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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
[img]
{T 0/2}
1C_407/2015
Urteil vom 25. Februar 2016
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Karlen,
Gerichtsschreiber Störi.
Verfahrensbeteiligte
Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern,
Schermenweg 5, Postfach, 3001 Bern,
Beschwerdeführer,
gegen
A.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Serge Flury.
Gegenstand
Entzug des Führerausweises für Motorfahrzeuge,
Beschwerde gegen die Entscheide vom 18. Februar 2015 und vom 9. Juli 2015 der Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführern.
Sachverhalt:
A.
Der Berufschauffeur A.________ geriet am 6. Mai 2014 am Steuer eines Sattelschleppers in Tüscherz-Alfermée in eine Polizeikontrolle. Dabei wurden verschiedene Verstösse gegen die Verordnung über die Arbeits- und Ruhezeit der berufsmässigen Motorfahrzeugführer und -führerinnen (Chauffeurverordnung, ARV 1, SR 822.221) festgestellt (Nichteinhalten der Lenkpause gemäss Art. 8 Abs. 1 und 2 ARV 1, fehlende Arbeitspause nach 6 Stunden gemäss Art. 8 Abs. 3 ARV 1, Nichteinhalten der täglichen Ruhezeit im Sinn von Art. 9 Abs. 1 bis 4 ARV 1).
Am 4. November 2014 bestrafte die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Region Berner Jura-Seeland, A.________ wegen dieser Verstösse gegen die ARV 1 mit einer Busse von Fr. 200.--.
Am 3. Dezember 2014 entzog das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt (SVSA) des Kantons Bern A.________ den Führerausweis gestützt auf Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG für einen Monat.
Am 18. Februar 2015 hiess die Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführern die Beschwerde von A.________ gegen diese Entzugsverfügung gut und sprach keine Massnahme aus. Es nahm die Kosten des Verfahrens auf die Staatskasse und sprach A.________ eine Parteientschädigung gemäss nachzureichender Kostennote zu Lasten des SVSA zu. Mit Verfügung vom 9. Juli 2015 setzte der Präsident der Rekurskommission die Parteientschädigung auf Fr. 1'764.-- fest.
B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt das SVSA, diese beiden Entscheide der Rekurskommission aufzuheben und seine Entzugsverfügung vom 3. Dezember 2014 zu bestätigen.
A.________ beantragt in seiner Vernehmlassung, die Beschwerde abzuweisen. Denselben Antrag stellen die Rekurskommission und das Bundesamt für Strassen (ASTRA).
Erwägungen:
1.
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über einen Führerausweisentzug. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 ff. BGG offen; ein Ausnahmegrund ist nicht gegeben (Art. 83 BGG). Der Beschwerdeführer ist zur Beschwerde befugt (Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG i.V.m. Art. 24 Abs. 2 lit. a SVG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde einzutreten ist.
2.
Für den Beschwerdeführer sind die Bestimmungen der ARV 1, gegen die der Beschwerdegegner verstossen hat, Verkehrsvorschriften. Es hat ihm den Führerausweis dementsprechend in Anwendung von Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG wegen leichter Widerhandlung gegen die Verkehrsvorschriften für einen Monat entzogen.
Die Rekurskommission geht dagegen zu Recht davon aus, dass zwischen dem Verstoss gegen die Pausen- und Ruhezeitvorschriften der ARV 1 und dem Verstoss gegen Art. 31 Abs. 2 SVG echte Konkurrenz besteht (Bruno Schlegel, in: Basler Kommentar, Strassenverkehrsrecht, Basel 2014, N. 230 zu Art. 56). Die Verletzung einer Pausen- und Ruhezeitvorschrift der ARV 1 stellt dann eine Verkehrsregelverletzung dar, wenn sie auch einen Tatbestand von Art. 16 ff. SVG erfüllt. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein besonders krasser Verstoss gegen die Ruhezeitvorschrift auch den Tatbestand von Art. 31 Abs. 2 SVG (Fahren in wegen Übermüdung fahrunfähigem Zustand) erfüllt; diesfalls ist der Täter sowohl nach den Vorschriften der ARV 1 als auch nach denjenigen des SVG zu sanktionieren.
Das ASTRA weist in diesem Zusammenhang zu Recht daraufhin, dass das Fahren in wegen Übermüdung fahrunfähigem Zustand stets eine schwere Widerhandlung darstellt, die zwingend einen Entzug von mindestens drei Monaten nach sich zieht (Art. 16c Abs. 1 lit. c und Abs. 2 SVG). Das Gesetz unterscheidet dabei nur zwischen fahrfähig und fahrunfähig, es kennt keine Zwischenstufen im Sinne einer wegen Übermüdung erheblich oder leicht beeinträchtigten Fahrfähigkeit, die als mittelschwere bzw. leichte Widerhandlung strafbar wären.
Die vom Beschwerdegegner begangenen Verstösse gegen die ARV 1 haben teilweise eher Bagatellcharakter (z.B. Einschalten einer Lenkpause nach 4 Stunden 44 Minuten anstatt, wie vorgeschrieben, nach 4 Stunden 30 Minuten), sind teilweise aber auch ernsthafterer Natur (z.B. Einhalten einer täglichen Ruhezeit von bloss 6 Stunden 8 Minuten, anstelle der vorgeschriebenen 9 Stunden). Die Verstösse wiegen indessen jedenfalls nicht so schwer, dass sie den Schluss zulassen würden, der Beschwerdegegner sei in übermüdetem, fahrunfähigem Zustand gefahren. Die Polizeibeamten haben denn auch anlässlich der Kontrolle nichts dergleichen festgestellt. Kann dem Beschwerdegegner aber somit keine Verkehrsregelverletzung im Sinn von Art. 31 Abs. 2 SVG i.V.m. Art. 16c Abs. 1 lit. c SVG angelastet werden, erweist sich der angefochtene Entscheid der Rekurskommission als zutreffend. Sie hat kein Bundesrecht verletzt, indem sie die bei ihr angefochtene Entzugsverfügung aufgehoben hat.
3.
Die Beschwerde ist somit abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Hingegen hat der Beschwerdeführer dem Beschwerdegegner eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen. (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführern und dem Bundesamt für Strassen Sekretariat Administrativmassnahmen schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 25. Februar 2016
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Fonjallaz
Der Gerichtsschreiber: Störi