BGer 2C_731/2015
 
BGer 2C_731/2015 vom 19.02.2016
{T 0/2}
2C_731/2015
 
Urteil vom 19. Februar 2016
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Stadelmann, Haag,
Gerichtsschreiberin Genner.
 
Verfahrensbeteiligte
1. A.________,
2. B.________,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Marc Spescha,
Beschwerdeführer,
gegen
Migrationsamt des Kantons Zürich,
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich.
Gegenstand
Aufenthaltsbewilligung / Familiennachzug (Wiedererwägungsgesuch),
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4. Abteilung, vom 22. Juni 2015.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Der kosovarische Staatsangehörige A.________ (geb. am 1. Januar 1964) hatte in der Schweiz mehrere erfolglose Asylverfahren durchlaufen. Sein Gesuch um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung wies das Migrationsamt des Kantons Aargau wegen Eingehens einer Scheinehe mit einer Schweizer Bürgerin am 24. April 2006 ab; die dagegen erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos (Urteil des Bundesgerichts 2A.772/2006 vom 29. Januar 2007).
Am 17. Oktober 2008 heiratete A.________ die aus Brasilien stammende Schweizer Bürgerin B.________ (geb. am 14. Juli 1945). Das Migrationsamt des Kantons Zürich wies sein Gesuch um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung am 7. April 2009 mit der Begründung ab, er sei erneut eine Scheinehe eingegangen. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos (Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 4. Februar 2010).
Am 23. März 2010 stellten A.________ und B.________ beim Migrationsamt ein Wiedererwägungsgesuch und beantragten die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für A.________. Das Migrationsamt trat auf das Begehren nicht ein. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos (Urteil des Verwaltungsgerichts vom 6. Juli 2011).
Am 25. Oktober 2011 stellten A.________ und B.________ erneut ein Wiedererwägungsgesuch. Der Nichteintretensentscheid des Migrationsamts vom 16. November 2011 wurde wiederum bestätigt (Urteil des Bundesgerichts 2C_574/2012 vom 19. Februar 2013).
1.2. Am 26. März 2014 stellten A.________ und B.________ ein drittes Wiedererwägungsgesuch mit dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für A.________. Das Migrationsamt trat am 30. September 2014 darauf nicht ein. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos (Entscheid der Sicherheitsdirektion vom 14. Januar 2015; Urteil des Verwaltungsgerichts vom 22. Juni 2015).
 
2.
Die von A.________ und B.________ am 31. August 2015 beim Bundesgericht erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist offensichtlich unbegründet und daher im vereinfachten Verfahren mit summarischer Begründung abzuweisen (Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG).
2.1. Der Beschwerdeführer 1 ist in der Schweiz bereits zwei Mal eine Scheinehe eingegangen, was gerichtlich festgestellt wurde. Danach machte er drei Mal wiedererwägungsweise geltend, er und seine Frau hätten sich nachträglich ineinander verliebt, weshalb ihm die Aufenthaltsbewilligung zu erteilen sei.
Im Zusammenhang mit einer rechtskräftig festgestellten Umgehungsehe stellt der sogenannte amor superveniens, die nachträglich eingetretene echte Ehegemeinschaft, eine neue Tatsache dar, welche ein Rückkommen auf die rechtskräftig gewordene Wegweisung rechtfertigen kann (Urteil 2C_183/2013 vom 1. Juli 2013 E. 1.4). Nachdem die beiden ersten Wiedererwägungsgesuche rechtskräftig mit Nichteintreten erledigt worden sind, bedürfte es nun gewichtiger Indizien, die den Eintritt eines amor superveniens nach der letzten gerichtlichen Überprüfung des vollständigen Sachverhalts als wahrscheinlich erscheinen lassen. Massgebend ist dabei eine Gesamtbetrachtung: Auch wenn sich einzelne Umstände ändern, die bei der Abwägung im früheren Entscheid mitberücksichtigt worden sind, besteht nur dann Anspruch auf eine erneute materielle Prüfung, wenn ein anderes Ergebnis realistischerweise möglich ist (WIEDERKEHR/RICHLI, Praxis des allgemeinen Verwaltungsrechts, 2012, Rz. 2662). Die Wiedererwägung darf namentlich nicht bloss dazu dienen, rechtskräftige Entscheide immer wieder infrage zu stellen (Urteil 2C_683/2012 vom 19. März 2013 E. 3.1; BGE 136 II 177 E. 2.1 S. 181).
2.2. Die Vorinstanz hat ohne Willkür verneint, dass seit dem 8. Mai 2012 (rechtskräftiges, den Nichteintretensentscheid bestätigendes Urteil einer mit voller Kognition ausgestatteten, kantonal letztinstanzlichen Gerichtsbehörde) eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten wäre, welche auf einen amor superveniens schliessen liesse. Das unverändert bestehende gegenseitige Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer 1 und der Beschwerdeführerin 2 ist kein Indiz für eine echte Lebensgemeinschaft, sondern für den Arrangement-Charakter, der die Beziehung von Beginn an kennzeichnete. Die schriftliche Auskunft des die Beschwerdeführerin 2 behandelnden Psychiaters, wonach "das Paar nicht gewillt" sei, sich "durch behördliche Entscheide auseinanderdividieren zu lassen", ändert daran nichts. Die Vorinstanz durfte denn auch, ohne Verletzung des rechtlichen Gehörs und ohne in Willkür zu verfallen, auf die beantragte Befragung des Psychiaters verzichten (vgl. BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236). Dasselbe gilt in Bezug auf eine Befragung der Beschwerdeführenden selbst, nachdem keine Anhaltspunkte für eine Wandlung von deren Beziehung vorliegen. Dass sie "seit nunmehr drei Jahren ununterbrochen" zusammenleben würden (und nicht mehr nur zeitweise), ist nicht erstellt: Die Verfügung der Ausgleichskasse vom 10. August 2015 betreffend Ergänzungsleistungen zur AHV-Rente, welche die Beschwerdeführenden dem Bundesgericht zum Nachweis ihrer Bedürftigkeit - und damit novenrechtlich zulässig - einreichen, enthält hinsichtlich der Beschwerdeführerin 2 den Vermerk "Getrennt leb. seit 25.05.11". Wie es sich damit verhält, kann indessen offen bleiben, weil das Zusammenwohnen nur notwendige, nicht aber hinreichende Voraussetzung einer echten Lebensgemeinschaft im Sinn von Art. 42 Abs. 1 AuG (SR 142.20) bildet. Sodann führt die Vorinstanz an, dass zwei Frauen angegeben haben, mit dem Beschwerdeführer 1 jeweils im Jahr 2012 bzw. 2014 eine (kurze) Beziehung geführt zu haben, nach deren Beendigung sie vom Beschwerdeführer 1 noch massiv belästigt worden seien. Der Beschwerdeführer 1 bestritt zwar diese Darstellung in beiden Fällen; indessen wurde in Bezug auf die erstgenannte Angelegenheit im November 2012 immerhin ein Kontaktverbot ausgesprochen. In Bezug auf die Angelegenheit im Jahr 2014 bestritt der Beschwerdeführer 1 ebenfalls einen sexuellen Kontakt mit der Frau, räumte aber ein, für sie einen Wagen (günstig) gemietet, ihr ein Bett geschenkt und für sie Medikamente gekauft zu haben. Die Natur dieser Bekanntschaften konnte und musste von der Vorinstanz nicht geklärt werden. Entscheidend ist, dass die Beziehung zwischen den Beschwerdeführenden nach wie vor von gegenseitiger Abhängigkeit geprägt ist und keine neuen Tatsachen vorliegen, welche die Qualität der Beziehung in einem neuen Licht erscheinen lassen würden. Selbstredend können die Beschwerdeführenden aus der Tatsache, das der Beschwerdeführer 1 die Schweiz trotz fehlenden Aufenthaltsrechts nicht verlassen hat, nichts zu ihren Gunsten ableiten. Die Beschwerdeführenden haben den Beweis, dass sie - anders als bis zum 8. Mai 2012 - nunmehr ein Paar seien, nicht erbracht. Die Vorinstanz hat den Nichteintretensentscheid des Migrationsamts zu Recht bestätigt.
2.3. Die Beschwerde erweist sich als aussichtslos, weshalb nicht nur sie, sondern auch das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abzuweisen ist (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG e contrario). Den Beschwerdeführenden sind die (umständehalber reduzierten) Gerichtskosten unter solidarischer Haftbarkeit aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG). Ausgangsgemäss ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftung auferlegt.
4. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 19. Februar 2016
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Zünd
Die Gerichtsschreiberin: Genner