Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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{T 0/2}
2C_395/2015
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Urteil vom 23. November 2015
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Bundesrichter Stadelmann,
Gerichtsschreiberin Fuchs.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Pius Buchmann,
gegen
Amt für Migration des Kantons Luzern,
Justiz- und Sicherheitsdepartement des
Kantons Luzern.
Gegenstand
Widerruf der Niederlassungsbewilligung,
Beschwerde gegen das Urteil des
Kantonsgerichts Luzern, 4. Abteilung,
vom 19. März 2015.
Erwägungen:
1.
1.1. Der serbische Staatsangehörige kosovarischer Abstammung A.________ wurde 1990 in der Schweiz geboren und lebte ununterbrochen hier. Seit dem 24. Juni 2003 verfügt er über eine Niederlassungsbewilligung.
1.2. Ab dem 13. Altersjahr trat A.________ mehrfach strafrechtlich in Erscheinung. Das Amt für Migration des Kantons Luzern erliess daher am 29. Mai 2009 eine formelle Verwarnung. Mit Urteil vom 7. November 2013 sprach ihn das Kriminalgericht des Kantons Luzern des versuchten Raubs, des unerlaubten Erwerbs, Besitzes und Tragens von Waffen, des mehrfachen vorsätzlichen und unbefugten Erwerbs sowie der mehrfachen vorsätzlichen und unbefugten Veräusserung von Betäubungsmitteln (Heroin), begangen als schwerer Fall, schuldig und bestrafte ihn, bei Annahme einer im mittleren Grade verminderten Schuldfähigkeit, zu einer Freiheitsstrafe von 48 Monaten. Der Beschwerdeführer trat den Strafvollzug vorzeitig im November 2012 an. Der Vollzug der stationären Massnahme nach Art. 60 StGB begann am 7. November 2013. Wegen zahlreichen Fluchten (insgesamt 109 Fluchttage), wobei er wiederum straffällig wurde, und mangelnder Motivation wurde die Massnahme wegen Aussichtslosigkeit am 19. Dezember 2014 aufgehoben. Der Staatsanwaltschaft wurde empfohlen, beim Gericht Antrag auf Vollzug der Reststrafe zu stellen.
1.3. Am 3. Juli 2014 widerrief das Amt für Migration die Niederlassungsbewilligung und wies A.________ aus der Schweiz weg. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos (Entscheid des Justiz- und Sicherheitsdepartements des Kantons Luzern vom 26. November 2014; Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 19. März 2015).
1.4. A.________ erhebt am 8. April (recte: Mai) 2015 Beschwerde beim Bundesgericht mit dem Antrag, das Urteil vom 19. März 2015 aufzuheben und auf den Widerruf der Niederlassungsbewilligung zu verzichten. Eventualiter sei die Sache zu weiteren Abklärungen und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Kantonsgericht und das Staatssekretariat für Migration schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Justiz- und Sicherheitsdepartement und das Amt für Migration haben sich nicht vernehmen lassen.
2.
Gegen den Widerruf der Niederlassungsbewilligung ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4). Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet, so dass sie im Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG mit summarischer Begründung zu erledigen ist.
2.1. Die Vorinstanz erachtete angesichts der Freiheitsstrafe von 48 Monaten einen Widerrufsgrund nach Art. 63 Abs. 2 AuG (SR 142.20) i.V.m. Art. 63 Abs. 1 lit. b AuG und Art. 62 lit. b AuG als gegeben, was vom Beschwerdeführer zu Recht nicht bestritten wird. Er macht einzig geltend, der Widerruf der Niederlassungsbewilligung sei unverhältnismässig und beruft sich im Wesentlichen auf die Beziehung zu seiner Familie und zu seiner Verlobten. Es bleibt daher die Verhältnismässigkeit der Massnahme im Sinne von Art. 96 AuG und Art. 8 Ziff. 2 EMRK zu prüfen.
2.2. Mit der Vorinstanz ist infolge der wiederholten Delinquenz von einem erheblichen öffentlichen Interesse am Widerruf der Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers auszugehen. Dieser ist seit seinem 13. Lebensjahr immer wieder straffällig geworden und wurde insgesamt zehn Mal, vorwiegend wegen Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz, verurteilt. Dem Urteil vom 7. November 2013 zufolge wiegen die strafbaren Handlungen schwer. Er delinquierte über einen Zeitraum von rund zweieinhalb Jahren, beging einen versuchten Raub, Widerhandlungen gegen das Waffengesetz, betätigte sich als Drogenhändler und brachte als solcher eine Menge von fast 5.5 kg Heroingemisch in den Verkehr. Er delinquierte auch noch weiter, nachdem er durch die Polizei zu Heroineinkäufen befragt und diesbezüglich eine Strafuntersuchung gegen ihn eröffnet worden war.
Es zeigt sich somit, dass der Beschwerdeführer immer wieder, selbst während des laufenden Massnahmevollzugs, Straftaten beging und insbesondere wegen Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz mehrfach verurteilt wurde. Auch die ausdrückliche Verwarnung durch das Amt für Migration vom 29. Mai 2009 konnte ihn nicht von der letztlich verfahrensauslösenden Tat abhalten. Mit seinen Handlungen hat der Beschwerdeführer eine Gefahr für die Gesundheit vieler Menschen in Kauf genommen (vgl. die strenge Rechtsprechung des Bundesgerichts bei schwerwiegenden Drogendelikten, statt vieler BGE 139 I 31 E. 2.3.2 S. 34 mit Hinweisen). Er liess somit mehrere Chancen ungenutzt und nahm den Widerruf der Bewilligung bewusst in Kauf.
Soweit der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe unrechtmässig die beantragten Führungs- und Arztberichte verweigert, die seine Besserung nachweisen sollten, durfte die Vorinstanz nach dem soeben Dargelegten die Beweisanträge in antizipierter Beweiswürdigung abweisen, ohne in Willkür zu verfallen. Das Verhalten des Beschwerdeführers im Massnahmevollzug hatte dazu geführt, dass nur kurz vor dem vorinstanzlichen Urteil, mit rechtskräftigem Entscheid vom 19. Dezember 2014, die stationäre Massnahme wegen Aussichtslosigkeit aufgehoben worden war. Die Vorinstanz hat sich in ihrem Entscheid zudem ausführlich mit der (schlechten) Prognose sowohl betreffend das deliktische als auch das suchtrelevante Verhalten des Beschwerdeführers auseinandergesetzt. Die nachträglich eingereichte Verfügung des Kriminalgerichts vom 27. April 2015, mit der eine ambulante Massnahme nach Art. 63 StGB angeordnet wird, ist als echtes Novum unbeachtlich (Art. 99 Abs. 1 BGG, BGE 139 III 120 E. 3.1.2 S. 123; 133 IV 342 E. 2.1 S. 343 f.). Die Vorinstanz hat weder Art. 29 Abs. 2 BV noch den - ohnehin nicht einschlägigen (vgl. Urteile 2D_53/2014 vom 23. Juli 2014 E. 2.2; 2C_1033/2013 vom 4. Juli 2014 E. 2; je mit Hinweisen) - Art. 6 Ziff. 2 (gemeint wohl Ziff. 3) lit. d EMRK verletzt.
2.3. Das Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib in der Schweiz ergibt sich vor allem aus der Tatsache, dass er hier geboren und aufgewachsen ist. Seine engsten Familienmitglieder leben hier, während er offenbar weder in Serbien noch im Kosovo Verwandte oder Bekannte hat und sich dort auch nie aufgehalten habe. Es ist aber davon auszugehen - und wird von ihm nicht bestritten - dass er der Landessprache mächtig ist und diese angesichts seines noch jungen Alters - zum Zeitpunkt des angefochtenen Urteils war er 24-jährig - gegebenenfalls auch noch vertiefter erlernen kann. Es wird zweifellos nicht einfach für ihn sein, sich in seinem Herkunftsland ein neues Leben aufzubauen. Freilich müsste er auch in der Schweiz ausserhalb des Drogenmilieus Fuss fassen und dürfte einige Schwierigkeiten zu bewältigen haben. So war ihm bisher eine berufliche Integration nicht gelungen und er musste, nebst dem er teilweise Sozialhilfeleistungen bezog, von den Eltern finanziell unterstützt werden.
Bezüglich des Verhältnisses zur Familie erachtete die Vorinstanz die für eine Berufung auf Art. 8 EMRK erforderliche besondere Abhängigkeit des volljährigen Beschwerdeführers zu Recht nicht als gegeben (vgl. BGE 139 II 393 E. 5.1 S. 402; 137 I 154 E. 3.4.2 S. 159). In privater Hinsicht ist neben den Kontakten zu seiner Familie im Wesentlichen lediglich die Beziehung zu seiner Verlobten mit Schweizer Bürgerrecht zu nennen. Das Bundesgericht setzt in diesem Zusammenhang für die Berufung auf Art. 8 Ziff. 1 EMRK stets voraus, dass die partnerschaftliche Beziehung seit Langem eheähnlich gelebt wird oder konkrete Hinweise auf eine unmittelbar bevorstehende Hochzeit hindeuten (Urteile 2C_208/2015 vom 24. Juni 2015 E. 1.2; 2C_856/2012 vom 25. März 2013 E. 6.3; je mit Hinweisen). Schon die Vorinstanz hat festgehalten, konkrete Angaben zur Beziehung, die offenbar erst im oder allenfalls unmittelbar vor Antritt des Strafvollzugs im Herbst 2012 entstanden sein könne, würden fehlen. Sie sah daher zu Recht weder eine tatsächlich gelebte Beziehung von einer gewissen Intensität noch konkrete Schritte hinsichtlich einer Heirat als nachgewiesen. Soweit der Beschwerdeführer vor Bundesgericht geltend macht, seine Verlobte habe ihm mitgeteilt, schwanger von ihm zu sein, ist auch dieser, erst nach dem angefochtenen Urteil bekannt gewordene Umstand als echtes Novum unzulässig und nicht weiter zu berücksichtigen.
2.4. Die Vorinstanz hat somit die massgebenden Kriterien für einen Widerruf der Niederlassungsbewilligung korrekt dargestellt, sich mit allen relevanten Aspekten ausführlich auseinandergesetzt, die lange Anwesenheitsdauer des Beschwerdeführers gewürdigt und das Gesetz sowie die Rechtsprechung des Bundesgerichts richtig angewendet.
3.
Aufgrund der dargelegten Umstände erweist sich der Widerruf der Niederlassungsbewilligung als verhältnismässig. Dies führt zur Abweisung der Beschwerde. Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die (umständehalber reduzierten) Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Angesichts der Aussichtslosigkeit der Beschwerde ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Ausgangsgemäss ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonsgericht Luzern, 4. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 23. November 2015
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Zünd
Die Gerichtsschreiberin: Fuchs