelnen aufzeigt, worin eine Verletzung von Bundesrecht liegt. Die beschwerdeführende Partei soll in der Beschwerdeschrift nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die sie im kantonalen Verfahren eingenommen hat, erneut bekräftigen, sondern mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (BGE 140 III 86 E. 2 S. 89, 115 E. 2 S. 116).
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2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2 S. 117; 135 III 397 E. 1.5). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG).
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3. |
Vor Bundesgericht ist einzig die Forderung für "vorprozessuale Anwaltskosten" umstritten.
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4. |
4.1. Die Vorinstanz verwarf den von der Erstinstanz zugesprochenen Ersatzanspruch für vorprozessuale Anwaltskosten über Fr. 36'648.60 nebst Zins mit mehreren Begründungen:
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4.2. Beruht der angefochtene Entscheid auf mehreren selbständigen Begründungen, die je für sich den Ausgang des Rechtsstreits besiegeln, so hat der Beschwerdeführer darzulegen, dass jede von ihnen Recht verletzt; andernfalls kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden (BGE 138 III 728 E. 3.4 S. 735; 133 IV 119 E. 6.3 S. 120 f.; vgl. auch 139 II 233 E. 3.2 S. 236; 136 III 534 E. 2).
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4.2.1. Bezüglich der Hauptbegründung mangelnder Substanziierung beanstanden sie zunächst die Feststellung der Vorinstanz in Erwägung 11.1, die Kläger hätten in der Klageschrift (Art. 3 Ziffer 6) zu den vorprozessualen Anwaltskosten "nichts Näheres ausgeführt", als aktenwidrig. Die Klagebeilage 27 erörtere die vorprozessualen Anwaltskosten in alle Einzelheiten.
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4.2.2. Sodann werfen sie der Vorinstanz überspitzten Formalismus (Art. 29 Abs. 2 BV), Willkür (Art. 9 BV) sowie eine Verletzung von Art. 55 Abs. 1 ZPO und Art. 221 Abs. 1 lit. d und e ZPO vor, weil sie verlangte, dass die einzelnen Positionen der geltend gemachten Ersatzforderung für vorprozessuale Anwaltskosten in den Rechtsschriften oder im ersten Parteivortrag konkretisiert würden, und festhielt, es sei nicht Aufgabe des Gerichts, die Sachdarstellung einer Partei aus den Beilagen zusammenzusuchen. Sie meinen, eine Darlegung und Konkretisierung der tatsächlichen Aufwendungen im Volltext der Klage oder gar an einem mündlichen Parteivortrag sei gar nicht möglich, "ohne das Ganze ad absurdum zu führen". Bei der Honorarnote handle es sich um
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4.2.3. Damit erübrigt sich eigentlich, auf die Kritik der Beschwerdeführer gegen die Eventualbegründung der Vorinstanz einzugehen, wonach selbst bei Durchsicht von Klagebeilage 27 in dem Sinne, dass diese als "Tatsachenbehauptung" zu betrachten wäre, noch keine hinreichende Substanziierung auszumachen ist. Es sei jedoch erwähnt, dass auch diese Eventualbegründung bundesrechtlich nicht zu beanstanden ist:
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4.3. Zusammenfassend vermögen die Beschwerdeführer die obergerichtlichen Erwägungen zur Ablehnung der Forderung für vorprozessuale Anwaltskosten nicht als bundesrechtswidrig auszuweisen, soweit auf ihre Rügen im Hinblick auf eine rechtsgenügliche Begründung überhaupt eingetreten werden kann.
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5. |
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend werden die Beschwerdeführer kosten- und entschädigungspflichtig, in solidarischer Haftbarkeit (Art. 66 Abs. 1 und 5 sowie Art. 68 Abs. 2 und 4 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt, in solidarischer Haftbarkeit.
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3. Die Beschwerdeführer haben die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen, in solidarischer Haftbarkeit.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Zivilabteilung, 1. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 10. August 2015
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Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Die Präsidentin: Kiss
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Der Gerichtsschreiber: Brugger
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