BGer 8C_602/2015
 
BGer 8C_602/2015 vom 12.01.2016
{T 0/2}
8C_602/2015
 
Urteil vom 12. Januar 2016
 
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold.
 
Verfahrensbeteiligte
Beschwerdeführer,
gegen
Einwohnergemeinde Thun, Abteilung Soziales, Hofstettenstrasse 14, 3602 Thun,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Sozialhilfe,
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 22. Juli 2015.
 
Sachverhalt:
A. A.________ bezog ab August 2006 Sozialhilfe. Die Einwohnergemeinde Thun (nachfolgend: Gemeinde) forderte ihn mit Weisung vom 10. März 2014 auf, verschiedene Unterlagen zu den über 40 Autos, welche seit Beginn des Sozialhilfebezugs auf seinen Namen eingelöst worden seien, einzureichen. A.________ liess der Gemeinde einen Kontoauszug seiner Bank sowie ein Schreiben seines Bruders zukommen. Mit Verfügung vom 2. April 2014 verneinte die IV-Stelle des Kantons Bern mangels ausgewiesener Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung. Die Gemeinde erliess am 24. Juni 2014 erneut eine Weisung zur Einreichung weiterer Unterlagen zur Klärung seiner finanziellen Situation, da weitere Autos eingelöst worden seien. Weil A.________ diese Aufforderung nicht befolgte, wurde er am 16. Juli 2014 zum Einreichen dieser Unterlagen bis Ende Juli 2014 ermahnt. In der Folge gab er verschiedene Unterlagen zu den Akten. Am 7. August 2014 (Postaufgabe: 13. August 2014) stellte die Gemeinde die Sozialhilfeleistungen wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht und Zweifeln an der Bedürftigkeit per 31. Juli 2014 ein.
Das Regierungsstatthalteramt Thun bestätigte dies mit Entscheid vom 12. November 2014.
B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern am 22. Juli 2015 ab.
C. A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, der Entscheid vom 22. Juli 2015 und die Verfügung vom 7. August 2014 seien aufzuheben. Zudem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).
1.2. Nach Art. 105 BGG legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Abs. 1). Es kann diese Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Abs. 2). Die Voraussetzungen für eine Sachverhaltsrüge nach Art. 97 Abs. 1 BGG und für eine Berichtigung des Sachverhalts von Amtes wegen nach Art. 105 Abs. 2 BGG stimmen im Wesentlichen überein. Soweit es um die Frage geht, ob der Sachverhalt willkürlich oder unter verfassungswidriger Verletzung einer kantonalen Verfahrensregel ermittelt worden ist, sind strenge Anforderungen an die Begründungspflicht der Beschwerde gerechtfertigt. Entsprechende Beanstandungen sind vergleichbar mit den in Art. 106 Abs. 2 BGG genannten Rügen. Demzufolge genügt es nicht, einen von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten. Vielmehr ist in der Beschwerdeschrift nach den erwähnten gesetzlichen Erfordernissen darzulegen, inwiefern diese Feststellungen willkürlich bzw. unter Verletzung einer verfahrensrechtlichen Verfassungsvorschrift zustande gekommen sind. Andernfalls können Vorbringen mit Bezug auf einen Sachverhalt, der von den Feststellungen im angefochtenen Entscheid abweicht, nicht berücksichtigt werden. Vorbehalten bleiben offensichtliche Sachverhaltsmängel im Sinne von Art. 105 Abs. 2 BGG, die dem Richter geradezu in die Augen springen (BGE 133 IV 286 E. 6.2 S. 288; 133 II 249 E. 1.4.3 S. 255).
2. Streitig ist, ob die Gemeinde die Sozialhilfeleistungen infolge Meldepflichtverletzung sowie mangels Bedürftigkeit zu Recht eingestellt hat.
3. Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über das Recht auf Hilfe in Notlagen (Art. 12 BV; BGE 131 I 166 E. 3.1 S. 172; 130 I 71 E. 4.1 S. 74), den kantonalrechtlichen Anspruch auf persönliche und wirtschaftliche Sozialhilfe (Art. 23 des bernischen Gesetzes vom 11. Juni 2001 über die öffentliche Sozialhilfe [Sozialhilfegesetz, SHG; BSG 860.1]) sowie den in der Sozialhilfe allgemein geltenden Grundsatz der Subsidiarität (vgl. statt vieler BGE 131 I 166 E. 3.1 S. 172; 130 I 71 E. 4.1 S. 74 sowie Art. 9 SHG) zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für die Mitwirkungspflicht (Art. 28 Abs. 1 SHG; Art. 20 des bernischen Gesetzes vom 23. Mai 1989 über die Verwaltungsrechtspflege [VRPG; BSG 155.21]). Darauf wird verwiesen.
 
4.
4.1. Die Vorinstanz hat festgestellt, eine Anfrage beim Strassenverkehrsamt habe ergeben, dass seit Beginn der Unterstützung über 40 Autos für kürzere Zeit auf den Namen des Beschwerdeführers eingelöst worden seien, weshalb er am 10. März 2014 angewiesen worden sei, diverse Unterlagen dazu einzureichen. Dieser habe anlässlich der mündlichen Anhörung vom 10. März 2014 geltend gemacht, die Autos würden seinem Bruder gehören, welcher damit handle; er werde dafür sorgen, dass das in Zukunft unterbleibe. In der Folge legte er einen Auszug seines Bankkontos sowie eine Stellungnahme seines Bruders auf, welcher bestätigte, die Autos für seine Zwecke bis zum Aufgebot der Motorfahrzeugkontrolle gebraucht und hernach umgetauscht zu haben. Eine weitere Anfrage beim Strassenverkehrsamt vom 5. Juni 2014 habe ergeben, dass erneut Autos auf den Namen des Beschwerdeführers eingelöst worden seien, weshalb er am 24. Juni 2014 zur Beibringung weiterer Unterlagen aufgefordert worden sei. Dieser habe am 15. Juli 2014 wiederum einen Auszug seines Bankkontos sowie eine Police der Motorfahrzeugversicherung samt Zahlungserinnerung eingereicht. Zudem habe er geltend gemacht, er sowie die Mitarbeiter seines Bruders hätten jeweils auf Kosten des Bruders die Autos benutzen dürfen. Sein Bruder habe die alten Autos ab Platz gekauft, bis zur Aufforderung zur Motorfahrzeugkontrolle behalten und hernach umgetauscht. Da es sich um Autos von geringem Wert gehandelt hätte, bestünden keine Verträge. Das Vorgehen habe etwa drei Jahre gedauert, bis die Firma des Bruders in finanzielle Schwierigkeiten geraten sei; danach habe er nur noch drei bis vier Autos im Jahr benötigt. Am 7. August 2014 habe die Gemeinde die Sozialhilfeleistungen wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht und den damit verbundenen Zweifeln an der Bedürftigkeit per 31. Juli 2014 eingestellt. Der Beschwerdeführer habe sich weiterhin auf den Standpunkt gestellt, er habe seine Mitwirkungspflicht erfüllt; er könne nicht etwas beibringen, was nicht bestehe. Vor Verwaltungsgericht habe er bestritten, dass er oder sein Bruder mit den Autos gehandelt hätten, und habe weitere Unterlagen (neun Quittungen, drei Bestellscheine, vier Kaufverträge, sechs Fahrzeugausweise) aufgelegt.
Gestützt auf diesen Sachverhalt, wonach in der Zeit zwischen Dezember 2006 und Mai 2014 insgesamt 55 Autos auf den Namen des Beschwerdeführers eingelöst worden seien, bestehe der Verdacht des Autohandels. Die von der Gemeinde angeforderten Unterlagen wie Kauf- und Verkaufverträge, Versicherungspolicen, etc., seien geeignet gewesen, den Sachverhalt zu klären. Die eingereichten Unterlagen vermöchten jedoch nicht zu klären, wer wann welche Autos erworben habe und was mit diesen letztlich geschehen sei; dies sei nur für einen kleinen Teil der Autos dokumentiert. Auch bestünden Zweifel an der Echtheit der nachgereichten Unterlagen, habe der Beschwerdeführer doch früher gesagt, die Unterlagen seien nicht mehr vorhanden, und ein Schriftstück sei von einer Garage ausgestellt worden, welche zu diesem Zeitpunkt infolge Konkurses bereits nicht mehr bestanden habe. Die Aussage des Beschwerdeführers, jede Police sei gleich und er habe diese bereits eingereicht, sei unzutreffend, werde doch für das Einlösen eines jeden Autos ein neuer Versicherungsnachweis verlangt. Soweit er mangels Schriftlichkeit keine Verträge vorweisen könne, wäre es ihm zumutbar gewesen, dies anderweitig zu dokumentieren. Zudem habe er, obwohl ihm nach dem 10. März 2014 die Notwendigkeit des schriftlichen Nachweises bewusst sein musste, weitere Autos eingelöst, ohne entsprechende Belege vorweisen zu können. Letztlich sei der Grund, weshalb die Autos auf den Beschwerdeführer und nicht auf dessen Bruder eingelöst worden seien, bis anhin nicht dargelegt worden. Auch habe der Bruder trotz seines Sozialhilfebezugs ab März 2014 weiterhin Autos eingelöst. Weiter sei die Angabe, die Autos seien bis zur Aufforderung zur Motorfahrzeugkontrolle gefahren worden, nicht glaubhaft, da bei zahlreichen Fahrzeugen die letzte Kontrolle weniger als zwei Jahre zurückliege, so dass keine neue Aufforderung habe anstehen können. Nach dem Gesagten habe der Beschwerdeführer den Verdacht des Autohandels nicht ausräumen können und trotz Zumutbarkeit die notwendigen Unterlagen nicht beigebracht, weshalb zu Recht eine Verletzung der Mitwirkungspflicht bejaht worden sei. Gestützt auf die Aktenlage seien seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse unklar, weshalb seine Bedürftigkeit nicht erstellt sei, wofür er die Beweislast trage. Die Leistungseinstellung sei somit gerechtfertigt.
4.2. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, vermag zu keinem anderen Ergebnis zu führen.
Insbesondere ist die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nicht zu beanstanden. Denn für eine Korrektur nach Art. 105 Abs. 2 BGG reicht es nicht aus, dass der vorinstanzliche Sachverhalt als falsch bezeichnet wird, sondern es muss dargelegt werden, inwiefern dieser willkürlich resp. unter Verletzung von Verfahrensvorschriften erstellt worden ist (vgl. E. 1.2). Der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwiefern die Vorinstanz die kantonalrechtlichen Verfahrensbestimmungen - namentlich zur Beweiswürdigung - in Verletzung einer bundesrechtlichen Norm angewendet hätte. Auch hat die Vorinstanz weder verkannt, dass sämtliche Autos mit demselben (Wechsel-) Schild eingelöst wurden noch dass die Versicherungspolicen nicht gleichzeitig bestanden haben. Zudem ist nicht zu beanstanden, dass sie von Widersprüchen in der Darstellung des Beschwerdeführers ausging; diese sind vielmehr nachvollziehbar belegt.
Soweit sich die Einwände gegen den Entscheid des Regierungsstatthalters richten, sind sie unbehelflich, da nicht dieser, sondern der Entscheid des Verwaltungsgerichts Anfechtungsgegenstand ist.
Soweit der Beschwerdeführer rügt, die Mitwirkungspflicht sei nicht verletzt, da die verlangten Beweismittel objektiv gar nicht (re-) produzierbar seien, kann ihm nicht gefolgt werden. Einerseits hält die Vorinstanz zu Recht fest, dass ihm nebst Urkunden auch andere Beweismittel zur Verfügung gestanden hätten; auch hätte er bei der Versicherung Kopien der bei ihm nicht mehr vorhandenen Versicherungsnachweise anfordern können. Andererseits ist nicht nachvollziehbar, weshalb er nicht einmal für die nach Erlass der Weisung vom 10. März 2014 eingelösten Autos die entsprechenden Belege (z.B. Kopien der Versicherungsnachweise) einzureichen vermag, mussten ihm die Folgen zu diesem Zeitpunkt doch klar sein. Insgesamt ist die Bejahung der verletzten Mitwirkungspflicht nicht als willkürlich zu bezeichnen, sondern es liegen sachliche Gründe dafür vor.
Weiter ist der Schluss, der Beschwerdeführer habe die Folgen des fehlenden Nachweises seiner (angeblichen) Bedürftigkeit zu tragen, nicht bundesrechtswidrig. Nach der Rechtsprechung schliesst der Untersuchungsgrundsatz die Beweislast im Sinne einer Beweisführungslast zwar aus; die Parteien tragen in der Regel eine Beweislast aber insofern, als im Falle der Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten jener Partei ausfällt, die aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt Rechte ableiten will (vgl. dazu auch Rudolf Ursprung/Dorothea Riedi Hunold, Verfahrensgrundsätze und Grundrechtsbeschränkungen in der Sozialhilfe, ZBl 2015 412).
Schliesslich liegt auch keine Verletzung des Art. 12 BV vor, da sich der Beschwerdeführer mangels ausgewiesener Bedürftigkeit nicht in einer Notlage befindet (vgl. BGE 130 I 71 E. 4.3 S. 75).
5. Da die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist, wird sie im Verfahren nach Art. 109 BGG, d.h. ohne Durchführung eines Schriftenwechsels und mit summarischer Begründung, erledigt.
6. Das Bundesgericht gewährt einer Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag die unentgeltliche Rechtspflege, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos ist (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist infolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen.
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Der unterliegende Beschwerdeführer hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3. Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Regierungsstatthalteramt von Thun schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 12. Januar 2016
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Maillard
Die Gerichtsschreiberin: Riedi Hunold